Billig-Elektronik Ramsch-Geräte sind tickende Zeitbomben

Ramsch-Stecker mit Brandgefahr, Lampen, die den Radioempfang stören... Mit dem Aufblühen des Online-Handels kommen mehr und mehr ungeprüfte Elektro-Geräte auf den deutschen Markt. Manchmal hilft nur noch eins: zerstören.

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Beschlagnahmtes Ramsch-Elektrogerät: Der Griff der Haar-Bürste kann über 120 Grad heiß werden. Quelle: dpa

Der Einbaustrahler aus einem Kölner China-Markt kostet nur 2,50 Euro - ein Zehntel des Preises für eine Markenlampe. Dafür könnte das Billig-Netzteil in der Lampe Störfrequenzen erzeugen, warnt Kontrolleur Uwe Saalmann von der Bundesnetzagentur. Die Wärme staut sich im Plastik des Ramschprodukts - Brandgefahr. Eine verständliche Gebrauchsanweisung und die vorgeschriebene CE-Hersteller-Kennzeichnung fehlen sowieso. Die Marktüberwachung der Bundesnetzagentur zog die Lampe aus dem Verkehr.

Lampen und Funkkopfhörer, Drohnen, Steckdosenleisten, Handfunkgeräte und sogenannte FM-Transmitter, die Musik vom Smartphone zum Radio übertragen: Störanfällige Billig-Elektroprodukte - oft, aber nicht immer aus China - überschwemmen seit Jahren zunehmend den Markt. Das hängt auch damit zusammen, dass immer mehr Kunden im Internet einkaufen, wobei Lieferungen schwer zu kontrollieren sind. Die Bonner Bundesnetzagentur, die über einen störungsfreien Funk- und Radiobetrieb wacht, der Zoll und die regionalen Aufsichtsbehörden führen angesichts der Importschwemme einen schwierigen Kampf.

„Der Vertrieb übers Netz drückt immer mehr rein“, sagt ein Behördensprecher. „Das ist wie Don Quichotte - in manche Läden können Sie jede Woche wieder gehen“, sagt Saalmann, der von Dortmund aus in fast ganz Nordrhein-Westfalen kontrolliert. Bei der Bundesnetzagentur überwachen bereits mehr als 400 Mitarbeiter an 20 Standorten den Markt und beheben Funkstörungen. „Angesichts der wachsenden Flut unsicherer Produkte werden wir unsere Arbeit vor allem im Online-Handel weiter intensivieren“, sagt Behördenchef Jochen Homann.

Die dreistesten Fälschungen des Jahres
Plagiarius Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
flexi Hundeleine Quelle: PR
Er belegt den 2. Platz beim Plagiarius - und das Original heißt treffenderweise "Silver". Die schlechtere Platzierung als die Hundeleine verdankt die Kopie (rechts) des Modells der Interstuhl Büromöbel GmbH aus Meßstetten-Tieringen wohl einigen Schlampereien im Nachbau - oder dem schlichten Unvermögen, es technisch so hinzubekommen wie das Original. Die Rollen - andersfarbig. Der Korpus - dunkleres Silber. Der Mechanismus an der Sitzfläche lieblos - so zerstört er das elegante Erscheinungsbild des Originals. Quelle: PR
Jeweils links im Bild - die Modelle Axor Starck V und Metris Classic aus dem Hause Hansgrohe in Schiltach. Jeweils rechts die schamlos abgekupferten Werke aus Produktionsstätten in Zhejiang. Die Kopien sind den Juroren des 1977 initiierten Wettbewerbs eine Auszeichnung wert - auf Augenhöhe mit den folgenden Produkten... Quelle: PR
"Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig". Diese frappierende Ähnlichkeit zweier Thermoskannen eher nicht. Der Nachahmer der Isolierkanne „Ciento“ von Helios vertreibt diese zusätzlich noch unter dem Namen einer dritten Firma - der Schweizer Marke „Zepter“ der Firma Zepter International - er kombiniert also das Design einer renommierten Firma mit der Marke einer anderen bekannten Firma. Zudem besteht keine Verbindung zwischen „Zepter“ und „Prima Germany“. Wer sich hinter „Prima Germany“ verbirgt, ist den Initiatoren des Plagiarius unbekannt. Quelle: PR
Da war gerade nicht die richtige Farbmischung zur Hand oder das Foto, von dem die Tasche nachgestellt wurde, ein wenig farbstichig. Das rechte Pärchen aus chinesischen Werkstätten und vertrieben über Indonesien ist im unmittelbaren Vergleich rasch als Kopie zu erkennen und einfach plumper. "Hat sich stets bemüht", möchte man den Kopierern noch als Zeugnis zusätzlich zum Goldzwerg mit auf den Weg geben. Quelle: PR
Wer hat's erfunden? Nicht die Schweizer. Die haben die Jacke "Mascot Safe Image" in diesem Falle nachempfunden. Das linke Original des Herstellers Mascot aus Dänemark ist dafür eine Spur eleganter als das Produkt der rukka AG aus Tübach in der Schweiz. Quelle: PR

Die Aufsichtsbehörde stellt von diesem Dienstag an in einer Wanderausstellung besonders gefährliche Geräte aus, die in manchen Fällen wie Zeitbomben im Wohn- oder Schlafzimmer wirken: Ein Film in der Ausstellung zeigt, wie eine Funksteckdose aus Billigmaterial im Versuchslabor unter Stromlast erst Funken schlägt und dann Feuer fängt. Der Brand wäre unter realen Bedingungen wohl lebensgefährlich.

Eine dänische Design-Glühbirne - zu Tausenden am deutschen Markt vertrieben - stört so stark den Radioempfang, dass man in der Ausstellung ein direkt daneben stehendes Radio kaum noch verstehen kann. In der Realität hatte sich sogar der Nachbar des Lampenbesitzers aus Augsburg an die Störstelle gewandt, weil aus seinem Gerät nur noch Rauschen kam. Ersatzlos vom Markt genommen wurde auch eine Haar-Glättbürste aus den Niederlanden - sie brachte nicht nur allzu lockiges Haar auf Temperatur und dann in Form, sondern produzierte mangels ausreichender Abschirmung auch am Griff noch 121,5 Grad Celsius.

Verbotene Handy-Blocker

Die Zahl der aus dem Verkehr gezogenen Produkte hat sich in kurzer Zeit mehr als verdoppelt: Von 530.000 Geräten 2014 wuchs sie nach neuesten Zahlen der Netzagentur im vergangenen Jahr auf rund 1,25 Millionen. Rund 840.000 Euro mussten 2016 als Kostenerstattung an die Bundesnetzagentur gezahlt werden.

Der Elektro-Branchenverband ZVEI fordert noch mehr Engagement von den Kontrolleuren: „Die Behörden müssen konsequenter gegen solche Machenschaften vorgehen. Seit vielen Jahren fordern wir, die staatliche Marküberwachung zu stärken“, sagt Haimo Huhle, beim Verband zuständig für Produktsicherheit.

Unter den verbotenen Produkten sind auch sogenannte Spionage-Artikel - zum Beispiel die sprechende und vermeintlich harmlose Puppe „Cayla“ - laut Werbung „fast wie eine richtige Freundin“, die über eine britische Spielzeugfirma in Deutschland angeboten wurde. Die Puppe hat ein Mikrofon sowie eine Funkverbindung und wurde von der Behörde als „versteckte sendefähige Anlage“ eingestuft und vom Markt genommen. Denn schließlich kann die Puppe Gespräche im Kinderzimmer aufzeichnen; obendrein ließ sich die Funkverbindung leicht knacken, so dass Externe mithören konnten.

In der Ausstellung sind neben verbotenen Knopfloch-Kameras zum heimlichen Filmen auch illegale Handy-Störsender (Jammer) zu sehen - getarnt etwa als Zigarettenschachtel. Solche Handyblocker sind streng verboten, weil sie den Mobilfunkverkehr im Umkreis des Nutzers ausschalten. Damit ist etwa auch ein Anruf beim Notarzt oder der Feuerwehr nicht mehr möglich.

Es drohen fünfstellige Bußgelder - im Internet gibt es die Geräte dennoch für teils unter 100 Euro zu kaufen. Werbetexte in gebrochenem Deutsch („Herzlich Willkommen in der Jammer-Shop! Können Sie wählen Störsender (Jammer)“) legen nahe, dass die Anbieter aus dem Ausland stammen.

Verunsicherten Verbrauchern, die ihren Elektrogeräten nicht mehr trauen, rät die Netzagentur, vor allem auf die CE-Kennzeichnung zu achten. Sie enthält zwar auch nur eine Selbsterklärung des Unternehmens, EU-weite Normen zu erfüllen - bei falschen Angaben haftet die Firma aber dafür. In Sonderfällen wie der Puppe „Cayla“ greift die Bonner Behörde dagegen zu härteren Mitteln: Hier riet sie den Verbrauchern Mitte Februar dieses Jahres schlicht und einfach, die Puppe zu zerstören.

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