Bereits wenn sie morgens wach wird, sucht Maren Biermann bei Alexa Rat. Am Wochenende, wenn sie noch etwas länger im Bett bleiben kann, fragt sie vom Schlafzimmer aus, wie das Wetter wird. Unter der Woche erkundigt sie sich auf dem Weg ins Badezimmer, wie lange sie ins Büro brauchen wird. Und sobald der Name Alexa durch die Wohnung hallt, leuchtet der obere Rand der schwarzen Box türkis-blau. Wenig später sagt Alexa, dass es warm wird. Oder dass sich der Verkehr in der Düsseldorfer Innenstadt staut.
Alexa ist eine virtuelle Mitbewohnerin, die der Technologiekonzern Amazon erschaffen hat, um seine Kundschaft enger an sich zu binden. Ein weiteres Gerät, dem Millionen Menschen ihre Gedanken, Gewohnheiten und Gefühle anvertrauen. Verbraucherschützer sehen mit ihr das Ende des Datenschutzes nahen. Maren Biermann, groß, sportlich, sieht in Alexa vor allem ein Spielzeug.
Die 32-Jährige ist damit nicht allein. Geschätzt über elf Millionen der Boxen, die Amazon auf den Namen Echo getauft hat, hat der Konzern weltweit verkauft. „Wir hatten noch kein Produkt, das in vergleichbarer Zeit auch nur annähernd so nachgefragt war wie die Echo-Boxen“, sagt ein Amazon-Verantwortlicher. Über 40 Prozent der Deutschen, so eine Repräsentativumfrage des Datendienstleisters Statista, finden solch einen sprachgesteuerten Assistenten attraktiv. Und das, obwohl die Meinungsforscher von Forsa bereits vor zwei Jahren feststellten: Nicht einmal jeder dritte Deutsche traut den Technologiekonzernen zu, sorgsam mit seinen Daten umzugehen. Handelskonzerne, Versicherungen und das Finanzamt rangierten in diesem Ranking deutlich weiter oben.
So funktioniert...
Echo gibt es in zwei Formaten: Die große, 179,99 Euro teure Box hat ein Zwei-Wege-Lautsprechersystem. Das kompaktere Echo Dot kostet 59,99 Euro. Beide verfügen über exzellente Spracherkennung, die über mehrere Meter Entfernung funktioniert, sowie die WLAN-Vernetzung mit Bot Alexa. Nach Signalworten wie „Echo“ oder „Alexa“ nimmt die Box Sprachbefehle auf und übermittelt sie ins Rechenzentrum, wo Alexa die Antwort recherchiert und sie zurückschickt. Wer verhindern will, dass Echo immer mithört, kann die Spracherkennung abschalten. Amazon versichert, Mikrofone würden ganz vom Strom getrennt.
Ausgerechnet die Deutschen, die in zwei autoritären Regimes – in Nazi-Deutschland und in der DDR – totale Überwachung leidvoll erfahren haben, stellen sich das vollendete Werkzeug für den Lauschangriff freiwillig ins Wohnzimmer. Warum? Weil die Techkonzerne mit immer ausgefeilteren Strategien ihre Kunden zu Abhängigen machen. Und weil alles eine Frage der Psychologie ist.
Der sorglose Umgang mit Daten begann mit dem Googeln nach Informationen und mit dem Einkauf im Netz, der so viel einfacher war, als durch verstopfte Straßen und Supermärkte zu hetzen. Dann kamen die sozialen Netzwerke hinzu. Erst hinterließen die Menschen nur ein paar Stichworte, dann auch peinliche Fotos, sie posteten politische Meinungen und persönliche Bestleistungen bei der abendlichen Joggingrunde. Schließlich wurden die Smartphones zum Helfer in allen Lebenslagen – und wussten noch besser über ihre Besitzer Bescheid.
Was Sie schon immer einmal von Alexa wissen wollten…
Nehmen wir an, Sie bekommen keine Orwell´schen Albträume davon, sich ein Mikrofon in die Wohnung zu holen und kaufen sich einen Amazon Echo. Sie haben das Gerät ausgepackt und wollen starten. Werkseitig eingestellt ist das „Wecksignal“ für Alexa – „Alexa“. Erst wenn sie dieses Zauberwort ausgesprochen haben, können Sie starten.
Zusatzinfo für Star-Trek-Fans: Man kann dieses „Weckwort“ ändern – neben „Echo“ und „Amazon“ geht auch „Computer“ – der Begriff, den auch Captain Picard benutzte, wenn er den Bordcomputer der Enterprise bedienen wollte. Dieser soll als Vorbild für Alexa gedient haben.
Alexa verfügt, wie etwa Microsoft Windows, über verschiedene Nutzerkonten (Haushaltsprofile) beziehungsweise –Profile. Das macht durchaus Sinn, etwa bei nutzerspezifischen Vorlieben wie etwa Musik: Wenn Sie gerne Verdi, Ihre Tochter aber lieber Heavy Metal hören (Alexa greift auf Ihre Amazon-Music-Dateien oder, mit dem entsprechenden Skill, etwa auch auf Spotify zu), oder Sie und ihr Partner einen völlig unterschiedlichen Literaturgeschmack haben (Alexa verwaltet auch Ihre Hörbücher). Da der Nutzer über Alexa auch bei Amazon einkaufen kann, können außerdem mehrere Amazon-Profile hinterlegt werden, damit etwa das neue Kollegah-Album Ihres Sohnes nicht über Ihr Konto abgerechnet wird. Sie können Alexa fragen: „Welches Profil ist das?“ oder ihr den Befehl geben, die Konten zu wechseln: „Wechsle die Konten.“
A propos Musik: Hier liegt eine der großen Stärken von Alexa. Sie können die Musikwiedergabe steuern: „Alexa, Wiedergabe.“, „Stopp.“, „Zurück.“, „Pause“, „Weiter.“ (und so weiter). Aber auch raffiniertere Fragen kann Alexa beantworten: Zum Beispiel „Alexa, was läuft gerade?“, „Mach lauter“, „Mach leiser“ oder „Alexa, stelle einen Sleeptimer in 20 Minuten.“
Alexa hat Zugriff auf Amazon Prime Music, auch hierfür gibt es Befehle: „Spiele etwas Prime Music zur Entspannung.“, oder „Spiele Prime Music zum Tanzen.“ Nicht nur Musikstimmungen erkennt Alexa, auch Musikgenres können gezielt angesteuert werden: „Spiele Jazz von Prime Music.“ Alexa hat allerdings nicht nur Zugriff auf Prime Music, auch Internetradiosender und Musikstreamingdienst Spotify können angesteuert werden: „Spiele ‚Pop‘ von Spotify.“
Auch Hörbücher - von Audible - kann Alexa abspielen: „Spiele das Hörbuch ab.“, „Nächstes / Vorheriges Kapitel.“, „Gehe zu Kapitel 3.“, „Mein Hörbuch fortsetzen.“
Für deutsche Echo-Käufer unter den vielen Sportligen, zu denen Alexa Infos bereithält, wohl besonders interessant: die Bundesliga. Zulässig sind hier Fragen wie „Wie ist das Spielergebnis von Schalke gegen Dortmund?“, „Wie steht es gerade bei ‚Mönchengladbach gegen den HSV‘?“, „Hat RB Leipzig gewonnen?“
Wenn Sie Alexa verraten, wo Sie arbeiten und wie Sie normalerweise dort hinkommen, hilft sie Ihnen, pünktlich da zu sein. Dann können Sie das Programm nämlich fragen: „Wie ist der Verkehr?“. Wenn Alexa Stau auf Ihrer Strecke meldet, können Sie den dann einfach umfahren – oder auf Bus und Bahn umsteigen – natürlich erst, nachdem Sie Alexa vorher mit dem passenden Skill nach der günstigsten Fahrplanverbindung gefragt haben.
Wenn Sie entschieden haben, dass Sie eigentlich heute doch viel lieber mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren wollen, fragen Sie Alexa einfach nach dem Wetter: „Wie ist das Wetter in fünf Stunden?“. Natürlich funktioniert die Vorhersage nicht nur für den gleichen Tag: “Wird es morgen schneien?“, „Wie ist das Wetter in Köln?“ oder „Wird es am Sonntag regnen?“ funktionieren auch.
Auch über die neuesten Nachrichten kann Alexa Sie informieren – etwa via „Was gibt es Neues?“ oder „Was ist in den Nachrichten“? Wem das nicht reicht, der kann Alexas Informationsquelle über die Skills verschiedener Medien auch personalisieren.
Gut, Sie sind jetzt über die Nachrichtenlage gebrieft, wissen, wie Sie am besten zur Arbeit kommen und ob Sie Gummistiefel anziehen müssen, weil es regnet. Passende Musik oder ein Hörbuch haben Sie für den Arbeitsweg auch dabei. Aber was steht heute eigentlich alles an? Fragen Sie doch Alexa! „Alexa, was steht in meinem Kalender?“, „Alexa, füge meinem Kalender „Einkaufen“ für Freitag, den 17. Februar um 18:00 Uhr hinzu.“
Auch beim Einkaufen kann Alexa Ihnen helfen. Sie fährt zwar nicht für Sie zu Rewe (oder Edeka), aber Sie können mit ihr eine Einkaufsliste erstellen, diese ergänzen oder Dinge daraus streichen: „Füge ‚Wein‘ zur Einkaufsliste hinzu.“ Und natürlich können Sie Alexa fragen, was Sie sich notiert haben: „Was steht auf meiner Einkaufsliste?“ Auch andere Aufgaben hält Alexa für Sie fest – etwa, dass Sie Ihrer Frau noch einen Blumenstrauß zum Hochzeitstag besorgen sollten. In dem Fall wäre es allerdings gut, wenn Sie die Kontenverwaltung bereits beherrschen – sonst setzen Sie das nämlich noch aus Versehen auf die Aufgabenliste Ihrer Frau.
Gut, dass Sie an den Hochzeitstag gedacht haben – oder Alexa gebeten haben, Ihnen das heutige Datum zu nennen („Wie lautet das Datum?“). Das kann sie nämlich auch, genauso, wie Sie um eine bestimmte Uhrzeit zu wecken („Stelle den Wecker auf 06:00 Uhr.“), dabei zwischen Wochenende und Arbeitswoche zu unterscheiden („Stelle den Wochenendwecker auf 9:00 Uhr.“), und Ihnen mitzuteilen, auf wie viel Uhr Sie den Wecker gestellt haben („Für welche Uhrzeit ist mein Wecker gestellt?“.
Um beim Hochzeitstag zu bleiben: Wie wäre es abends mit etwas romantischer Stimmung? Alexa kann – vorausgesetzt, sie ist mit anderen intelligenten Geräten in Ihrem Haushalt vernetzt – zum Beispiel das Licht dimmen („Dimme das Licht im Esszimmer auf 50 Prozent“), die Kaffeemaschine einschalten („Schalte die Kaffeemaschine ein.“) oder die Temperatur in der Diele senken („Stelle die Dielentemperatur auf 18 Grad“)
Wenig überraschend: Mit Alexa können Sie auch einkaufen – ich erspare Ihnen jetzt die Fortführung mit dem Hochzeitstags-Beispiel und Schmuck für Ihre Frau. Wobei – es passt gerade so schön: Sie haben also etwas Hübsches gefunden. Sagen Sie Alexa einfach „Füge Diamantcollier zu meinem Einkaufswagen hinzu“ und „bestelle“.
Alexa kann noch viel mehr als Nachrichten vorlesen oder Einkäufe bei Amazon tätigen: Man kann ihr Wissensfragen stellen, die sie dann prompt nachschlägt. Frei nach dem Motto: „Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wie man Alexa danach fragt“. Beispielfragen wäre etwa: „Alexa, warum ist der Himmel blau?“, „Alexa, wie hoch ist die Zugspitze?“, „Alexa, was ist die Hauptstadt von Australien?“, „Alexa, wie weit ist es von hier bis Wien?“, „Alexa, was ist die Definition von paradox?“, „Alexa, wann geht heute die Sonne auf?“, „Alexa, was ist der neueste Film von Quentin Tarantino?“, „Alexa, was ist die IMDb-Bewertung für Jupiter Ascending?“
Alles soll möglichst bequem sein
Das passierte, weil es lustig war oder nur praktisch. Und weil es ungefährlich wirkte. „Der konkrete Nutzen ist uns mehr wert als der hypothetische Nachteil“, sagt Maximilian von Grafenstein, der am Institut für Internet und Gesellschaft der Humboldt-Universität in Berlin ein Forschungsprojekt zum Datenschutz in der immer digitaleren Welt leitet. Mit jeder neuen App und jeder neuen Annehmlichkeit gaben die Menschen etwas mehr von ihrer Privatsphäre auf.
Die digitale Welt gehört zu unserer Identität
Wobei das mit der Bequemlichkeit eben so eine Sache ist. Maren Biermanns Freund, mit dem sie zusammenlebt, stört sich nicht daran, morgens aus dem Fenster zu schauen, wenn er wissen will, wie das Wetter wird. Um rechtzeitig die Bahn ins Büro zu erwischen, verlässt aber auch er sich nicht mehr nur auf den an der Haltestelle ausgehängten Fahrplan. Er sieht auf seinem Smartphone nach. Menschen haben sich längst daran gewöhnt, ihr Leben in die Hand all der digitalen Helfer zu legen. „Das ist auch ein Stück weit Resignation“, sagt Tim Leberecht, der sich als Managementexperte mit all den Facetten einer immer digitaleren Welt beschäftigt. „Wir akzeptieren, dass wir ohne unsere digitale Existenz nicht mehr Teil der Gesellschaft sind. Unsere persönlichen Daten zu teilen wird zunehmend zur Grundlage unserer Identität“, resümiert er.
Google Maps hilft uns, schneller von einem Ort an den anderen zu kommen; WhatsApp, die Verabredungen mit unseren Freunden besser abzustimmen. Dass die Menschen so fast nebenbei Effizienz in immer mehr Bereichen ihres Lebens zum alleinigen Paradigma erhoben haben, das halte er für eine echte Bedrohung, sagt Leberecht. „Wir verlaufen uns nicht mehr. Wir nehmen uns selbst die Möglichkeit, etwas zu entdecken.“ Der Anspruch des Silicon Valley, für jedes alltägliche Problem einfach eine App zu programmieren, reduziere die Welt letztlich auf einen sehr kleinen Ausschnitt – und schränke das freie Denken ein.
Und dennoch glaubt Leberecht nicht daran, dass sich das Rad zurückdrehen lässt. Dass strengere Gesetze die Konzerne davon abhalten können, immer mehr Daten zu sammeln – oder auch nur die Menschen, immer mehr Daten preiszugeben. Viel dringender als die Diskussion darüber, wie viel wir von uns offenlegen, sei deshalb die Diskussion der Frage, wie all diese Informationen verwendet werden.
Nützlich und absurd: Die Amazon Skills
Amazons Alexa lässt sich erweitern – mit Zusatzprogrammen, den sogenannten Skills - im Prinzip Apps, mit denen Alexa interagieren kann. Erhältlich sind die Erweiterungen über die Alexa App, für die Installation sind nur wenige Schritte nötig. Wir haben aus den wichtigsten Kategorien eine Auswahl zusammengestellt.
Nachrichten-Skills gibt es bei Amazon unter anderem von der WirtschaftsWoche, BBC, Bild, Spiegel Online, der Welt, Heise, dem Kicker oder der NZZ. Der Nutzer kann sich so sein persönliches Nachrichtenprogramm zusammenstellen, das über die Befehle „Alexa, was ist meine tägliche Zusammenfassung?“ oder „Alexa, was sind die Nachrichten?“ gestartet wird.
Auch das Satiremagazin Postillion sowie Nachrichtenangebote, die eher regional von Interesse sein dürften, finden sich: Die Freiwillige Feuerwehr Pinneberg („Alexa, frage Feuerwehr Pinneberg nach dem letzten Einsatz“) gibt es etwa als Skill.
Anfang 2017 die umfassendste Kategorie im Bereich der Amazon Skills. Es gibt etwa ein Rollenspiel („Goblinraub“ aus dem „Das-schwarze-Auge“-Universum), schlicht gestartet mit „Alexa, starte Rollenspiel“. Auch Quizze und Rate-Skills gibt es zuhauf. Darunter ein Berlin-Quiz, ein Tier-Quiz und „Stadt, Land, Fluss“. „Katzen-Infos“ soll „interessante, verblüffende und lustige Katzen-Fakten“ ausspucken. „Kina Kunu“ übersetzt, analog zu dem Lied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ des Nutzers auf „kunusisch“. Der „Namen Finder“ bewirbt sich selbst mit „Lass dir zufällig ausgewählte Namen für dein Kind oder Haustier vorschlagen.“ Alles klar: „Alexa, frage Namen-Finder wie ich mein Baby nennen soll.“
Aber auch tendenziell nützliche Skills gibt es hier: Etwa Mathematik-Rätsel („Alexa, öffne Mathe Knobelaufgaben“) oder einen Saisonkalender für Obst und Gemüse (Obst- bzw. Gemüse-Nerd: „Sind Äpfel gerade frisch?“, „Sind Erbsen gerade frisch?“).
Neben diversen Nachschlage- und Fakten-Skills zu (deutschen) Städten und verschiedenen Staaten gibt es auch in dieser Kategorie ein breites Spektrum an Programmen, manche im Alltag mehr, manche weniger nützlich. So gibt es neben dem Fleckentferner ("Alexa, frag Fleckentferner wie ich Kaffeeflecken entferne", "Wie entferne ich Weinflecken?") auch Fakten über Wasserball (Wasserball Geek). Wer sich mit weniger psychologischen Themen auseinandersetzen möchte, findet aber auch in dieser Kategorie Katzen- (und Pferde-)-Fakten-Skills und diverse Programme für ausgewählte Tageszitate.
Wo stehen Goethe-Zitate direkt zwischen dem „Pups-Generator“ und Chuck-Norris-Fan-Witzen? Richtig: Unter „Neuheiten & Humor“ im Alexa-Skill-Bereich bei Amazon. (Ja, die Skills machen alle das, was Sie denken). Hier kann man sich aber auch von Alexa schmeicheln lassen: Mit „Kompliment mich“ erzählt Alexa dem Nutzer etwas Nettes, etwa „Du bist so klug!“. Außerdem kann die „Magische Miesmuschel“ um Rat gefragt werden – und ebenso „Kein Bier vor Vier“; der dazugehörige Befehl: "Alexa, frag ‚Kein Bier vor Vier‘ ob ich jetzt schon Bier trinken kann". Witze erzählt Alexa dem Nutzer etwa mit dem Flachwitz-Skill: "Alexa öffne Flachwitz" oder der „Witze-Box“. Die neuesten Verschwörungstheorien liefert „Der mächtige Aluhut“: „Alexa, frage ‚Mächtiger Aluhut‘ nach der Wahrheit".
Hier findet sich etwa ein Skill für muslimische Gebetszeiten in München („Alexa, frage ‚Mein Muslim‘ nach dem Nachmittagsgebet“), einer für Diabetiker („Alexa, öffne Broteinheit“) oder auch eine Entscheidungshilfe, welches Haustier man sich anschaffen sollte („Alexa, starte Haustierentscheidung“). Überhaupt, Entscheidungshilfen sind populär: Alexa hilft mit dem passenden Skill auch bei der Suche nach dem richtigen Longdrink oder Gin („Empfiehl mir einen Gin“/ „Alexa, starte ‚Welchen Longdrink soll ich trinken?‘) wie auch bei der Wahl der nächsten Mahlzeit („Alexa, öffne ‚Was soll ich kochen?‘). Aber auch Rezept-Skills sind hier zu finden: Etwa von Chefkoch („Alexa, sage Chefkoch, ich hätte gerne Pasta-Rezepte“) oder „Kitchen Stories“ ("Alexa, frage ‚Kitchen Stories‘ nach einem vegetarischen Rezept") Außerdem dabei: Ein Schwangerschaftsguide der Zeitschrift „Eltern“ und der „Gala“-Skill mit Wissenstests über Stars und Sternchen.
Hier kann Alexa zeigen, was sie kann – wenn sie die richtigen Skills hat und der Nutzer im Besitz der passenden Geräte ist: So kann Alexa etwa die Uhr „LaMetric Time“ die Wettervorhersage anzeigen lassen, „Lightify“ ist ein Skill von Osram, der mit passender Hardware auf folgende Befehle wie „Alexa, schalte Schlafzimmer ein“, „Alexa, dimme die Küche“ reagiert – und mit „Philipps Hue“ lassen sich direkt ganze Lichtstimmungen programmieren. Auch RWE-Tochter innogy hat einen Skill zur Smart-Home-Steuerung entwickelt: „Alexa, stelle das Raumklima Wohnzimmer auf 23°C“, „Alexa, schalte die Deckenleuchte Wohnzimmer ein“, „Alexa, stelle die Rollläden im Wohnzimmer auf 40%“.
Hier finden sich ziemlich unterschiedliche Skills. Metal-Fans können sich über den „Wacken-Countdown“ freuen. Alexa hält einen mit diesem Skill immer auf dem Laufenden, wie lange es noch dauert, bis endlich wieder im Matsch gefeiert werden kann. Aber auch Motivations-Skills finden sich hier („Alexa, frage ‚Mutmacher‘ nach etwas Motivierendem.“) sowie Mondphasen-Programme; außerdem Zufalls-Zahlen-Generatoren. Interessant für Nutzer mit Home-Office: Der Zeiterfassungs-Skill, ein Timer, der bei der Erfassung der Arbeitszeiten hilft.
Alexa scheint bei Studenten beliebt zu sein: Neben diversen ÖPNV-Angeboten (s.u.) finden sich unter „Lokales“ Skills für die Speisepläne der Mensa in Aachen („Alexa, frage ‚Mensa Aachen‘, was es in der Mensa Academica am Montag zu essen gibt“), der TH Brandenburg oder in Dresden. „OmNomNom“ verspricht, gleich die Speisepläne verschiedener Mensen deutscher Hochschulen zu kennen.
Wohl eine Kategorie, deren Nutzen direkt einleuchtet: Wer in Eile ist, kann sich über diverse Fahrplanauskunftsskills über die beste Bus- oder Bahnverbindung informieren, ohne Zeit zu verlieren, indem er dafür erst den PC hochfahren oder umständlich am Smartphone herumnesteln muss. Es gibt diverse Skills für den ÖPNV einzelner Städte, außerdem MyTaxi („Alexa, ruf mir ein Taxi mit mytaxi“). „Aufzug Info Berlin“ informiert auf Anfrage darüber, an welchen Stationen des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin die Aufzüge nicht funktionieren. Auch die Deutsche Bahn als überregionaler Anbieter ist dabei. Zulässige Fragen an den Bahn-Skill wären etwa: „Alexa, frage ‚Deutsche Bahn‘ nach einer Verbindung von Hamburg nach Köln morgen um 12 Uhr.“
In dieser Kategorie gibt es vor allem drei Arten von Skills: Die Mensa-Speisepläne (s. o.), Entscheidungshilfen (s.o.) sowie Rezeptsammlungen à la Chefkoch (s.o.).
Hier finden sich größtenteils Zahlengeneratoren („Alexa, frag ‚Zufällige Zahl‘ nach einer Zufallszahl“), aber auch Postleitzahlenfinder („Alexa frag, Postleitzahl Finder‘ nach 99425) sowie ein Skill für den jeweils aktuellen Gold- und Silberkurs: Alexa, frage ‚metall kurs‘ was ist der aktuelle Preis für fünf Kilo Silber“.
Hier finden sich neben diversen Skills mit Infos zu Bundesliga-Vereinen und deren nächsten Spielen („NächstesBorussenSpiel“) auch „Sky Sports“ und die altehrwürdige „Sportschau“. „binspeak Fußball Bundesliga“ und „toralarm“ informieren über die Bundesliga.
Alexa kann mit den passenden Skills die Programmzeitschrift ersetzen („Alexa, frage ‚Deutsches Fernsehprogramm‘ was gerade auf ZDF läuft“), aber auch beim Gang ins Kino unterstützen („Alexa, frage ‚Kino Bonn‘ nach einer Empfehlung für morgen Abend“). Auch eher speziellere Fragen kann man Alexa stellen – zum Beispiel als Star-Trek-Fan: „Neue Sternzeit“ hilft beim Logbuch schreiben: „Alexa, frage ‚Neue Sternzeit‘: Welche Sternzeit ist jetzt?"
Musik: Alexa funktioniert mit Skills einiger Radiosender (Antenne Bayern: „Alexa, spiele Alpensound von Antenne Bayern“, „Alexa, starte den Radioplayer und spiele RTL Radio“) und listet auf Anfrage die Musikcharts auf.
Die Kategorie Gesundheit und Fitness kann mit hilfreichen Skills aufwarten: Etwa dem „Verbandskasten“, den der Nutzer fragen kann, was etwa bei einem Herzinfarkt zu tun ist. Auch einen Skill für die Notdienste der Apotheken gibt es: „Apotheken Info“.
Im Bereich Wirtschaft und Finanzen findet man etwa Skills zu Wechselkursen („Alexa, frag ‚Wechsel Stube‘: Was ist der Wechselkurs von Pfund auf Yen?“, „Alexa, frage ‚BitTrade‘ nach dem Bitcoinkurs"). Die Kategorie Vernetztes Auto bietet einige Programme für Kennzeichensuche wie „Alexa frage Kennzeichen Deutschland nach Kennzeichen M“, aber auch den Skill „BMW Connected“, mit dem man über Alexa zum Beispiel das Auto verschließen kann (wenn es denn ein BMW ist): "Alexa, verriegele die Türen vom BMW".
Ein Klick - und alles gehört Facebook
Denn die Rechte zur Auswertung all dieser Daten räumen die allermeisten den Anbietern mit einem raschen Klick unter den allgemeinen Geschäftsbedingungen ein. Die sind zu lang, als dass sie jemand freiwillig lesen würde. Unser digitales Leben gehört damit immer mehr den Konzernen, wobei es viel Spielraum und noch mehr Grauzonen gibt. Das mussten gerade die Eltern eines Teenagers erfahren, die gerne nach dem ungeklärten Tod ihrer Tochter Zugang zu deren Facebook-Profil gehabt hätten. Sie wollten anhand der dortigen Chats wissen, ob die Tochter Selbstmordgedanken hegte oder ob es sich um einen tragischen Unfall handelte. Facebook sperrte sich, ein Gericht bat die Parteien nun, sich untereinander zu einigen. Ein hinterbliebenes analoges Tagebuch hätten die Eltern wohl ohne Gerichtsbeschluss gelesen.
Maren Biermann hat die Nutzungsbedingungen zu Alexa, drei mit sperrigen Begriffen befüllte Seiten, nicht gelesen. Auch nicht die mehr als doppelt so lange Datenschutzerklärung. Sie sagt, dass sie ihre Daten gerne abgibt, wenn sie etwas davon habe. Empfehlungen für den Onlineeinkauf. Tipps für einen guten Musiktitel. Trotzdem hat sie sich gewundert, als sie in der App gesehen hat, dass dort auch gespeichert wird, was sie Alexa wann befohlen hat. Wenn das möglich wäre, würde sie das ausschalten. Aussortieren will sie die Box deshalb nicht. „Ich mache ja nichts Verbotenes mit ihr“, sagt sie. „Außerdem bin ich die Einzige, die auf die App zugreift.“
Autos können gegen ihre Besitzer aussagen
Es gibt aber auch Haushalte, in denen mehrere Menschen auf die App zugreifen und sich so gegenseitig kontrollieren könnten. In einem Mordfall in den USA wurde Alexa von der Polizei bereits als Zeugin herangezogen. Genauso könnten eines Tages Autos gegen ihre Besitzer aussagen, zum Beispiel verraten, dass der Fahrer vor einem Unfall das Gaspedal extra stark durchgedrückt hat.
Klar, Alexas Mikrofone lassen sich taub schalten – was die Box aber nutzlos macht, denn dann nimmt sie keinerlei Aufträge mehr an. Biermann stöpselt sie nur aus, wenn sie die Steckdose braucht. Wenn sie bügelt, zum Beispiel. Auch sie hat sich gefragt, ob sie nicht zu viel von sich preisgibt. Allerdings erst im zweiten Moment. Zunächst einmal war da die Frage: Brauche ich das? Und schon die Antwort darauf, sagt sie, hätte sie eigentlich davon abhalten müssen, sich die Box zum Geburtstag zu wünschen. Getan hat sie dies aus Neugierde, weil es Spaß macht, aus Bequemlichkeit.
Sieht sich Netzkritiker Leberecht in seinem privaten Umfeld um, sieht er diverse Studien bestätigt: Junge Menschen, die mit dem Internet groß geworden sind, kennen sich besser als ihre Eltern mit den kniffligen Datenschutzeinstellungen aus. Sie wissen, dass sie ein intimes Foto eher auf Snapchat, wo es wieder verschwindet, posten sollten als auf Facebook. „Freiheit bedeutet für mich, nie auf nur eine digitale Identität reduziert zu werden. Wir alle sollten uns dafür einsetzen, dass wir mehrere, teils eben auch widersprüchliche Identitäten im Digitalen kultivieren können“, sagt Leberecht. Das mache „schließlich einen guten Teil unseres Menschseins aus“.
Diese Befreiung aus der selbst verschuldeten digitalen Unmündigkeit aber kollidiert mit den Ansprüchen der Webkonzerne. Deren Wettrüsten um den perfekten digitalen Sprachassistenten ist der Versuch, die Kunden nicht nur an sich zu binden, sondern sie regelrecht anzuketten. Die Logik dahinter: Alexa nach dem Wetter zu fragen, ein Taxi zu bestellen oder gleich den Einkauf für die nächste Woche, das ist bequemer, als all dies über Tastatur oder Touchscreen zu erledigen. Und die Echo-Box, wie sie etwa bei Biermann zwischen Kuckucksuhr und gerahmten Fotos von Freunden steht, ist nur der Anfang. Auf lange Sicht will Amazon Alexa zur zentralen Schnittstelle zwischen den Menschen und all den Geräten in ihrem immer vernetzteren Leben machen. Bald soll die Software auch in den Smartphones von Lenovo und Huawei stecken, in einigen Autos von Ford und in allen 4748 Zimmern der Türme des Starhoteliers Steve Wynn in Las Vegas. Und Amazon profitiert: Biermann etwa kann nicht mehr einfach ihre Musiksammlung abspielen, die sie bei dem Streamingdienst Deezer angelegt hat. Amazon bietet bislang nur den Zugriff auf den eigenen Dienst sowie auf den Deezer-Rivalen Spotify. Sie muss sich nun also eine neue Musiksammlung anlegen. Und dafür wieder etwas zahlen.
Resignierte Datenschützer
Amazon ist bei dieser totalen Umarmung seiner Kunden am weitesten, aber nicht allein. Gerade erst hat Apple seinen HomePod vorgestellt. Google und Microsoft haben ähnliche Produkte am Start. Die Konzerne werden das Wissen, das die Sprachassistenten aufsaugen, wohl mit dem zusammenführen, was sie auf anderen Wegen schon über ihre Kunden gelernt haben. Unter den als hochsensibel geltenden deutschen Datenschützern macht sich Resignation breit: Man könne kaum etwas machen, wenn die Verbraucher so sorglos ihre Rechte abtreten, sagt einer.
Die eigenen vier Wände als Rückzugsort beibehalten
Mit dem Einzug der digitalen Sprachassistenten in deutsche Wohnzimmer wurde erst die Tür für ein ganzes Arsenal von vernetzten Geräten aufgestoßen. Bis Ende dieses Jahres etwa sollen weltweit geschätzt über acht Milliarden Gadgets ans Internet angeschlossen sein. Tendenz steigend. Je mehr Daten die Echo-Box, die Zahnbürste mit Digitalanschluss oder die aus der Ferne gesteuerte Heizung erfassen, desto genauer lassen sich die Bedürfnisse, aber auch die schwachen Momente derer erahnen, die diese Geräte nutzen.
Dabei ist das eigene Zuhause kein Ort wie jeder andere. „Es gibt aus gutem Grund ein Recht darauf, die Tür hinter sich zuzuschlagen und allein zu sein“, sagt der Wissenschaftler Grafenstein. Nirgendwo sonst geben wir uns so unbeschwert, nirgendwo sonst sind wir so verletzlich. „Wenn die Menschen diesen Rückzugsort verlieren, dann verlieren sie ihre Freiheiten“, warnt der Jurist.
Damit die Sprachassistenten Auskunft geben können, müssen sie stetig mithören, was in ihrer Umgebung gesprochen wird. Sobald Biermann „Alexa“ sagt, überträgt die Box den dann folgenden Auftrag übers Internet an den Server von Amazon. Dieser versucht, den Inhalt zu entschlüsseln und eine Lösung zu finden. Dann schickt er die Antwort zurück an die Box in der Düsseldorfer Wohnung. Anschließend verfällt Alexa wieder in den Lauscher-Modus und wartet auf den nächsten Befehl. Genauso läuft es bei den Boxen, die Apple oder Google anbieten.
Was die Hersteller eint, ist die Hoffnung, dass ihnen die Kunden bei ihrem Vorstoß ins Innerste ihres Privatlebens voll vertrauen. Denn natürlich kann niemand nachprüfen, ob die Boxen tatsächlich nur das an die Server übermitteln, was nach dem Stichwort gesprochen wird. Zumal die Software im Gerät kontinuierlich auswertet, was im Raum so geredet wird, um den entscheidenden Befehl nicht zu verpassen.
Alles außerhalb des Auftrags, versichern alle Hersteller, werde nach wenigen Sekunden wieder vom Gerät gelöscht. Und selbst das Gesprochene, das an die Server übertragen wird, könne jeder anschließend wieder über sein eigenes Profil löschen, heißt es auf Nachfrage bei Amazon, Google und Microsoft. Ebenso betonen die Anbieter, dass sie die Daten sowohl bei der Übertragung als auch bei der Verarbeitung auf den eigenen Servern gut schützen. Jeder neue Hackerangriff und jede Affäre um allzu neugierige Geheimdienste lassen aber erahnen, wie begründet die Sorgen der Skeptiker sind.
Neulich hat Biermann mit Alexa eine ganz neue Erfahrung gemacht, erzählt sie. Alexa hatte irgendeine Antwort nicht parat. „Du bist echt dumm“, rutschte es Biermann raus. „Das ist aber nicht nett“, antwortete Alexa.
Und Biermann bat um Verzeihung.