3D-Drucker Wie 3D-Drucker unsere Wirtschaft verändern

Schuhe, T-Shirts und Handys aus dem 3D-Drucker: Verbraucher stellen ihre Wunsch-Produkte künftig einfach vor Ort selbst her. Welche Wirtschaftsprozesse das infrage stellt, wo es Geschäftschancen gibt.

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Schuhe zu kaufen kann ziemlich nerven. Man rennt von Geschäft zu Geschäft und findet am Ende doch nur ein Paar, das drückt, schlappt – und nicht so cool aussieht wie gedacht. So gesehen haben es Kunden der US-Start-ups Feetz und 3D Shoes besser. Sie vermessen ihre Füße daheim mit ihrer Smartphone-Kamera-App und schicken die Daten an die Hersteller. Zudem wählen sie Design, Farbe, Material und Sohle aus. Wenige Tage später erreicht sie ein Päckchen, darin die Schuhe, maßangefertigt in einem 3D-Drucker. Und mit Preisen von umgerechnet 50 bis 180 Euro je nach Modell nicht mal teuer.

Die neue Technologie hinter dem Service kann noch viel mehr: Mittlerweile lässt sich mit ihr fast jeder denkbare Gegenstand Schicht für Schicht aus Pulvern, Fasern oder geschmolzenen Kunststoffen herstellen: Fahrradrahmen, Nudeln, Gitarren, Turbinenschaufeln, Häuser, ja sogar Blutgefäße. Fachleute sprechen von additiver Fertigung. Der 3D-Druck erreicht damit ein neues Stadium. Jeder kann die Technik nun nutzen.

Umsätze vom 3-D-Druck boomen

Dahinter steckt ein zweifacher Zeitensprung. Das Verfahren führt zurück in die vorindustrielle Epoche, als Handwerker jedes Produkt individuell herstellten. Und es katapultiert den Replikator aus der Zukunft ins Jetzt. Das Gerät produziert in der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ fast alles aus dem Nichts – von der Tasse Tee bis zum Ersatzteil.

Maßgeschneiderte Schuhe aus dem Drucker

Nicht nur Start-ups, auch etablierte Konzerne stellen sich auf die disruptive neue Produktionstechnik ein. Denn das Zusammenwachsen von Herstellung und Verkauf bricht Branchenstrukturen auf und erzwingt neue Geschäftsmodelle. Zum Beispiel werden die Sportartikelhersteller Adidas und Nike, so die Pläne, 3D-Drucker in ihren eigenen Läden installieren. An einem Touchscreen bauen sich dort die Kunden einen Laufschuh zusammen, wählen ihre Lieblingsfarbe für das Obermaterial, entscheiden sich für eine Sohle und Schnürsenkel in schrägem Grün. Zwei Stunden später können sie das gute Stück abholen.

Was sich da bei Schuhen quasi auf leisen Sohlen anschleicht, hat das Potenzial zum Big Bang. Wenn Unternehmen und Konsumenten sich künftig ihre Produkte vor Ort ausdrucken können, dreht das die Globalisierung zurück.

Auswahl von 3D-Druck-Verfahren

Noch wird es etliche Jahre ein Nebeneinander traditioneller Massenproduktion und additiver Einzelfertigung geben, bevor sich die neue Technik komplett durchsetzt. Doch der Trend wird schon bald etwa Chinas heutige Rolle als billige Werkbank der Welt infrage stellen. Da ist sich Richard D’Aveni sicher, renommierter Wirtschaftsprofessor an der Business School des Dartmouth College in den USA. „Viele Produktionen wandern dann wieder zurück vor Ort, ob Schuhe, Spielzeug oder Elektronik.“

Selbst der Kauf des Smartphones könnte ganz anders ablaufen. Die Kunden erwerben bei Apple, Samsung und Co. nur noch Rechenchips und Software – das Gehäuse samt Display gestalten sie selbst und drucken es im 3D-Laden um die Ecke aus. Die riesigen Fabriken des umstrittenen Apple-Zulieferers Foxconn wären dann größtenteils überflüssig.

3D-Drucker sind eine Entwicklung voller sozialer Sprengkraft

Genauso könnte Bangladeschs Position als Schneiderei der Welt in Gefahr geraten, die sich das Land mit miesen Löhnen und einsturzgefährdeten Fabriken erkauft hat. Jedenfalls wenn eine jüngste Erfindung aus San Francisco markttauglich wird. Dort ist den Gründern von Electroloom eine sensationelle Weiterentwicklung des mechanischen Webstuhls gelungen: Sie spritzen Baumwoll- und Polyesterfasern auf eine T-Shirt-Form aus Aluminium. Ein elektrisches Feld zieht die Fasern an. Die verkleben unter Wärmezufuhr – fertig ist das nahtlose Hemd.

Produzieren wir erst einmal unsere Kleidung selber – preiswert, die Entwürfe ganz der eigenen Fantasie überlassen –, verlieren Hunderttausende Näherinnen in dem Armenhaus Südasiens den Job. Das verdeutlicht die Sprengkraft der additiven Fertigung. Experten der Beratung McKinsey zählen den 3D-Druck daher zu den zwölf Technologien, die die Welt verändern werden.

Frische Zahlen der US-Analysten von Wohlers Associates bestätigen die Einschätzung. Die revolutionäre Drucktechnik verlässt das Experimentierstadium und wird zum boomenden Geschäft. Seit 2009 haben sich die Umsätze vervierfacht – auf mehr als vier Milliarden Dollar. Unternehmenschef Terry Wohlers ist sicher: „Der Durchbruch ist geschafft.“ Die Technologieexperten der Marktforschung IDTechEx sagen für 2025 Einnahmen von weltweit 20 Milliarden Dollar mit 3D-Druckern, dazugehöriger Software und dem Service voraus. Am stärksten zeigt sich der Umbruch im Konsumgüterbereich, wo 3D-Drucker den Wohlers-Zahlen zufolge nach dem Maschinenbau schon am zweithäufigsten eingesetzt werden. Auch Anwendungen in der Medizin legen stark zu.

Händler werden zu Fabrikanten

Allen voran den Händlern eröffnen sich neue Geschäftschancen. Sie können ihre Ware auf einmal im eigenen Laden herstellen: Optiker Brillengestelle, Juweliere Schmuck, Telefonläden Smartphonehüllen, Einrichtungshäuser Lampen oder Stühle und Tische. Auf der Möbelmesse Interzum in Köln waren solche Produkte Anfang Mai schon zu bestaunen.

3-D-Drucker Einsatzorte

Das New Yorker Start-up Normal hat in seinem Kopfhörer-Laden in Manhattan die eigene Fabrik schon integriert. Kunden vermessen per Handykamera ihre Ohrmuscheln und senden die Daten ins Geschäft. Oder sie fotografieren diese direkt dort. Ein 3-D-Drucker fertigt daraus passgenaue Ohrstöpsel. Lautsprecher und Elektronik setzen die Mitarbeiter per Hand ein; 48 Stunden nach der Bestellung können die Kunden ihre Kopfhörer abholen. Sie kosten nur 100 bis 200 Dollar statt der üblichen 2000 Dollar für vergleichbare Spitzengeräte. „Unsere Produkte kann sich jeder leisten“, schwärmt Gründerin Nikki Kaufman. „Und sie sitzen perfekt.“

Im Vergleich zu dem, was in den USA passiert, nehmen sich die Ansätze hierzulande bescheiden aus – zumindest bei Alltagsprodukten. Immerhin: Ein Selfie der besonderen Art bietet das Düsseldorfer Start-up Doob. Der Kunde lässt sich mithilfe eines speziellen Geräts rundum scannen. Nach zwei Wochen liefert die Firma eine lebensechte Figur nach Hause, ab zehn Zentimeter, bis lebensgroß. Ähnliche Angebote gibt es in vielen deutschen Großstädten.

Lebensrettende Druckverfahren

Dafür macht die revolutionäre Produktionstechnik beim Bau von High-Tech-Bauteilen im Land der Ingenieure große Fortschritte. Hier kann sie einen ihrer Vorzüge voll ausspielen: Anders als bei der traditionellen Fertigung wird etwa von einem Metallrohling nichts weggefräst und ausgebohrt. Vielmehr können die Konstrukteure die Bauteile Schicht für Schicht in fast jeder beliebigen Gestalt aufbauen und der Oberfläche nützliche Eigenschaften mitgeben. Siemens druckt so speziell geformte Brennerspitzen und Zerstäuberdüsen, die aus Kraftwerks-Gasturbinen noch mehr Leistung herausholen.

Ganz scharf sind Flugzeug- und Triebwerksbauer auf die platzsparenden Bauteile aus dem 3D-Drucker. Deren filigrane Konstruktion spart Gewicht und damit Sprit. Das summiert sich für die Airlines über 30 Jahre, so lange sind die Flieger mindestens im Dienst, zu gewaltigen Beträgen. Der Ende 2014 erstmals ausgelieferte Airbus 350 XWB hebt nach Angaben des Druckerherstellers Stratasys schon mit 1000 additiv produzierten Teilen ab.

So funktioniert 3D-Druck
Das Unternehmen Botspot hat unter der Leitung von Geschäftsführer Thomas Strenger ein ganz besonderes 3D-Konzept entwickelt. In seinem Berliner Laden können Menschen Miniatur-Figuren von sich nachdrucken lassen. Quelle: dpa
Dafür müssen sich die Kunden erst von allen Seiten in der gewünschten Pose mit speziellen Kameras abscannen lassen. Die 3D-Daten werden dann an einen Computer weitergegeben. Quelle: dpa
Am PC werden die Daten dann auf die Größe der gewünschten Figur umgerechnet. Wie auch ein Dokument an einen Drucker gesendet wird, lässt sich die digitale 3D-Karte des Körpers per Mausklick an den Printer schicken. Quelle: dpa
So sehen Modelle der 3D-Drucker aus, die die Figuren aus Gips produzieren. Jeder 3D-Drucker besteht aus einer Schiene, auf der sich der Druckkopf im Rhythmus des digitalen Fahrplans hin und her bewegt. Über den Kopf wird je nach Drucker das entsprechende Material aufgetragen. Quelle: dpa
Eine rote Schutzhülle sorgt bei Botspot dafür, dass keine äußeren Einflüsse auf den empfindlichen Gips einwirken, der vorsichtig Schicht für Schicht nach der Druckvorlage übereinander gelegt werden. Quelle: PR
Am Ende entsteht eine Gipsfigur, die nur noch etwas Farbe benötigt. Doch wie sieht der Druckvorgang unter der Schutzhülle genau aus? Quelle: PR
Gut ist das auf diesem Foto zu erkennen, das einen 3D-Drucker zeigt, der auf der Messe CeBIT in Hannover Plastik-Elemente gedruckt hat. Aus der kleinen rötlichen Spitze fließt das Material, das in hauchdünnen Schichten Stück für Stück aufgetragen wird. Dabei bewegt sich der Druckkopf langsam hin und her und gibt nach der Druckvorgabe vom PC das Material frei. Quelle: dpa

Auch in der Medizin beginnt sich die Technik des 3D-Drucks zu etablieren. Besonders hilfreich ist die Methode, um exakte, lebensechte Modelle von Organen vor sehr komplizierten Operationen herzustellen, damit die Mediziner besser planen können. Beispielsweise für die zweijährige Mina Khan, die mit einem ungewöhnlich kleinen und deformierten Herzen auf die Welt kam.

Anhand des 3-D-Modells, das der deutsche Kinderkardiologe Gerald Greil fertigte, konnten Chirurgen am St. Thomas’ Hospital in London das Herz des todkranken Kleinkinds Ende Januar erfolgreich operieren.

Serienreife dürfte der 3D-Druck zuerst bei maßgeschneiderten Implantaten erreichen. Bisher wählen etwa Orthopäden aus einem Katalog von Normgrößen einen – oft nicht gut sitzenden – Hüftgelenkskopf aus. In Zukunft lassen sie für ihre Patienten ein optimal passendes Implantat drucken.

Das niederländische Unternehmen Xilloc Medical hat sich auf solche Titan-Knochen-Implantate spezialisiert und druckt im 3D-Verfahren Unterkiefer oder Schädelknochen nach.

Was mit Metall und Plastik gut gelingt, versuchen Forscher weltweit auch mit Biomaterialien und sogar lebenden Zellen. Solch lebendes Gewebe direkt nachzudrucken ist bisher aber noch eine Kunst.

Mediziner hoffen auf Organe aus dem 3D-Drucker

Mit flächigen, eher zweidimensionalen Geweben wie Haut oder Knorpel klappt das schon gut. Biologische Strukturen mit Hohlräumen sind jedoch noch eine Herausforderung.

Das bisher einzige kommerziell verfügbare und patentierte Verfahren hat das kalifornische Unternehmen Organovo für Adern entwickelt. Der Gründer und Forscher Gabor Forgacs ordnet die Zellen dazu in Glasröhren an und schiebt sie Schicht für Schicht in einen speziell entwickelten Drucker. Der fügt zwischen jede Zellschicht eine stabile Gelschicht ein, damit die frisch gedruckte Ader nicht sofort wieder zusammenklappt.

Die ultimative Herausforderung für den Biodruck sind komplette Organe. Doch anders als bei den relativ simpel aufgebauten Adern müssen für Herzen, Lebern oder Lungen Dutzende Zellarten Lage für Lage an die richtige Stelle gebracht werden – eine Herkulesarbeit, an der Hunderte Forscher tüfteln. Wie wichtig ihre Arbeit ist, zeigt eine Zahl: Allein in Deutschland warten mehr als 10.000 schwerkranke Menschen auf ein Spenderorgan. Für sie könnte der 3D-Druck zum Lebensretter werden.

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