Seit Jahren gibt der Suchmaschinen-Konzern in detaillierten Schritten bekannt, wie sich das Gadget langsam weiter entwickelt.
So hat sich Google Glass über einen Zeitraum von zwei Jahren entwickelt... #glass pic.twitter.com/8wBhkuIiED
— Stefan Keuchel (@frischkopp) March 21, 2014
Erst 2013 schickte das Unternehmen die Brille für einen stolzen Preis von 1.500 Dollar an erste Entwickler, damit die schon einmal den App-Store mit passenden Anwendungen füllen. Auf jeder Messe, jeder Tagung, jeder Veranstaltung, auf der jemand Google Glass dabei hatte, war der Saal voll besetzt. Doch je länger der Hype geschürt wird, desto zurückhaltender ist die Begeisterung für die Brille.
Eigentlich sollte Google Glass ab April auf dem Markt kommen. Google selbst kündigt das Produkt nach wie vor für „Anfang 2014“ an. Doch bisher ist kein Event in Sicht, dass eine Produkteinführung andeutet. Im Gegenteil: Die Skepsis am Erfolg der Brille wird immer lauter. Erst am Wochenende zweifelte Spiegel-Korrespondent Thomas Schulz stark an, dass aus der Datenbrille wirklich noch ein Renner wird.
Danach hassen selbst eingefleischte Techies aus dem Sillicon Valley die Brille. Wer die Brille trägt, sei als „Glasshole“ (Asshole=Arschloch) verschrien. In manchen der kalifornischen Kneipen sei das Tragen der Datenbrille bereits verboten. Selbst die Google-Mitarbeiter aus Mountain View scheinen die Brille kaum noch tragen zu wollen.
Offensichtlich stören sich also nicht nur die Deutschen an der Vorstellung, dass jemand eine Kamera im Gesicht trägt und damit etliche Datenschutzfragen noch lange nicht geklärt sind.
Warum der Veröffentlichungstermin immer wieder verschoben wurde, hat Google selbst bisher nicht erläutert. Doch die Gründe dafür liegen auch so auf der Hand.
- Google Glass ist technisch deutlich schlechter als das Smartphone ausgestattet. Wer sich an die Funktionen seines Smartphones gewöhnt hat, würde bei dem aktuellen Entwicklungsstand der Brille etliche Abstriche machen müssen. Während Nokia inzwischen mit einer 14 Megapixel-Kamera punktet, erkennt man auf den Google-Glass-Fotos wieder deutlich die einzelnen Bildpunkte. Auch der im Brillenbügel versteckte Akku hält nur wenige Stunden durch. Die Bedienung per Tippen auf den Bügel ist alles andere als nutzerfreundlich.
- Bisher scheitert Google Glass neben der Funktionalität noch immer an futuristischer Hässlichkeit. Sogar der berühmte Designer Marc Newson sagte, dass das Design erbärmlich sei und die Welt des Industrial Designs noch viel von der Modeindustrie lernen müsse. Um dem entgegenzuwirken, hat Google erst kürzlich bekannt gegeben mit der italienischen Luxottica Group (RayBan) zusammenzuarbeiten. Ein geschickter Zug, immerhin zählen die Designs der Marke zählen zu den beliebtesten unter Brillenträgern überhaupt. Auf der anderen Seite macht die kleine Glasscheibe am rechten oberen Brillenrand auch das schönste Brillenmodell wieder zu einem verrückten Cyberlook, dem sich wohl kein halbwegs modebewusster Mensch freiwillig aussetzen möchte.
Die Datenuhr macht derzeit das Rennen
Erst kürzlich hat das Unternehmen aus Mountain View eine eigene Smartwatch vorgestellt und dabei alles anders gemacht als bei Glass. Die Uhr wurde überraschend und ohne großen Vorlauf präsentiert. Und sie sieht mit ihrem modernen Retro-Look um ein vielfaches eleganter aus als die klobigen Konkurrenzmodelle von Sony und Samsung. Als Hersteller für die neue AndroidWear stehen LG (rechteckiges Design) und Motorola (rundes Design) bereit.
Insgesamt machen die Computeruhren gegenüber den Computerbrillen gerade das Rennen. Sie sind deutlich dezenter und geben dem Nutzer ganz bequem die Möglichkeit, Emails und Nachrichten zu lesen oder Kalendereinträge zu überprüfen. Für die Navigation sowie das Fotografieren und Filmen sind die Uhren hingegen genauso wenig gut geeignet wie Glass. Allerdings wird beim Marketing der einzelnen Computer-Uhren-Hersteller auf diesen Aspekt auch kaum abgehoben. Während Glass mit Sprachbefehlen wie „Ok Glass, take a picture“ gemessen wird, punkten die Uhren mit Diskretion.
Doch welches Gadget das Smartphone am Ende ablösen wird, will heute kein Experte sagen. Zu stark experimentieren Hersteller aus aller Welt derzeit. Und zu frisch ist auch noch der Umbruch vom Handy auf das Smartphone. Was bei der Diskussion allzu oft vergessen wird: Eine Gesellschaft besteht nicht nur aus Tech-Geeks, die immer das neuste Produkte ausprobieren wollen. Natürlich ist die Technik-Welt immer schnelllebiger geworden. Aber sind es auch die Nutzer? Zwischen der Einführung des Handys und des Smartphones lagen über zehn Jahre. Das iPhone hat erst vor sieben Jahren unser Nutzerverhalten mit einer brillanten neuen Technologie auf den Kopf gestellt.
Vielleicht brauchen wir Käufer einfach noch etwas Zeit mit unserem Smartphone, um den Wert der Wearables stärker zu erkennen. Und die Wearables brauchen ganz offensichtlich mehr Power (vor allem eine bessere Akkuleistung, mehr Speicherplatz), um mit den Funktionalitäten der Smartphones mithalten zu können. Und auf diesem Weg hat die Uhr es deutlich leichter als die Brille, die wir präsent im Gesicht tragen.
Dass Google mit der Brille trotzdem so vorprescht, hat zumindest einen Vorteil für das Unternehmen: Datenbrillen sind schon jetzt eng mit dem Namen des Unternehmens verknüpft. Egal wer sich nun in diesen Bereich vorwagt, wird sein Produkt immer mit Glass messen müssen. Das hat der Suchmaschinen-Konzern geschafft. Doch ob es die Google-Brille ist – oder am Ende doch ein iGadget von Apple, das den Endverbraucher überzeugt, steht aktuell noch in den Sternen.
Zum finanziellen Desaster würde ein Glass-Flopp übrigens nicht führen. Bei Google strömen die Werbegelder regelrecht. Im Schlussquartal 2013 verdiente das Unternehmen unterm Strich 3,4 Milliarden Dollar (2,5 Milliarden Euro). Das war ein Plus von 17 Prozent im Vergleich zu, Vorjahreszeitraum. Den Verlustbringer Motorola (operativer Verlust von 384 Millionen Dollar, doppelt so viel wie 2012) hat Google mittlerweile an den chinesischen PC-Hersteller Lenovo verkauft.