4 Autoren im Interview Was Schriftsteller von E-Books halten

Das digitale Buch eröffnet auch den Autoren neue Möglichkeiten. Wiwo.de hat vier Autoren befragt, wo sie die Vor- und Nachteile des Mediums sehen – und ob sie aufs gedruckte Buch verzichten könnten.

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Andreas Winterer ist als Hightech-Journalist, IT-Experte, Blogger und Schriftsteller tätig. Daneben gibt er das Online-Literaturmagazin

WirtschaftsWoche: Hat das klassische Buch auf Dauer noch eine Existenzberechtigung?
Andreas Winterer: Die Existenzberechtigung erteilt allein der Leser als Kunde. Die Frage lautet also: Wie lange wird es Menschen geben, die bereit sind, die höheren Preise für gedruckte Bücher zu bezahlen? Ich glaube: die wird es immer geben. Das gedruckte Buch hat Vorteile: Man kann es überall und ohne Hilfsmittel lesen. Es ist schwer raubzukopieren (gut für den Verlag), aber leicht wieder zu verkaufen (gut für den Leser).

Wenn es nur ein Medium gäbe, für welches würden Sie sich entscheiden, E-Book oder Buch?
Am Buch stört mich das Gewicht, am E-Reader die Abhängigkeit von Strom und Distributionsnetzen. Im letzten, zweiwöchigen Urlaub hatte ich trotzdem nur einen Reader dabei und habe Papier nicht vermisst.

Ist es schwierig, ein E-Book selbst zu produzieren?
Mit geeigneten Tools ist es nur unerheblich schwerer als das Erzeugen eines formatierten Textdokuments. Das mag sich in Zukunft ändern, denn gerade im Sachbuchbereich verlangen interaktive Werke nach komplexer Authoring-Software. Aufwendig ist derzeit, ein gutes E-Book zu produzieren, das auf allen Lesegeräten optimal aussieht und einfach navigierbar ist. Aufwendig ist auch, den Produktionsablauf effizient zu gestalten und mit Print zu verbinden.

Jeder Hobby-Autor kann heute ein Buch veröffentlichen. Führt das nicht zu einer Abwertung des Mediums Buch?
Wird das eine Buch schlechter, nur weil andere auch welche schreiben? Früher adelte der verlegerische Akt ausgesuchte Autoren (oder investierte in Absatzhoffnungen), zunehmend wird der Autor zum Verleger und investiert in sich selbst. Früher halft die prominente Platzierung im Verlagsprogramm dem Buchhandel, Bestellungen und Verkaufsflächen zu planen – immer öfter optimiert eine betriebswirtschaftliche Business Intelligence diesen Vorgang in Richtung Verkaufserfolg. Und das Feuilleton kann es die schiere Masse der Neuerscheinungen nüchtern betrachtet schwerlich sichten.
Der Begriff der „Abwertung“ beweint doch eigentlich nur den Wegfall all dieser Deutungshoheiten: Es ist (irgendwann) keine Instanz mehr da, die uns sagt, was es sich zu lesen, ergo zu kaufen lohnt. Nur die Bestsellerliste gibt noch Rat, und der ist so fragwürdig wie eh und je.

Letztlich hat schon Gutenberg dafür gesorgt, dass jeder sein eigenes Buch veröffentlichen kann: Das hat die Vielfalt bereichert, aber zwangsläufig einzelnen Titeln ihre Einmaligkeit genommen. Ähnlich hat später der Durchbruch des Taschenbuchs die Buchlandschaft demokratisiert und die Trivialliteratur gegenüber literarischen Werken aufgewertet. Jetzt haben wir E-Books, die jeder verbreiten kann, und es wird unübersichtlicher denn je.
Ich sehe genau das als notwendige literarische Aufklärung, dank der sich bald jeder seines Verstandes bedienen muss. Sie bringt neue Instanzen hervor, die bei der Orientierung helfen. Amazon hat sich mit gutem Grund das soziale Netz goodreads.com einverleibt, und lovelybooks.de oder neu flipintu.com zeigen, das auch hierzulande nicht jeder schläft. Eine Plattform wie lovelybooks.de bringt dabei aktive Leser und aktive Autoren zusammen, statt sie zu trennen.

Bekommt Amazon zu viel Macht?

Verlage und Buchhändler fürchten, dass Amazon mit seinem Kindle zu viel Macht über den Buchmarkt bekommt.

Amazons Kindle hat sich seinen Erfolg verdient. Einfach weil es einwandfrei funktioniert. Erst wenn sich der Kunde aus der warmen Umarmung lösen will, sieht er das Problem (proprietäres Format; Quasi-Monopol samt damit einhergehendem Verhalten; verlagsabhängig: DRM-Knebel). Aber eben erst dann. Und welcher Kunde will schon von Amazon weg?

Wo ist denn der Konkurrent mit besserer Infrastruktur, zu dem ich als Leser (oder als Autor) gerne wechseln möchte, statt nur aus Trotz? Wenn der käme, würden viele wechseln, denn die Leser interessieren sich für Bücher, nicht für Machtverhältnisse im Buchmarkt. Doch Amazon hat immer wieder neue Ideen, kommerzialisiert Fan-Fiction, holt Comic-Zeichner ins Boot, bietet einen Reader für 50 Euro an. Als Autor wäre ich dumm, würde ich Amazon als Verkaufskanal auslassen; ich kann kaum mehr tun als im Web auf alternative Händler hinzuweisen.

Verändern E-Books das Leseverhalten?
Ich glaube, es ist zu früh für eine fundierte Antwort. E-Books beeinflussen aber sicher das Schreibverhalten: Weil praktisch keine Produktionsmittel außer Zeit, Verstand und Notebook nötig sind, können technisch halbwegs affine Autoren und Autorinnen mit neuen Ideen experimentieren.E-Books verändern aber auch, wie Autoren ihre Verlage erleben. Die vielen Schriftsteller, die über kleine oder mittelgroße Verlage nicht die großen Verkaufstische des Filialhandels erreichen, befinden sich ja in einer Nische. In dieser sehen sie ihre Verlage nicht nur als Mittler, sondern auch als Hindernis zwischen sich und dem Leser.
Wer je Instrumente des Self-Publishing ausprobiert hat, muss Verlage ganz zwangsläufig als teure und behäbige Dienstleister wahrnehmen. Wenn heute der Mond verschwindet und ich schreibe ein Buch darüber, kann es morgen früh verfügbar sein. Bei Verlagen würden Wochen vergehen, ehe man mir überhaupt die Idee abnimmt; bis zum Druck vergehen weitere Monate. Und dazwischen würden so viele Personen mitreden, dass es am Ende ein Buch über die Sonne wäre.
Ich finde, E-Books verdeutlichen mehr denn je, dass Bücher zu schreiben auch ein Glückspiel ist. Wie beim Lotto machen viele mit, doch die meisten zahlen bloß ein, nur ganz wenige gehen als Gewinner daraus hervor. Die einzigen, die immer ihren Schnitt machen, sind die Dienstleister drum herum. Das Casino, das sind bei Print die Verlage, jetzt kommen eben Digitaldistributoren verschiedenster Couleur hinzu. Die Lotterie ist dieselbe.

Die "Haptik" von Büchern wird oft als Argument gegen E-Books angeführt.
Ob Buchliebhaber wirklich das neue Dan-Brown-Taschenbuch beschnuppern und den Geruch von Leder und Leim suchen? Ich bezweifle es. Es will sich nur niemand umgewöhnen. Außerdem gewinnen die meisten Menschen ihren ersten Eindruck von E-Books am PC oder Tablet. Die viel besseren E-Ink-Reader, obwohl günstig und leicht, sind noch nicht die Regel.
Als reale Objekte sind Bücher einfach schöner als Dateien. Auch entwickeln drei E-Reader im leeren Regalfach nicht ganz die intellektuelle Wucht eines Regalmeters schlauer Schinken – auch das ist ja Haptik. Man wird einen Zwischenweg gehen: Den „Faust“ stellt man sich ins Regal, obwohl es den bei Gutenberg kostenlos gibt. Die Schweden-Krimis zieht man sich auf den Reader – das Zeug würde eh nur die Regale verstopfen.
Dieser Aufteilung folgend sollte man sich keinen digitalen Illusionen hingeben: Verlage und Buchhandel sind wichtig, denn gegenüber dem Leser zeichnet man sich nach wie vor schon dadurch aus, dass man verlegt wird und beim stationären Buchhändler zu kaufen ist. Bis auf weiteres werden daher E-Books Bücher zweiter Klasse sein, selbst dann, wenn sie inhaltlich mehr bieten als das gedruckte Buch. Doch die Zahl der Leser und Autoren, die sich daran stören, wird gewiss sinken.
Mehr Informationen zu Andreas Winterer finden Sie hier.

Der Reisejournalist sagt: "E-Books verändern das Schreibverhalten"

Franz Neumeier hat eigentlich zwei Traumberufe. Er schreibt als Journalist und Autor über Kreuzfahrten und ist deshalb die meiste Zeit des Jahres auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Seine Berichte und Reportagen veröffentlicht er auf der Webseite Cruisetricks.de . Sein Know-how hat er inzwischen in ein Buch verpackt, den

WirtschaftsWoche: Hat das klassische Buch auf Dauer noch eine Existenzberechtigung?

Franz Neumeier: E-Books sind etwas Flüchtiges, gut für einen Roman, der als gedrucktes Buch nach dem Lesen ohnehin nur in irgendeiner Ecke verstauben würde. Bücher, die man immer wieder anschaut, will man doch ins Regal stellen – schon um ich daran zu erinnern, dass man sie hat.
Ein ganz handfester Vorteil von gedruckten Büchern ist das schnelle Blättern. Wer schon mal auf einem E-Book-Reader mit Knopfdruck oder Fingerwischen in einem 400-Seiten-Buch eine bestimmte Information gesucht hat („da war doch was, wie war das noch gleich genau?“), der weiß wie schnell man durch ein gedrucktes Buch blättern kann und wie Nerv tötend das im E-Book-Reader ist. Die Suchfunktion hilft mir da ja nur weiter, wenn ich schon weiß, was ich genau suche.
Aber vielleicht ist das auch eine Generationenfrage, vielleicht gibt es bei einer künftigen Generation kein Bedürfnis mehr danach, etwas physisch zu besitzen und in der Hand zu halten. Ich glaube zwar, dass das ein menschliches Grundbedürfnis ist, aber wer weiß. Bei Schallplatten und CDs dachten wird das auch einmal.

Wenn es nur ein Medium gäbe, für welches würden Sie dich entscheiden, E-Book oder Buch?
Für mich persönlich: E-Book. Ich lese viel unterwegs, im Flugzeug und in der Bahn, da habe ich keinen Platz für gedruckte Bücher, ganz zu schweigen von den restriktiven Gewichtsbeschränkungen der Fluggesellschaften.

Ist es schwierig, ein E-Book selbst zu produzieren?
Nein, überhaupt nicht. Software zur Textverarbeitung und ein E-Book-Editor reichen dafür völlig aus – beides gibt’s als Open Source sogar kostenlos. Lediglich in die technischen Anforderungen sollte man sich ein wenig einlesen, damit das E-Book möglichst mit allen Readern kompatibel ist. Der schwierige Teil beim Publizieren eines Buches liegt bei Print wie beim E-Book vor der Herstellung: Man muss kreativ sein, schreiben können, eine gutes Thema finden. Daran ändert auch das E-Book nichts.

Jeder kann heute ein Buch veröffentlichen. Führt das nicht zu einer Abwertung des Mediums Buch?
Ich bin sogar davon überzeugt, dass es zu einer Aufwertung führt. Es gibt mehr Vielfalt. Und auch wenn das eine Flut von wirklich schlechten Büchern zur Folge hat, sehe ich das positiv, denn es entscheiden nicht mehr einzelne Verlage darüber, was die Leser zu wollen haben und was nicht. Qualität wird sich immer behaupten. Kreative, ungewöhnliche oder auch einfach nur in der bisherigen Systematik chancenlose Bücher haben mehr Möglichkeiten, durch die Leser entdeckt zu werden. Thematische Nischen haben viel bessere Chancen, publiziert zu werden und haben zumindest eine gewisse Chance, ihre Leser zu finden, weil auch das Marketing über Facebook & Co viel einfacher geworden ist als beim klassischen Buchvertrieb über den Buchhandel. Ich glaube aber auch, dass die – auch qualitative – Vielfalt dazu führen wird, dass die Leser kritischer werden und selbst beurteilen, was gut ist und was nicht, statt sich das wie früher von Verlagen vorschreiben zu lassen.

"Ich lese viel öfter"

Die besten E-Book-Anbieter im Überblick
E-InkPanels mit der Pearl-Technik von E-Ink kommen bei vielen E-Book-Readern zum Einsatz. Die Displays mit 16 Graustufen verbinden sehr gute Lesbarkeit mit niedrigem Energieverbrauch. Quelle: Presse
HugendubelDie Buchhandelskette Hugendubel beteiligt sich auch am E-Book-Reader-Projekt Tolino und bietet auf ihrer Website mehr als 500.000 Bücher als E-Book an. Quelle: dpa
ThaliaDie Buchhandelskette Thalia hat auch den Tolino Shine im Angebot. Thalia hat ein umfangreiches Sortiment an Belletristik und Fachbüchern. Aber auch Literatur-Klassiker wie Brecht, Dante oder Goethe gibt es als E-Book. Quelle: dpa
ReadboxDas Unternehmen Readbox hat sich auf "Lösungen für die Herstellung, Auslieferung und Vermarktung von E-Books" spezialisiert. So gibt es beispielsweise eine "Comic Creator", eine Software, mit der Comics für das Lesegerät aufbereitet werden können. Allerdings ist dazu eine Erweiterung des EPUB-Standards nötig. Das Angebot zielt in erster Linie auf Amazons Kindle und Apples iPad. Auf der Frankfurter Buchmesse zeigt Readbox die E-Book-Verlagssoftware "meine.readbox.net". Quelle: dpa
Feedbooks Feedbooks gehört zu den Anbietern, die man ansteuert, wenn man ein Lesegerät mit dem gängigen EPUB-Format nutzt. Sitz des Anbieters ist in Frankreich. Quelle: Presse
Project Gutenberg Das Project Gutenberg hat nach eigenen Angaben etwa 42.000 Titel als E-Book im Angebot. Alle Werke, zumeist Klassiker der Weltliteratur sind kostenlos. Neben dem EPUB-Format wird bei vielen Titeln auch Amazons Kindle-Format unterstützt. Quelle: Presse
IDPFDas International Digital Publishing Forum ist zuständig für die Pflege und Weiterentwicklung des E-Book-Standards EPUB. Quelle: Presse

Verlage und Buchhändler fürchten, dass Amazon mit seinem Kindle zu viel Macht über den Buchmarkt bekommt.
Ich glaube, da muss man differenzieren. Dominiert Amazon dem Markt an E-Book-Readern? Vielleicht. Aber der Reader ist ja nur das inhaltsleere Medium. Was die Leser auf ihren E-Book-Readern lesen, bestimmen sie heute durch die größere Vielfalt an Inhalten – von hochwertiger Literatur bis zu Schulaufsatz ähnlichen Werken – viel mehr als früher selbst.
Was Verlage und Buchhändler zu Recht befürchten ist, dass sie selbst keine große Rolle mehr spielen werden. Aber das haben vor allem die Verlage selbst zu verantworten, weil sie es nicht schaffen, Autoren in einer drastisch veränderten Welt jene Art von Dienstleistungen zu bieten, die Autoren in einer digitalisierten Welt bräuchten – aber von den meisten Verlagen nicht bekommen.
Wozu soll ich als Autor mit meinem Buch zu einem Verlag gehen, wenn ich dabei den größten Teil meiner Flexibilität bei den Nutzungsrechten verliere, sich die Veröffentlichung über viele Monate hinzieht und der Verlag dann auch noch den größten Teil der Profite einbehält, ohne eine in heutiger Zeit noch wirklich relevante und wertvolle Gegenleistung dafür zu erbringen? Es gibt Ausnahmen und gute Ansätze – und das werden meiner Überzeugung nach die Verlage sein, die auch in Zukunft erfolgreich sein werden.

Verändern E-Books das Leseverhalten?
Wenn ich mich selbst beobachte: Ja, ich lese viel öfter, weil ich meinen Kindle Paperwhite bequem überall hin mitnehmen kann. In der U-Bahn, im Wartezimmer beim Arzt, wenn sich jemand zu einem Termin verspätet – da hatte ich früher nie ein gedrucktes Buch dabei. Insofern wird Lesen zum Teil auch eine Zwischendurch-Beschäftigung, während man sich früher zum Lesen eher für längere Zeit aufs Sofa zurückgezogen hat.
Ich glaube aber, E-Books werden mittelfristig vor allem das Schreibverhalten der Autoren verändern. E-Books liefern eine Menge Informationen über das Leseverhalten zurück – Amazon weiß ganz sicher schon eine Menge darüber, wie viel Text Menschen an einem Stück lesen, an welchen Stellen sie möglicherweise ganz aufhören, ein Buch zu lesen, sogar wie schnell Menschen bestimmte Bücher lesen und an welchen Orten ihre Bücher sie lesen. Noch wird das meines Wissens kaum genutzt, aber mit diesen Daten können (und werden) Autoren natürlich ganz anders schreiben, wenn es darum geht, Bestseller zu produzieren. Und ich verwende bewusst das Wort „produzieren“, denn mit der klassischen Kunstform „Literatur“ hat das dann nur noch weniger zu tun, sondern ähnelt eher den wie am Fließband produzierten TV-Serien à la Jerry Bruckheimer.

Die "Haptik" von Büchern wird oft als Argument gegen E-Books angeführt.
So hart es klingt und so ungern ich das als Fan von bedrucktem Papier sage: Ich glaube, das ist reine Gewohnheitssache. Das Argument dürfte in jüngeren Generationen nicht mehr auftauchen. Und ganz ehrlich: Die Haptik meines Kindle mit seiner soliden Leder-Schutzhülle ist auf jeden Fall angenehmer und edler als die Haptik eines Taschenbuchs.
Ich will die nach vergilbtem Papier, Leim, Leder oder Leinen duftenden Hardcover-Bücher meiner nicht gerade kleinen Sammlung an Büchern zum Thema Schaufelraddampfer nicht missen. Aber oft wünsche ich mir, dass die darin enthaltenen Informationen leichter – sprich: elektronisch – zugänglich wären, Haptik hin oder her. Vor allem für Sachbücher wäre Beides schön: gedruckte Bücher fürs Regal, zum Anfassen und Schnuppern und elektronische Versionen fürs schnell Suchen und Auswerten der enthaltenen Informationen.


Weitere Informationen zum Autor finden Sie unter Cruisetricks.de

Der Thriller-Autor sagt: "Buchhändler müssen Perlentaucher sein"

Der Schriftsteller Jenk Saborowski gehört zur Garde der jungen Schriftsteller, die auch jenseits des Feuilletons erfolgreiche Bücher schreiben. Seine Thriller aus der

WirtschaftsWoche: Hat das klassische Buch auf Dauer noch eine Existenzberechtigung?
Jenk Saborowski: Ich glaube, dass es das gedruckte Buch noch sehr lange geben wird, und zwar einfach, weil es Menschen gibt, die dem elektronisch dominierten Alltag auch einmal entfliehen wollen, die etwas einmal nicht auf dem Bildschirm lesen wollen. Ich werte das nicht, ich bin als 77er mit den neuen Technologien aufgewachsen, aber ich lese tatsächlich zur Entspannung auf Papier - meine Wochenzeitung wie Romane.

Wie wichtig sind für Sie die Einnahmen durch E-Books verglichen mit den Einnahmen durch konventionelle Bücher?
Mein Debüt war ein Überraschungsbestseller und im Kindle-Store wochenlang auf Platz 1. Mittlerweile hat sich das aber auch bei mir weitestgehend "normalisiert" und die E-Book-Verkaufszahlen bewegen sich in dem branchenüblichen Prozentbereich, der wichtig ist und immer wichtiger wird - seine Familie ernähren könnte man ohne die gedruckten Bücher aber noch nicht.

Wenn es nur ein Medium gäbe, für welches würden Sie sich entscheiden, E-Book oder Buch?
Eine fiese Fangfrage. Genauso könnten Sie fragen, ob ich lieber auf die Audiobücher verzichten würde, die es von allen meinen Büchern ebenso gibt wie Print und E-Book oder auf das begleitende Computerspiel (free-to-play: operationxgame.com). Ich schreibe Geschichten, keine Bücher oder E-Books. Die Geschichten könnte ich Ihnen auch xeroxen, wenn`s noch sein müsste.

Ist es schwierig, ein E-Book selbst zu produzieren?
Technisch ganz und gar nicht und wenn Sie an Ihre Grenzen stoßen, gibt es eine ganze Reihe kompetenter Dienstleister. Wenn Sie allerdings darüber reden, eine gute Geschichte zu produzieren und dann zu vermarkten, als E-Book oder sonst wie, dann ist das sehr viel Arbeit, die in guter Tradition zwischen Autor und einem Verlag geteilt wird.

Jeder kann heute ein Buch veröffentlichen. Führt das nicht zu einer Abwertung des Mediums Buch?
Sie nennen es selbst: verbreiten kann. Was war der letzte Film, den Sie gekauft haben und der Sie gut unterhalten hat? Wirklich der Kätzchenschnipsel auf Facebook? Oder haben Sie doch bei "Game of Thrones" oder "Breaking Bad" zugeschlagen? Es geht doch nicht um die technische Realisierbarkeit sondern um - entschuldigen Sie die Gebetsmühle - die Geschichten, die wir erzählen. Zu einer Abwertung guter Geschichten wird weder die Digitalkamera noch das E-Book führen. Und wenn es Kollegen gibt, die ihre tollen Geschichten selbst erzählen und verbreiten? Um so besser für uns alle!

Verlage und Buchhändler fürchten, dass Amazon mit seinem Kindle zu viel Macht über den Buchmarkt bekommt.
Natürlich wird die Marktdominanz von Amazon kritisch beäugt, das ist auch an uns Autoren nicht vorbeigegangen. Die cleveren Algorithmen von Amazon führen dazu, dass vielversprechende Neuerscheinungen zuverlässiger entdeckt werden als im stationären Handel, dazu kommt eine allumfassende Backlist. Während hier über Big Data geredet wird, nutzt Amazon längst gigantische, fein ziselierte Datensätze. Aber natürlich verbietet sich ein Vergleich zwischen den IT-Budgets eines börsennotierten, weltweit agierenden Handelsunternehmens und dem deutschen Buchhandel von selbst. Sie können Amazon weder im Long-Tail (Sortimentsbreite) noch bei den Kosten schlagen. Glücklicherweise haben wir die Buchpreisbindung, die es verhindert, Marktanteile per Rabattschlacht zu kaufen. Buchhändler müssen wieder Perlentaucher sein und ihre Vorteile cleverer ausspielen. Ich persönlich kaufe alle meine Bücher bei einer kleinen Buchhandlung in meinem Stadtviertel. Sie macht das - ganz ohne IT - einfach schon sehr lange sehr, sehr gut.

Verändern E-Books das Leseverhalten?
Das weiß ich nicht, obwohl sich - empirisch natürlich überhaupt nicht valide - die Leserschaft leicht zu unterscheiden scheint. Ich denke, wir Autoren werden uns noch stärker um die Aufmerksamkeit unserer E-Book-Leser bemühen müssen, es gibt ja kein nicht-ausgelesenes Buch, das mahnt auf dem Badewannenrand. Es mag auch sein, dass wir in Zukunft eine Renaissance von Texten erleben werden, die länger sind als eine Kurzgeschichte, aber deutlich kürzer als ein Roman, einfach, weil sie sich perfekt für das Medium eignen.

Die "Haptik" von Büchern wird oft als Argument gegen E-Books angeführt.
Ähnlich wie die Schallplatte wird es eine Gruppe Fans geben, die sich vom Geruch, dem schönen Papier angezogen fühlen. Aber die Zeiten ändern sich, natürlich werden Romane, deren primäres Ziel Unterhaltung ist, vermehrt elektronisch gelesen werden. Die Haptik steht für mich aber eher an dritter Stelle nach dem Wunsch, einmal kein elektronisches Gerät in der Hand zu halten und dem Platz im Regal, den ich Geschichten, die mich beeinflusst haben, gerne einräumen möchte, um mich an sie zu erinnern oder darin zu blättern.


Mehr Infos zu Saborowski gibt es auf seiner Website.

Der Web-2.0-Guru: "Digitalisierung ist auch eine Demokratisierung"

Ossi Urchs gehört als IT-Berater, Internet-Guru und Social-Media-Experte zu den Stimmen, die gehört werden, wenn es um die Digitale Gesellschaft geht. Gerade hat er gemeinsam mit Co-Autor Tim Cole das Buch

WirtschaftsWoche: Hat das klassische Buch auf Dauer noch eine Existenzberechtigung?
Ossi Urchs: Natürlich hat es die, allein schon wenn mal der Strom ausfallen sollte. Aber Scherz beiseite: Ich glaube wir müssen uns alle mit einander von der allzu simplen, materialistischen Vorstellung verabschieden, dass ein Buch durch seine Trägermedien definiert wird. Ob schriftlich codiertes Wissen auf Papier mittels Druckerschwärze oder durch die Pixel eines Bildschirms übermittelt wird, ist weit weniger entscheidend als der Inhalt, Erfahrungen und Informationen, mit denen wir uns auseinandersetzen können oder sogar müssen.

Wenn es nur ein Medium gäbe, für welches würden Sie sich entscheiden, E-Book oder Buch?
Für mich persönlich ist das alles andere als eine Glaubensfrage. Eher eine Frage der Verfügbarkeit und der Bequemlichkeit. Ich lese Texte digital codiert ebenso gern wie analog. Ich kann mich allerdings an einem schön und kunstvoll gemachten Druckwerk erfreuen. Da haben wir digital leider kaum entsprechendes zu Stande gebracht.

Ist es schwierig, ein E-Book selbst zu produzieren?
Einen Text und auch die dazu gehörenden Illustrationen und Abbildungen digital zu codieren ist heute für jeden einigermaßen digital gebildeten Menschen ein Kinderspiel. Die entsprechende Software steht auf allen Betriebssystemen zur Verfügung. Von dort aus lässt sich das Produkt auf andere Plattformen, stationäre wie mobile, exportieren. Wie in allen anderen medialen Bereichen bedeutet Digitalisierung auch immer eine Demokratisierung der Medien-Produktion. Man braucht dazu heute kaum noch Fachwissen, jeder einigermaßen engagierte und gebildete Nutzer kann das heute - abgesehen von den eben erwähnten Spitzenleistungen, versteht sich.

Jeder kann ein Buch veröffentlichen. Führt das nicht zu einer Abwertung des Mediums Buch?
Wie gesagt: Das gilt meines Erachtens für alle Medien. Ich kann darin keine Abwertung der Medien erkennen. Im Gegenteil: Sie werden immer universaler nutzbar, weil sie immer leichter und müheloser für jeden, noch so abseitigen, Nutzungsfall zur Verfügung stehen oder gestellt werden können. Demokratisierung hat Politik und Gesellschaft nicht geschadet. Warum sollte das bei den Medien anders sein?
Verlage und Buchhändler fürchten, dass Amazon mit seinem Kindle zu viel Macht über den Buchmarkt bekommt.
Die Tendenz zur Monopolisierung ist gesellschaftlich, nicht technologisch begründet. Allerdings lässt sie sich in digitalen und vernetzten "Umgebungen" sehr viel leichter durchsetzen und realisieren als in den herkömmlichen, analogen. Diese verlegerische und vertriebliche Macht gilt es zu kontrollieren. Ich glaube nicht, dass "die Märkte" das allein wirklich tun. Dazu braucht es, nicht viele, aber wirksame Regeln und Strukturen. Aber ich kann nicht sehen, dass die Macht von Amazon in irgend einer Weise "gefährlicher" sein soll als die eines marktbeherrschenden Medienunternehmens.

Verändern E-Books das Leseverhalten?
Von mir selbst ausgehend, denke ich das schon. Digitale Medien(-Inhalte) stehen immer sofort und unmittelbar zur Verfügung. "Lesezeichen" und Kommentarfunktionen sind integraler Bestandteil des digitalen "Toolsets", normalerweise in der Software enthalten. Das fördert die digitale "Häppchenkultur", das bedeutet Lesen und jede andere Aneignung von medialen Inhalten wird immer mehr von einer seriellen und linearen zu einer interaktiven und hypermedialen Tätigkeit.

Die "Haptik" von Büchern wird oft als Argument gegen E-Books angeführt. Was ist von diesem Argument zu halten?

Nun ja: Die Haptik beeinflusst das mediale Verhalten ganz bestimmt, aber nicht nur einfach positiv oder negativ. Sondern das kommt vielmehr auf die Art der Produktion an: Während eine billig hergestelltes Taschenbuch sich unangenehm anfasst und schwarze Flecken auf meinen Fingern hinterlässt, fasse ich selbst ein hochwertig produziertes Buch sehr gern und immer wieder an. Aber natürlich sind Print und auch Digital vor allem optische und visuelle Medien, bei denen es darauf ankommt sie gern und im Idealfall immer wieder anzuschauen. So gibt es Bücher, die ich gern immer wieder zur Hand nehme, nicht um etwas nachzuschlagen oder etwas Neues zu erfahren, sondern einfach wegen des visuellen Genusses.

Mehr Informationen zu Ossi Urchs finden Sie auf seiner Website.

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