Der Japaner Yoshinori Ohsumi wird für in diesem Jahr für die Entdeckung des sogenannten Autophagie-Mechanismus mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet, der unter anderem bei der Zersetzung von Zellbestandteilen eine Rolle spielt. Ohsumi wurde für seine „brillanten Experimente“ zur sogenannten Autophagie gewürdigt. Einem Prozess, bei dem Zellen ihre Inhalte zerteilen und sozusagen recyceln.
Volker Haucke vom Berliner Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie forscht am selben Themengebiet wie der Medizin-Nobelpreis-Gewinner: der Autophagie. Er gibt einen Eindruck von dem Forschungsgebiet und warum Yoshinori Ohsumi ein ehrwürdiger Preisträger ist.
WirtschaftsWoche: Haben die Nobelpreis-Juroren den richtigen Forscher gekürt?
Volker Haucke: Ja. Diesen Preis hat Yoshinori Ohsumi absolut gerechtfertigt verdient, denn er hat seit den 80er-Jahren am Thema des lebenswichtigen Prozesses der Autophagie geforscht. Damals interessierte sich noch kein Mensch dafür.
Die Medizin-Nobelpreisträger der vergangenen zehn Jahre
Den Medizin-Nobelpreis bekamen 2017 drei US-Amerikaner für Arbeiten zur Funktion und Kontrolle der Inneren Uhr. „Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young waren in der Lage, einen Blick ins Innere unserer biologischen Uhr zu werfen und ihre Funktionsweise zu beleuchten“, hieß es von der Nobeljury. „Ihre Entdeckungen erklären, wie Pflanzen, Tiere und Menschen ihren biologischen Rhythmus so anpassen, dass er mit dem Tag-Nacht-Rhythmus der Erde übereinstimmt.“
2016 erhielt der Japaner Yoshinori Ohsumi den Medizinnobelpreis. Er hatte die lebenswichtige Müllentsorgung in Körperzellen entschlüsselt.
Die Chinesin Youyou Tu für die Entdeckung des Malaria-Wirkstoffs Artemisinin. Sie teilte sich den Preis mit dem gebürtigen Iren William C. Campbell und dem Japaner Satoshi Omura, die an der Bekämpfung weiterer Parasiten gearbeitet hatten.
Das norwegische Ehepaar May-Britt und Edvard Moser sowie John O'Keefe USA, Großbritannien - für die Entdeckung eines Navis im Hirn. Sie fanden grundlegende Strukturen unseres Orientierungssinns.
Thomas Südhof, gebürtig aus Deutschland, sowie James Rothman und Randy Schekman, USA - für die Entdeckung von wesentlichen Transportmechanismen in Zellen.
Sir John B. Gurdon, Großbritannien, und Shinya Yamanaka, Japan - für die künstliche Herstellung von Stammzellen. Ihnen ist es gelungen, erwachsene Körperzellen in ihren embryonalen Zustand zurückversetzt haben - eine Revolution in der Stammzellforschung, weil sich diese Zellen in alle Zellen des Menschen entwickeln können.
Bruce Beutler, USA, und Jules Hoffmann, Frankreich - für ihre Entdeckungen über die Aktivierung der angeborenen Immunität.
Ralph Steinman, Kanada - für seine Entdeckung der dendritischen Zellen und ihrer Rolle in der adaptiven Immunität.
Robert Edwards, Großbritannien - für seine Entwicklung der In-vitro-Fertilisation.
Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak, alle USA - für die Entdeckung, wie Chromosomen durch Telomere und das Enzym Telomerase geschützt werden.
Harald zur Hausen, Deutschland - für seine Entdeckung der Auslösung des Gebärmutterhalskrebs durch humane Papillomviren.
Francoise Barre-Sinoussi und Luc Montagnier, beide Frankreich - für die Entdeckung des HI-Virus.
Wozu ist dieser Prozess gut?
Autophagie sorgt dafür, dass die Zellen in einem von ihnen gesteuerten Prozess Teile von sich selbst verdauen können. Damit werden zum Beispiel störende Eiweiß-Komplexe entsorgt und deren Grundstoffe für die Zelle gleichzeitig wieder verwertbar gemacht.
Eine Art Recycling also?
Genau. Doch im Alter lässt diese Aktivität nach. Den Prozess mit pharmakologisch aktiven Substanzen wieder anzukurbeln könnte also eine Möglichkeit sein, viele der neurodegenerativen Erkrankungen einzudämmen wie etwa Parkinson, Chorea Huntington oder auch Alzheimer. Denn gerade da spielen störende Eiweißablagerungen eine große Rolle.
Wie lange könnte es dauern, bis solche Therapien erprobt werden?
Gar nicht so lange, denn es sind Naturstoffe wie das Resveratol im Rotwein oder Polyamine, die im Körper selbst oder zum Beispiel in Maggi reichlich vorhanden sind, die zumindest im Labor bei viele Zellsystemen auch die Autophagie wieder in Gang bringen.
Rotwein und Maggi gegen Alzheimer? Hat also der Rotwein heute den Medizin-Nobelpreis verliehen bekommen?
Nein, natürlich nicht (lacht). Sondern ein sehr bescheidener Grundlagenforscher, der vor vielen Jahren eine wichtige Frage gestellt hat. Nämlich die, wie Hefezellen es schaffen, in widrigsten Lebensbedingungen nicht zu verhungern. Und dabei entdeckte er die Autophagie - also die Fähigkeit, sich teilweise aus sich selbst heraus zu ernähren. Der Preis zeigt, wie wichtig die Grundlagenforschung ist - mit Fragen, die vordergründig gar nicht so spannend klingen. Denn welcher Politiker würde schon für die Erforschung der Anti-Hunger-Strategie von Hefezellen viel Geld ausgeben. Aber wenn dabei Therapien gegen Alzheimer heraus kommen, klingt das schon ganz anders.