Der Spion, den wir lieben Warum die Deutschen Google und Amazon ins Wohnzimmer lassen

Menschen trauen Konzernen nicht, geben den Sprachboxen von Amazon, Apple und Google aber immer mehr Daten. Weil sie nicht anders können.

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Alexa: Der Spion, den wir lieben. Quelle: Illustration: Daniel Stolle

Bereits wenn sie morgens wach wird, sucht Maren Biermann bei Alexa Rat. Am Wochenende, wenn sie noch etwas länger im Bett bleiben kann, fragt sie vom Schlafzimmer aus, wie das Wetter wird. Unter der Woche erkundigt sie sich auf dem Weg ins Badezimmer, wie lange sie ins Büro brauchen wird. Und sobald der Name Alexa durch die Wohnung hallt, leuchtet der obere Rand der schwarzen Box türkis-blau. Wenig später sagt Alexa, dass es warm wird. Oder dass sich der Verkehr in der Düsseldorfer Innenstadt staut.

Alexa ist eine virtuelle Mitbewohnerin, die der Technologiekonzern Amazon erschaffen hat, um seine Kundschaft enger an sich zu binden. Ein weiteres Gerät, dem Millionen Menschen ihre Gedanken, Gewohnheiten und Gefühle anvertrauen. Verbraucherschützer sehen mit ihr das Ende des Datenschutzes nahen. Maren Biermann, groß, sportlich, sieht in Alexa vor allem ein Spielzeug.

Die 32-Jährige ist damit nicht allein. Geschätzt über elf Millionen der Boxen, die Amazon auf den Namen Echo getauft hat, hat der Konzern weltweit verkauft. „Wir hatten noch kein Produkt, das in vergleichbarer Zeit auch nur annähernd so nachgefragt war wie die Echo-Boxen“, sagt ein Amazon-Verantwortlicher. Über 40 Prozent der Deutschen, so eine Repräsentativumfrage des Datendienstleisters Statista, finden solch einen sprachgesteuerten Assistenten attraktiv. Und das, obwohl die Meinungsforscher von Forsa bereits vor zwei Jahren feststellten: Nicht einmal jeder dritte Deutsche traut den Technologiekonzernen zu, sorgsam mit seinen Daten umzugehen. Handelskonzerne, Versicherungen und das Finanzamt rangierten in diesem Ranking deutlich weiter oben.

So funktioniert...

Ausgerechnet die Deutschen, die in zwei autoritären Regimes – in Nazi-Deutschland und in der DDR – totale Überwachung leidvoll erfahren haben, stellen sich das vollendete Werkzeug für den Lauschangriff freiwillig ins Wohnzimmer. Warum? Weil die Techkonzerne mit immer ausgefeilteren Strategien ihre Kunden zu Abhängigen machen. Und weil alles eine Frage der Psychologie ist.

Der sorglose Umgang mit Daten begann mit dem Googeln nach Informationen und mit dem Einkauf im Netz, der so viel einfacher war, als durch verstopfte Straßen und Supermärkte zu hetzen. Dann kamen die sozialen Netzwerke hinzu. Erst hinterließen die Menschen nur ein paar Stichworte, dann auch peinliche Fotos, sie posteten politische Meinungen und persönliche Bestleistungen bei der abendlichen Joggingrunde. Schließlich wurden die Smartphones zum Helfer in allen Lebenslagen – und wussten noch besser über ihre Besitzer Bescheid.

Was Sie schon immer einmal von Alexa wissen wollten…

Alles soll möglichst bequem sein

Das passierte, weil es lustig war oder nur praktisch. Und weil es ungefährlich wirkte. „Der konkrete Nutzen ist uns mehr wert als der hypothetische Nachteil“, sagt Maximilian von Grafenstein, der am Institut für Internet und Gesellschaft der Humboldt-Universität in Berlin ein Forschungsprojekt zum Datenschutz in der immer digitaleren Welt leitet. Mit jeder neuen App und jeder neuen Annehmlichkeit gaben die Menschen etwas mehr von ihrer Privatsphäre auf.

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