Wie für Astronauten gekocht wird Schlemmen im Weltall - Hauptsache scharf

In den Kindertagen der bemannten Raumfahrt war die Verpflegung im Orbit eintönig: Die Nahrung wurde einmal durch den Mixer gejagt, sterilisiert, in Tuben verpackt oder dehydriert und in geleeumhüllter Würfelform mitgenommen. Heutzutage umfasst der kulinarische Plan der Astronauten hunderte unterschiedliche Gerichte.

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Kulinarische Highlights im All
Als Astronautennahrung werden alle Lebensmittel bezeichnet, die Raumfahrer während ihrer Mission mitführen. Meist werden die Nahrungsmittel in Plastiktüten, Tuben oder Dosen verpackt. Bildquelle: Esa Quelle: Presse
Der erste Mensch im All, der in den Genuss von Weltraumnahrung kam, war der russische Kosmonaut Juri Gagarin (1934-1968). In den 60er Jahren waren das vor allem kleingepresste Würfel, um den Raumfahrer mit Fetten, Proteinen und Vitaminen zu versorgen. Als Getränk diente meist sterilisiertes Apfelmus, da die Speisen leicht verdaulich sein mussten. Quelle: dapd
Später wurde das Essen getrocknet und in Plastikbehältern mitgenommen. Mit Wasser ließ es sich dann wieder zu einer Mahlzeit aufquellen. Auf dem Bild demonstriert NASA-Astronaut Edward Lu seine Reismahlzeit während seines Aufenthaltes auf der Internationalen Raumstation im Jahr 2003. Quelle: Presse
Heutzutage können sich die Astronauten ihre Weltraummenüs selbst zusammenstellen. Über 100 Speisen und 20 Getränke stehen dafür zur Auswahl. Lange bevor sie ins All fliegen, wählen die Astronauten ihre Tagesmenüs aus. Es gibt drei Mahlzeiten am Tag. Dazu kommen Snacks, die jederzeit gegessen werden dürfen. Hier sitzen die NASA-Astronauten Edward Lu und Roscosmos-Kosmonaut Juri Malentschenko zusammen und bereiten sich gerade ihre Mahlzeit im Swesda-Modul der Internationalen Raumstation zu. Nur im russischen Swesda-Modul gibt es einen Tisch, an dem die Mannschaft sich zu den Mahlzeiten zusammenfinden kann. Quelle: Presse
Wirklich verzichten müssen die Raumfahrer also nicht mehr. Eine komplette Mahlzeit aus getrockneten Tomaten, Brot, Käse und Pfirsich. Quelle: Presse
Frisches Obst und Gemüse sind auf der Internationalen Raumstation eine Rarität. Beides kann nur sporadisch mit den alle drei bis vier Wochen ankommenden Transportraumschiffen geliefert werden. Die Freude über die Frischkost ist so groß, dass die beiden NASA-Astronauten Shane Kimbrough und Sandra Magnus noch ein aussagekräftiges Foto mit den Delikatessen machen, bevor sie kräftig zubeißen. Quelle: Presse
ESA-Astronaut Paolo Nespoli, hat aus gutem Grund zu einem langstieligen Löffel gegriffen. Dieser ist praktisch, um auch wirklich alles von der speziell für die Internationale Raumstation kreierten italienischen Mahlzeit aus der Tüte herauszubekommen. Nespoli musste wie alle Astronauten auf der Raumstation besonders darauf achten, viel Calcium zu sich zu nehmen, da die Schwerelosigkeit den Knochen massiv zusetzt. Quelle: Presse

Jede an der ISS beteiligte Raumfahrtorganisation entwickelt nach ernährungsphysiologischen Maßstäben und auf Basis der Geschmacksvorlieben der Astronauten eigene Menüs und Gerichte, die sich kaum von denen auf der Erde unterscheiden. Ein Ziel ist es, das Essen von der Erde so gut wie möglich zu imitieren, um etwas Normalität in den Astro-Alltag zu bringen. Während bei japanischen Astronauten Reisgerichte und Nudelsuppen ganz hoch im Kurs stehen, kommt bei den russischen Kosmonauten Gulasch, Trockenfleisch und Fisch auf den Tisch. Das „erdet“ und gibt ein Gefühl von Heimat im Orbit. Die beliebteste Speise ist ein von der NASA entwickelter Krabbencocktail mit scharfer Sauce. Er übersteht die Gefriertrocknung und das spätere Wiederanreichern von Wasser am besten, die Textur ist mir der auf der Erde vergleichbar.
Öko-Essen für den Orbit

Die Europäische Raumfahrtagentur ESA arbeitet mit dem jungen italienischen Unternehmen argotec zusammen. In deren Space Food Lab werden von einer Handvoll Experten Speisen entwickelt, die etwa 18 bis 24 Monate haltbar sind – komplett aus Öko-Zutaten, ohne Ausnahme. Aktuellstes Projekt ist die Mission der ESA-Astronautin Samantha Cristoferetti, die ab November auf der ISS sein wird. „Das Menü ist das Ergebnis der Forschung und Entwicklung von anderthalb Jahren, allein ein halbes Jahr wurde an den Zusatznahrungsmitteln gearbeitet. Unser Hauptziel ist die Senkung des Salzanteils in der Nahrung sowie die Konservierung ohne Veränderung von Farbe, Geruch und Geschmack“, so Antonio Pilello, Sprecher von argotec.

Die NASA betreibt mit dem Space Food Systems Laboratory in Texas eine deutlich umfangreichere Forschungseinrichtung, die sich mit der Herstellung und Optimierung von Nahrungsmitteln für die Raumfahrt beschäftigt. Neben Ernährungsberatern, Mikrobiologen und Nahrungswissenschaftlern tüfteln hier Verpackungsdesigner, Ingenieure und Techniker am perfekten Nahrungsmittel für die Astronauten. Ein wichtiger Faktor ist die Haltbarkeit der Lebensmittel: Jegliche Speisen, die zur ISS gebracht werden, müssen mindestens 18 Monate haltbar sein. Zudem muss auf eine möglichst leichte Verpackung geachtet werden: Je geringer das Gewicht, desto günstiger ist der Transport zur ISS.

Frisches Obst als Highlight im Speiseplan

Frisch gedruckt statt frisch gekocht
Auf der weltgrößten Backmesse iba können sich die Besucher davon überzeugen, dass die gedruckten Lebensmittel keine Zukunftsvision mehr sind: Das Startup-Unternehmen Print2Taste aus Freising bei München stellt seine Lebensmitteldrucker der Öffentlichkeit vor und will sie 2016 auf den Markt bringen. „Die Drucker funktionieren ähnlich wie der Spritzbeutel eines Konditors - nur viel feiner“, erklärt Melanie Senger das Prinzip. Die 31-jährige Ernährungswissenschaftlerin gehört zum zehnköpfigen Team des jungen Unternehmens Print2Taste. Ernährungsforscher gehen davon aus, dass „gedrucktes Essen“ bereits in wenigen Jahren zur Normalität gehören wird. Die Funktionsweise ist einfach: Der Teig oder Brei wird in einer Patrone in den Drucker gegeben und dann aus einer Spritzdüse langsam dosiert und geschichtet - so entstehen im Gegensatz zum flach ausgerollten Teig zum Beispiel auch Kekse in Form einer Schildkröte mit einem gewölbten Panzer. Der Teig muss dann nur noch gebacken werden. Quelle: dpa
Im August 2015 hat Katjes den ersten lebensmittelzertifizierte 3D-Drucker für Fruchtgummis vorgestellt. In einem Berliner Café druckt das Unternehmen seit dem in der „Magic Candy Factory“ Gummi-Naschereien nach Kundenwusch. Ein solcher zehn Gramm schwerer Oktopus wird übrigens in höchstens fünf Minuten gedruckt. Quelle: PR
Bereits 2014 hatte es die Raumfahrtbehörde NASA geschafft, die erste Pizza im 3D-Drucker herzustellen. Ob die genauso schmeckt, wie die im Bild gezeigte "normale" Pizza ist allerdings unklar. Das texanische Unternehmen Systems & Materials Research Corporation tüftelte schon seit Mai 2013 an gedruckten Lebensmitteln. Vorerst sollen sich Astronauten mit 3D-Essen versorgen, später soll die Erfindung den Hunger auf der Erde bekämpfen. Quelle: REUTERS
Der italienische Lebensmittelkonzern Barilla entwickelt gemeinsam mit einem niederländischen Institut 3D-Drucker für Pasta. Die Geräte sollen an Restaurants verkauft werden und auf Knopfdruck verschiedene Nudelsorten produzieren, wie italienische Medien berichteten. Das Forschungsinstitut TNO aus Eindhoven bestätigte der Nachrichtenagentur dpa das Projekt, Barilla war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Die „Bild“-Zeitung hatte über das Vorhaben berichtet. Projektleiter Kjeld van Bommel hatte der niederländischen Zeitung „Trouw“ vor einigen Tagen gesagt, Ziel der schon zwei Jahre dauernden Zusammenarbeit sei es, Teigpatronen an Restaurants zu liefern, mit denen diese individuelle Pasta für ihre Gäste produzieren könnten. „Zum Beispiel: Wenn jemand Silberne Hochzeit hat und mit seiner Frau essen geht und sie dann mit Pasta in Form eine Rose überrascht.“ Kunden könnten auch ihren eigenen Entwurf auf einem USB-Stick mitbringen. „Im Prinzip ist jede Form möglich.“ Nun müsse noch an der Geschwindigkeit gearbeitet werden, sagte van Bommel. Barilla wolle 15 bis 20 Nudeln innerhalb von 20 Minuten drucken. „Das werden wir schaffen“, sagte er. „Wir können jetzt schon zehnmal so schnell drucken wie zu Beginn unserer Experimente Quelle: Fotolia
Nicht nur die NASA, auch eine spanische Firma hat das 3D drucken für sich entdeckt. Unter dem Namen "Foodini" produziert ihr 3D-Drucker jetzt Pizzen, druckfrisch und lecker. Die Graphik zeigt die Produktion einer solchen 3D-Pizza in mehreren Schritten. Um einzelne Nahrungsmittel-Bestandteile zusammenzusetzen, füllt der Nutzer lediglich die vorhandenen Kartuschen mit den entsprechenden Zutaten - das "Kochen" übernimmt im Anschluss der Drucker.  Quelle: Screenshot
Ein amerikanisches Designer-Ehepaar druckt geometrische Gebilde aus Zucker für Konditoreien und Hochzeitsplaner. Eine gedruckte Hochzeitstorte sei in Planung. Die Kreationen von "The Sugar Lab" kosten derzeit noch bis zu tausend Dollar. Quelle: Screenshot
Mit der Hand verzieren, das war einmal. Jetzt könnte der 3D Drucker der Firma Hershey's diese schokoladige Aufgabe übernehmen. Auch Pizza und Ravioli kann der Drucker von Hershey's herstellen. Quelle: Screenshot

Alle Gerichte werden in Plastikbeuteln gefriergetrocknet und vor Ort wieder mit Wasser angereichert oder in Dosen verpackt. Ergänzt wird dieses Menü durch frisches Obst oder Gemüse, das etwa einmal im Monat zusammen mit den Versorgungsmissionen zur Station gebracht wird. Manchmal machen es die Astronauten auch wie früher auf dem Schulhof: Statt Broten werden ab und an mal komplette Gerichte untereinander ausgetauscht.
Bei der Zusammenstellung der täglichen Gerichte muss auf eine ausgewogene Zusammenstellung der Inhaltsstoffe Acht gegeben werden. Oft werden den Speisen Calcium und Vitamin D zugesetzt, um den Abbau der Knochen in der Schwerelosigkeit einzudämmen. Zwiebelgewächse, Kohl und Hülsenfrüchte sind beispielsweise verpönt, da sie Blähungen hervorrufen können. Im Unterschied zur irdischen Küche wird alles stärker gewürzt, da der Geschmackssinn im Orbit deutlich schlechter funktioniert. Deshalb setzen die Entwickler der Astronautennahrung auf intensive Kräuter und scharfe Zusätze, um die Gerichte zu verfeinern und das Geschmackserlebnis zu optimieren. Salz hingegen wird nur sparsam eingesetzt, da dies im Verdacht steht, den ohnehin schon unvermeidlichen Knochenabbau weiter zu beschleunigen. Außerdem nicht erlaubt: Stark krümelnde Snacks. Die Überreste können Filter verstopfen oder von den Astronauten versehentlich eingeatmet werden.

Haute Cusine für Astronauten

Anfang 2010 ging die ESA einen ganz neuen Schritt: Auf Basis einer Idee des deutschen Astronauten Ernst Messerschmidt entwickelte der deutsche Sternekoch Harald Wohlfahrt ein Menü für die ISS, das unter anderem Kalbsbäckchen und Kartoffelsuppe beinhaltete. Die Entwicklung dauerte rund 1 ½ Jahre, von der passenden Würzung über Ausfuhrgenehmigungen bis hin zu einer adäquaten Verpackung. Der Preis ist allerdings nicht mit einem 3-Sterne-Restaurant zu vergleichen: Derzeit kostet der Transport von einem Kilo Proviant zur ISS etwa 21.000 Dollar.

Gewächshäuser im Weltall in Arbeit

Und wie sieht die Zukunft aus? Ein Ziel ist langfristig die Produktion von Nahrungsmitteln im All, entsprechende Versuche werden in kleinem Maßstab bereits durchgeführt. Wichtig sind die auch für die weitere Erkundung des Weltraums: Für eine mögliche Marsmission werden regenerierbare Ressourcen unerlässlich sein. Dr. Jens Hauslage, Gravitationsbiologe beim Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, arbeitet derzeit in kleinem Maßstab an einer Anlage namens C.R.O.P., die aus vermeintlichen Abfällen wie Pflanzen und Urin wieder Nährstoffe für Pflanzen herstellt. „Für zukünftige Langstreckenflüge sind erneuerbare Ressourcen unerlässlich, da es nahezu unmöglich ist, die benötigte Nahrung komplett mitzunehmen. Pflanzen sind in der Lage, essentielle Nährstoffe zu für den Menschen liefern.“ Ein Problem stellt die Schwerelosigkeit dar: „Ohne Schwerkraft wissen die Pflanzen nicht, wo sie hinwachsen sollen. Deshalb muss man ihnen z.B. mit Licht eine gewisse Grundrichtung geben.“ Mittelfristig könnte die Anlage auch auf der Erde bei Großgärtnereien Anwendung finden, erste Versuchseinrichtungen gibt es bereits.

Des Weiteren arbeitet die NASA derzeit an der Entwicklung eines 3D-Druckers, der in der Lage sein soll, Nahrungsmittel zu drucken. Na dann: Guten Appetit.

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