Wiebke Drenckhan ist eine professionelle Schaumschlägerin. Nein, sie ist keine Politikerin, Werberin oder Beraterin, denen Lästerer gerne nachsagen, allzu oft Luftnummern zu produzieren. Die preisgekrönte Physikerin hat ihre wissenschaftliche Karriere einem blasigen Phänomen gewidmet: dem Schaum.
In ihrem Labor an der Universität Paris-Süd tupft die 37-Jährige einen Finger vorsichtig in Seifenschaum, den ein Mitarbeiter mit Druckluft produziert hat. Wie lange bleibt die Masse steif, wie fließt sie, wie groß sind die Bläschen? Die gebürtige Greifswalderin hat in Rostock und im neuseeländischen Christchurch studiert, in Dublin promoviert und arbeitet nun in Paris.
Für ihre Forschung interessieren sich Unternehmen wie der Düsseldorfer Henkel-Konzern und der französische Kosmetikriese L’Oréal. „Das goldene Zeitalter der Schäume ist angebrochen“, ist Drenckhan überzeugt. Ihre Begeisterung ist so groß, dass kein Geburtstag ihrer zwei Kinder ohne Schaumschlacht verläuft und sie regelmäßig Schulklassen für die Wunderwelt der winzigen Bläschen zu interessieren versucht.
Umso mehr, als diese Welt längst nicht mehr bloß aus Wasser und Seife besteht: Ob Plastik, Keramik, Glas oder Metalle und sogar Käse oder Schokolade – alles wird aufgeschäumt. Bisher allerdings waren das meist Nischenanwendungen – ob bei Mousse au Chocolat oder der schaumigen Waschlauge aus dem Seifenspender.
Nun aber ist Schluss mit eher zufälligen Schöpfungen, bei denen Köche oder Entwickler ihre luftigen Produkte im Wechselspiel aus Versuch und Irrtum kreierten. Der Funktionsschaum der Zukunft ist das Ergebnis komplexer Computersimulation – Materialwissenschaft auf Bläschenniveau sozusagen.
Schaum ist ein vielseitiger Werkstoff
Denn dank des immensen Leistungsschubs der IT sind Wissenschaftler wie Wiebke Drenckhan und ihre Kollegen in den Laboren weltweit jetzt in der Lage, Eigenschaften von Schäumen am Computer vorauszuberechnen. Sie können jede einzelne Pore simulieren und so maßgeschneiderte Werkstoffe schaffen – egal, ob für den Einsatz in Architektur, im Fahrzeugbau, in der Kosmetik oder in der Lebensmittelbranche.
Und seit die chaotisch geformten Schäume berechenbar sind, steigt die Nachfrage rasant. Weil Schäume zu 90 Prozent aus Löchern bestehen, sind sie leichter, benötigen weniger Rohstoff bei der Produktion und enthalten als Nahrungsmittel weniger Kalorien als herkömmliche Lebensmittel.
Schaum kann elastisch sein wie eine Matratze oder hart wie Beton. Er kann Hitze horten oder Schall komplett verschlucken. Er kann Autofahrer bei Unfällen schützen und in geselliger Runde das Bier kühl halten.
Wie groß das Potenzial des luftigen Etwas ist, zeigen die Branchen Verkehr, Energie, Reinigung und Nahrung. Ein Blick in die Ideenschmieden der Unternehmen:
Es klingt ein wenig wie ein Kuchenrezept mit viel Mehl und Backpulver: Man nehme eine Legierung aus Aluminium und Titanhydrid und erhitze sie kräftig. Dabei entsteht Wasserstoffgas, und das Material geht auf wie ein Rührkuchen. Lange hat Thomas Hipke vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Chemnitz nach den richtigen Zutaten und dem optimalen Fertigungsprozess gesucht. Jetzt beherrscht der 44-Jährige das Verfahren perfekt. Er packt den Aluschaum zwischen Bleche, fertig ist das Sandwich, das nur ein Fünftel eines massiven Bauteils wiegt.