Langfristig wird sich DAB+ also durchsetzen. An hübschen, neuen DAB+-Geräten mangelt es jedenfalls nicht mehr. Mehr als zweihundert Tisch- und Kofferradios sind aktuell auf dem Markt präsent, dazu kommen rund drei Dutzend DAB+-Radiowecker. Nicht zu vergessen, die Hi-Fi-Stereoanlagen mit DAB+-Tuner. Fast alle Geräte bieten zusätzlich noch UKW-Empfang.
Die Hersteller beschränken sich aber nicht auf die bloßen Radiofunktionen. Viele Geräte verbinden sich via Bluetooth mit dem Smartphone oder Tablet, streamen Musik aus dem Multimedia-Heimnetzwerk oder holen via WLAN-Router Tausende von Webradiosendern ins Haus. Sogar der mit MP3-Musik betankte USB-Stick lässt sich anschließen. Diese oft tragbaren, kompakten Geräte entwickeln sich zu mobilen Soundzentralen und etablieren im Grunde eine neue Geräteklasse. So hat das kleine Küchenradio mehr Auswahl an Musikquellen und Sendern als Gewürze auf der Anrichte stehen. Wie man dieser Vielfalt neben dem Pasta kochen Herr wird, ist eine andere Frage.
Einen weiteren Kaufanreiz soll das extravagante Design vieler Modelle setzen. Hier locken einige Hersteller mit charmanter Retro-Optik, die an klassische Kofferradios aus den 60er- und 70er-Jahren erinnern. Gelungene Beispiele sind die Modelle von Roberts oder View Quest. Andere Hersteller wie Grundig zeichnen eher eine sachlich puristische Linie, mit viel Metall und blau schimmernden Displays.
Die Kardinalfrage: Wie gut klingt DAB+?
Doch lange Feature-Listen und Retro-Optik reichen natürlich nicht, um die Fans des analogen Radios zu überzeugen. Sie fragen vor allem nach der Klangqualität, etwa bei Live-Übertragungen von Konzerten. Infos über Bitraten und Codecs werden in Digitalradio auf dem Display angezeigt. Aber gerade Angaben wie "Bitrate 96 kBit/s" machen audiophile Hörer misstrauisch. Schließlich hat jeder Hi-Fi-Anhänger gelernt, dass komprimierte Musikdaten nicht so gut klingen wie unkomprimierte. Daher die Abneigung der Musikliebhaber gegenüber MP3. Und die vollmundigen Versprechungen der DAB+-Vertreter beziehen sich ja hauptsächlich auf Rauschfreiheit und störungsfreien Empfang.
Kann DAB+ also gut klingen?
Die Antwort ist gar nicht so einfach. Denn die neuen Komprimierungsverfahren für DAB+ sind äußerst effektiv und nicht mit dem betagten MP3-Algorithmus vergleichbar. Das verwendete "MPEG-4 High Efficiency Advanced Audio Coding" kurz HE-AAC (AAC+ v1) liefert bereits bei 96 kBit/s eine "sehr gute Audioqualität, die auch von Experten in Hörtests nur in Einzelfällen von uncodierten Signalen unterschieden werden können." Das zumindest behauptet das Münchner Institut für Rundfunktechnik (IRT).
Manchen überzeugt auch das nicht. Technisch versierte Hi-Fi-Fans stören sich nämlich an einem Codierungstrick, der "Spektralband-Replikation" (SBR). Stark vereinfacht ausgedrückt, spart man sich dabei die Übertragung höherer Frequenzen ab etwa 5 bis 10 kHz. Bei der Dekodierung des Musiksignals im Digitalradio werden die ausgesparten Frequenzen wieder aus den Hüllkurven der niedrigeren Frequenzen errechnet. Diese Berechnung klappt aber nur annähernd, da sie auf Annahmen basiert, die nicht unbedingt zutreffen müssen. Zwar hört das Ohr in diesem Bereich weniger kritisch, die Klangeinbußen sind also nicht dramatisch, aber ein Verlust an Klangqualität ist es eben doch.
Das ist aber nicht der einzige Trick, um Bandbreite auf Kosten des Klangs zu sparen. Es gibt auch die Möglichkeit, das Stereosignal nur in Mono zu übertragen und den Stereoeffekt später aus eingebetteten Zusatzdaten zu rekonstruieren – "parametrisches Stereo" genannt (PS).
Auf diese Weise liefern sparsame Bitraten um 64 kBit/s und weniger noch akzeptablen Radioklang. Pro Kanal können mehrere Programme stückchenweise in abwechselnden Paketen übertragen werden, das sogenannte Multiplexing. Bis zu acht und mehr Programme kann so ein Multiplex-Ensemble enthalten. Je geringer also die Datenrate umso mehr Programme. Das ist preisgünstiger und deshalb sogar für Privatsender interessant. Bislang scheuen viele Privatsender den zusätzlichen Einstieg in DAB+, der sich einfach noch nicht rechnet.