Blackberry-Smartphone Q10 liefert frischen Stoff für E-Mail-Junkies

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Ein Ersatzakku bietet zusätzlichen Komfort

An welchen Baustellen Blackberry gescheitert ist
Blackberry macht eine überraschende Kehrtwende im Überlebenskampf: Der notleidende Smartphone-Pionier hat seinen geplanten Verkauf am 4. November 2011 abgesagt, Konzernchef Thorsten Heins geht. Geldgeber um die kanadische Finanzfirma Fairfax Financial wollen nun eine Milliarde Dollar in das Unternehmen stecken, statt es wie ursprünglich geplant zu übernehmen. Der aus Deutschland stammende Heins nimmt seinen Hut, sobald die Finanzspritze eingegangen ist. Quelle: dpa
Blackberry hatte sich nach hohen Verlusten im August selbst zum Verkauf gestellt. Fairfax Financial hatte bereits den grundsätzlichen Zuschlag für 4,7 Milliarden Dollar erhalten. Doch in den ersten Novembertagen mehrten sich die Anzeichen, dass die Finanzfirma das Geld für eine komplette Übernahme nicht zusammenbekommt. Auch die beiden Blackberry-Mitgründer Michael Lazaridis und Doug Fregin arbeiteten im Hintergrund an einem Gebot. Blackberry soll dem „Wall Street Journal“ zufolge sogar mit dem Online-Netzwerk Facebook gesprochen haben. Dagegen hätten der Software-Riese Oracle und das Karriere-Netzwerk LinkedIn sich gar nicht erst auf ein Treffen eingelassen. Quelle: REUTERS
Als RIM-Chef Thorsten Heins im Januar 2012 den Chefposten bei Blackberry übernahm, war der Konzern bereits in einem schlechten Zustand. Die Aktie hatte 2011 drei Viertel ihres Werts verloren, die Marktanteile waren rapide gesunken, der Konzern hatte hohe Verluste eingefahren. Quelle: REUTERS
Gründe gab es dafür viele. Der wohl schwerwiegendste Fehler geht auf das Konto von Gründer Mike Lazaridis und seinem Partner Jim Balsillie, der 1992 zu Blackberry kam. Beide hatten die Konkurrenz völlig unterschätzt. Als 2007 Apple mit dem iPhone auf den Markt kam, konnten sich die beiden Manager nicht vorstellen, dass sich tastenlose Handys mit großem Display durchsetzen würden. Quelle: REUTERS
Vielleicht waren die Blackberry-Chefs zu geblendet vom Coolness-Faktor, den Blackberry jahrelang zweifellos hatte. In der Welt der Nadelstreifen, als ein Mobilfunkvertrag noch etwas Elitäres war und sich teure Datenverträge ohnehin nur Manager leisten konnten, die vor dem Einstieg in den Privatjet schnell noch mal die E-Mails checkten, war Blackberry das Kommunikationsgerät schlechthin. Doch... Quelle: dapd
.... mit Aufkommen des iPhones (im Bild ist das neue iPhone 5s zu sehen) wollten auch Privatnutzer ein Smartphone - zum Musikhören, Fotos machen und im Internet surfen. Blackberry verpasste die veränderten Nutzergewohnheiten. Die Verbraucher brachten deshalb lieber ihr neues Spielzeug, das iPhone, mit ins Büro. Am Ende musste RIM dann neben Apple auch noch Android-Geräte vorbeiziehen lassen. Auch beim Design verlor RIM in dieser Zeit den Anschluss. Quelle: AP
Nächste große Panne: Beim Thema Apps zögerte RIM viel zu lange. Der Einstieg in den Markt für Software-Apps erfolgte erst spät mit der fünften Version des Betriebssystems. Die Vielfalt der Blackberry-Modelle mit und ohne Tastatur und verschiedenen Bildschirmgrößen macht es für Software-Hersteller zudem extrem kompliziert, für Blackberry zu programmieren. Quelle: REUTERS

Wichtiger noch aber ist, was sich unter dem Deckel verbirgt: ein 2100-mAh-Akku, der selbst Vielschreiber wie mich leidlich sorgenfrei durch einen Arbeitstag begleitet - und der bei etwas zurückhaltender Nutzung auch zwei Tage lang durchhält. Einsatzzeiten von bis zu einer Woche, wie sie manch alter Blackberry zu liefern vermochte, sind mit dem Q10 allerdings nicht mehr drin. Auch das ist eine Folge der technologischen Aufrüstung bei der Funktechnik. Immerhin: Wer will, kauft sich einen Ersatzakku und tauscht den Energieträger bei Bedarf einfach aus. Von derlei Komfort können Besitzer eines iPhone oder HTC One nur träumen.

Umgekehrt, auch das sei nicht verschwiegen, träumen Besitzer eines der neuen Blackberrys bestimmt gelegentlich auch davon, einmal auf eine so umfassenden Software-Fundus zugreifen zu können, wie ihn iOS oder Android – aber auch Microsofts Windows Phone 8 – längst bieten. An deren App-Vielfalt reicht die neue BB10-Welt noch lange nicht heran. Und vermutlich wird sie es auch nicht mehr tun. Dazu haben die Kanadier in der Smartphonewelt zu viel Boden gegenüber der Konkurrenz verloren.

Andererseits ist das Software-Angebot für den Q10 und den Z10 gar nicht so mager, wie es die nicht mal sechsstellige Zahl originärer BB10-Apps befürchten ließe: Ob Dropbox-Zugriff oder Evernote-Integration, Facebook-, LinkedIn- oder FourSquare-Anbindung, Skype- oder WhatsApp-Client, ob WebEx-Zugang oder Documents-to-Go-Officepaket, Bubbles oder (unvermeidlich) Angry Birds – bis hin zur WiWo-App findet sich so manches im Blackberry World genannten App Store.

Dass Klassiker wie der Bahn-Navigator, obwohl für BB7 noch verfügbar, in einer BB10-Version noch ebenso fehlen wie etwa die App der Lufthansa, ist ein Manko. Aber ein erträgliches, denn inzwischen sind viele mobil-optimierte Webseiten nah an die Funktionalität und den Bedienkomfort speziell programmierter Smartphone-Programme herangerückt. Speziell bei der Kranich-Airline etwa ist kaum noch zu unterscheiden, ob man im Browser-Fenster für den nächsten Flug eincheckt oder in einer nativen App. Und auch das mobile Bahn-Angebot im Web macht eine eigenständige App für den Blackberry inzwischen fast überflüssig.

Für meinen alten Palm gab es die ohnehin nie, wie leider so manche andere smarte Handy-Software. Dass er Tasten und Touchbedienung so elegant verknüpfte, hat mich das lange verschmerzen lassen. Inzwischen aber hat er mit dem neuen Blackberry Q10 einen ernsthaften Konkurrenten bekommen. Er stellt – ich muss es gestehen – meine Treue zum Pre erstmals wirklich auf die Probe. Mal sehen, wie die Konkurrenz ausgeht.

Update: Der in der Ursprungsversion erwähnte Citrix-Client ist noch nicht öffentlich für das Blackberry-10-Betriebssystem freigegeben. Wann er verfügbar wird, steht noch nicht fest.

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