Noch zehn Prozent Akkuladung. Und das mitten in der brandenburgischen Provinz. Ich habe mehrere Termine wahrgenommen, zwischendrin immer mal wieder Nachrichten gelesen, einige Mails geschrieben und ein paar Telefonate erledigt. Um 15 Uhr versagt dann der Akku. Das Problem: Um 16 Uhr muss ich einen Artikel via Smartphone an meine Redaktion schicken – eine Steckdose oder W-Lan für meinen Laptop gibt es weit und breit nicht. Genau das ist mir vor einigen Wochen passiert. Meinen Artikel konnte ich dennoch abschicken. Ich hatte vorgesorgt und einen Ersatzakku mitgenommen.
Wer sein Smartphone als Arbeitsgerät nutzt, kennt das Problem. Bei intensiver Nutzung geht es oft schon nachmittags aus.
BlackBerry hat mit dem „Passport“ nun ein neues Smartphone vorgestellt, womit sich dieses Problem erledigt. Der ausdauernde Akku hat eine Kapazität von 3450 Milliampere-Stunden (mAh). Zum Vergleich: Das neue iPhone 6 (Display mit 4,7 Zoll) bringt einen 1.810-mAh-Akku mit, das iPhone 6 Plus (5,5 Zoll) einen 2.915-mAh-Akku.
Ungewöhnliches Design erzeugt Aufmerksamkeit
Beim BlackBerry wurde ein 4,5 Zoll großes Display verbaut. Kurz gesagt: Bei den neuen iPhones müssen mit vergleichsweise kleinen Akkus deutlich größere Displays mit Energie versorgt werden. An Arbeitstagen mit normaler mehrstündiger Nutzung (E-Mails, WhatsApp, telefonieren, surfen) war der Akku des Passport am Abend noch zu 50 Prozent voll. Bei intensiver Nutzung wie beispielsweise im brandenburgischen Niemandsland kam ich über den ganzen Tag und hatte noch etwa 10 bis 25 Prozent Restladung.
Mit dem Passport bringt BlackBerry wohl auch designtechnisch das ungewöhnlichste Smartphone des Jahres auf den Markt. Im Gegensatz zu anderen Flaggschiffen geht das Passport nicht in die Länge, sondern in die Breite. Die Kanadier haben sich an den Abmessungen eines Reisepasses orientiert.
Der Bildschirm ist circa 30 Prozent breiter als bei derzeit erhältlichen 5-Zoll-Smartphones. Während dort etwa 40 Zeichen in eine Reihe passen, sind es beim Passport 60. BlackBerry spricht von der „besten mobilen Leseerfahrung in jeder Situation“. Und tatsächlich: Ich habe das Passport knapp zwei Wochen am Stück getestet und den zusätzlichen Platz zu schätzen gelernt. Ob Newsseiten oder E-Mails – Lesen und Schreiben macht mit dem breiten Bildschirm Freude.
Revival der physischen Tastatur
Nachteile hat das ungewöhnliche Design aber auch: Das Passport passt nicht in die Hosentasche – höchstens in die Innentasche eines Sakkos. Zudem lässt sich das Gerät nur schwer mit einer Hand bedienen. Das gilt insbesondere für die dreireihige physische Tastatur. Die ist unter dem gestochen scharfen 4,5 Zoll-Display im 1:1-Format verbaut.
Die Buchstaben haben zwar einen hervorragenden Druckpunkt. Manche liegen aber schlicht zu weit voneinander entfernt. Auch nach intensiver Nutzung dauert das Schreiben auf der physischen Tastatur länger als bei einem Touch-Gerät, bei dem die Buchstaben eingeblendet werden.
Exzellente Sprachqualität
Wer sich ein BlackBerry-Gerät kauft, erwartet hochwertige Materialien. Die Kanadier bleiben diesem Ruf mit dem Passport treu. Rahmen und Knöpfe sind aus Metall, wodurch das Gerät edel und elegant wirkt. Selbst Kunststoffelemente wie die Rückseite, wirken hochwertiger als bei der Konkurrenz und sind kaum anfällig für Fingerabdrücke.
Mit 196 Gramm ist das Passport ein vergleichsweise schweres Smartphone. Da man das Gerät zumeist mit beiden Händen bedient, ist das aber kein all zu großes Problem.
BlackBerry überzeugt auch in puncto Sprachqualität. Umgebungsgeräusche werden wie bei früheren Geräten mit zusätzlichen Mikrofonen herausgefiltert, so dass der Angerufene seinen Gesprächspartner klar und deutlich versteht. In Zeiten immer größerer Displays rückt dieses Thema oft in den Hintergrund. Diejenigen, die ihr Smartphone tatsächlich zum Telefonieren verwenden, wird das aber besonders ansprechen.
Auch die Hörkapsel und Lautsprecher sind von hoher Qualität. Wenn ich das Passport beim Telefonieren vom Kopf weg bewege, wird es automatisch lauter. Gesprächspartner konnte ich so jederzeit gut verstehen.
Betriebssystem sinnvoll weiterentwickelt
Das Passport kommt mit der neusten Version des BlackBerry-Betriebssystem OS 10.3 auf den Markt. Die Weiterentwicklung ist dem Vorgänger in allen Bereichen überlegen. Optisch kann BlackBerry nun mit Android und iOS mithalten.
Dreh- und Angelpunkt des Betriebssystems ist der BlackBerry Hub, in dem Nachrichten aller Art einlaufen, also E-Mails, Facebook, Twitter, WhatsApp und andere Dienste. Wenn ich eine Nachricht beantworten möchte, muss ich die entsprechenden Apps nicht öffnen – sie sind bereits in den Hub integriert. Der BlackBerry wird so zum idealen Büro für unterwegs.
Neu sind die Funktionen „Assistant“ und „Blend“. Ähnlich wie Apples Siri reagiert der Assistant auf Sprachbefehle. Im Test schlug sich die Software sehr gut. Befehle und Wörter wurden meist fehlerfrei verarbeitet. Viel nützlicher ist aber die Software Blend, die auf Computern, Tablets und anderen Smartphone installiert werden kann. Mit Blend lässt sich das Passport fernsteuern. Im Büro muss ich das Passport also nicht mal in die Hand nehmen und kann es dennoch verwenden. Und Abends kann ich das BlackBerry auch via Tablet von der Couch steuern.
Passport als Arbeits- und Zweitgerät
Es gibt nur wenige Smartphones, die derzeit eine solche Faszination auf Analysten und Tech-Szene ausüben wie das Passport. Aus Sicht von Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer vom Marktforschungsunternehmen IDC Europe, muss sich BlackBerry im Smartphone-Markt um jeden Preis von der Konkurrenz absetzen. „Würde BlackBerry ausschließlich auf Touch-Geräte setzen, gingen sie unter“, sagt er. Daher sei es clever, Touch und Tastatur miteinander zu verbinden. „Das Passport sieht ungewöhnlich aus, fällt auf und ist einfach anders.“
Im vergangenen Jahr noch hatten die Kanadier zwei Geräte ohne und eines mit Tastatur auf den Markt gebracht. Physische Tastaturen schienen auch bei BlackBerry vor dem Aus zu stehen. Unter Firmenchef John Chen, der im November 2013 die Nachfolge des glücklosen Thorsten Heins aus Deutschland antrat, folgte dann die Kehrtwende. Physische Tastaturen sind nun wieder die Regel, nicht die Ausnahme.
Laut Marktforschungsunternehmen IDC nutzen derzeit noch 9,7 Millionen Menschen weltweit BlackBerry. Im Vorjahr seien es noch knapp 19,2 Millionen gewesen – ein Minus von beinahe 50 Prozent. Im Businessbereich verloren die Kanadier sogar 61 Prozent ihrer Kunden. Damit liegt BlackBerry hinter Android (Google), iOS (Apple) und Windows Phone (Microsoft) an vierter Position.
Mit Android-Hilfe gegen den App-Mangel
Für Achim Himmelreich, Vizepräsident beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), ist diese Marktaufteilung das größte Problem von BlackBerry. „Die Welt hat sich in iOS und Android geteilt.“ Die Nutzer seien einfach an die voll ausgereiften Systeme von Android und iOS gewöhnt.
Ein großes Problem beim BlackBerry-Betriebssystem war bislang die geringe Zahl brauchbarer Apps. Aus diesem Grund hat BlackBerry nun den Amazon-Appstore vorinstalliert, in dem eine Auswahl von Android-Apps erhältlich ist. Auch andere Android-Apps, die nicht über Amazon erhältlich sind, können einzeln installiert werden und laufen flüssig. „BlackBerry hat das Problem offenbar erkannt und sich der Android-Welt ein Stück weit geöffnet“, sagt BVDW-Vize Himmelreich.
Dass BlackBerry Android oder iOS gefährlich werden könnte, glaubt er aber nicht. „Ein dritter Player hat in dem Markt wohl keinen Platz. Das sehen wir auch an Windows Phone.“ Wer ein relevanter Player sein will, so Himmelreich, müsse mindestens ein Fünftel des Marktes kontrollieren. „Es gibt aber eine Tendenz zum Zweitgerät. Das ist die Chance für BlackBerry.“ Dem stimmt auch IDC-Experte Wafa Moussavi-Amin zu. „Für Business-Anwender könnte das Passport genau das richtige Gerät sein.“
Fazit: Wem ein ausdauerndes Smartphone mit hervorragender Sprachqualität wichtig ist, für den ist das BlackBerry Passport eine Überlegung wert. Zwar ist das Smartphone verhältnismäßig schwer und etwas unhandlich. Dafür überzeugt das breite Display insbesondere beim Lesen und Verfassen von E-Mails und Nachrichten. In den kommenden Tagen wird Vodafone als erster Vertriebspartner das neuen BlackBerry Passport in Deutschland anbieten. Mit einem Zweijahresvertrag ist das Gerät dann ab einem Euro erhältlich. Ohne Vertrag bietet Vodafone das Smartphone für 599,90 Euro an.