Graphene-CA
Ein Material, dünner als eine Klarsichtfolie und dennoch so reißfest, dass es einen Elefanten tragen könnte. Klingt nach einem Märchen. Doch es gibt den Wunderstoff wirklich. Und er hat das Zeug, Europas industrielle Position in der Welt auf Jahrzehnte zu stärken – ob bei Autos, Flugzeugen, Computerchips oder Mobiltelefonen.
Diese faszinierende Kohlenstoff-Verbindung heißt Graphen. Entdeckt haben sie die russischstämmigen Wissenschaftler Andre Geim und Konstantin Novoselov 2004 an der Universität Manchester. 2010 erhielten beide dafür den Physiknobelpreis. Die renommierte Ehrung nach so kurzer Zeit lag an der außergewöhnlichen Bedeutung ihrer Entdeckung.
Graphen ist ein chemischer Verwandter von Diamanten, Kohle oder dem Grafit von Bleistiftminen – doch weit potenter: Mit nur einer Atomschicht ist es eines der dünnsten Materialien im Universum – weniger als einen Millionstel Millimeter dick. Aber alles andere als zerbrechlich: Die chemische Flunder ist bis zu 300 Mal härter als Stahl, zugleich biegbar, durchsichtig wie Glas, und sie leitet Wärme und Strom besser als alle bekannten Materialien.
Experten halten das Graphen-Projekt wegen dieser sensationellen Eigenschaften für das mit dem größten wirtschaftlichen Potenzial. Hinter dem Konsortium stecken 250 Forscher und 74 Partner, darunter der finnische Handykonzern Nokia, der niederländische Elektronikriese Philips, Flugzeugbauer Airbus und das deutsche Nanotechnologieunternehmen AMO.
Der Leiter des Projekts, der Physiker Jari Kinaret von der Technischen Universität im schwedischen Chalmers, schwärmt: „Wir könnten aus Graphen transparente, flexible und sehr stabile Touchscreens für Handys bauen.“ Oder extrem schnelle Computerchips. Am Ende, spekuliert der Forscher, könnte ein Smartphone stehen, nicht größer als eine Kreditkarte, das sich einrollen und wie eine Zigarette hinters Ohr stecken ließe. Und nicht nur das. Kinaret denkt an extrem dünne und biegbare Solarzellen, an neue Hochleistungsbatterien, superleichte Autokarosserien und Flugzeugkabinen – alles Milliardenmärkte.
Doch die Europäer müssen sich sputen, denn auch Amerikaner und Asiaten wollen mit dem Supermaterial gute Geschäfte machen. Der südkoreanische Technikriese Samsung plant, schon nächstes Jahr erste Graphen-Produkte zu verkaufen. IBM wiederum hat bereits einen Chip aus dem Material präsentiert, der fast drei Mal schneller rechnet als das beste Silizium-Pendant.
Kinaret will verhindern, dass wieder einmal vor allem andere von einer großen europäischen Entdeckung profitieren. „Es wäre ein Schande, wenn wir diese Chance aus der Hand gäben.“