Drohnen für jedermann Fliegende Kameras erobern den Himmel

Spektakuläre Videos aus der Luft kann mit den neusten Drohnen mittlerweile jeder drehen. Fliegende Kameras werden erschwinglich und steuern sich sogar selbst.

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Die besten Multikopter aller Klassen
Parrot AR.Drone 2.0 Quelle: PR
Blade 180 QX HD Quelle: PR
Nine Eagles Galaxy Visitor Quelle: PR
Blade 350 QX2 AP Combo Quelle: PR
Parrot Bebop Drone Quelle: PR
Hubsan X4 Quelle: PR
Yuneec Q500 Typhoon Quelle: PR

Die gefühlte Freiheit ist grenzenlos, wenn Rolf Venz in den Wald stapft und seine Datenbrille aufsetzt. Dann lässt der 37-Jährige seinen Quadrokopter aufsteigen – und steuert den Modellflieger schnell wie einen Falken durchs Unterholz. Venz, Kfz-Meister aus Bexbach im Saarland, ist Vorreiter einer neuen Szene, die sich First-Person-View-Drone-Racer nennt. Die Hobbysportler treffen sich in Wäldern, Parkhäusern oder Büroetagen, um sich Rennen mit Drohnen zu liefern.

Mit ihren vier Propellern und jeder Menge Sensoren an Bord sind die Flieger viel wendiger, kompakter und schneller als herkömmliche Modellflugzeuge. Vor allem aber haben sie eine Kamera an Bord. Mit seiner Videobrille sieht Venz, was die Drohne filmt – und fühlt sich, als schösse er selbst mit bis zu 100 Kilometer pro Stunde durch die Luft, dicht vorbei an Baumkronen, Zäunen, Hausdächern. „Du musst dich hinsetzen“, sagt er, „sonst fällst du um.“

Ferngesteuerte Flugroboter, ähnlich wie Venz sie benutzt, flogen noch vor wenigen Jahren allenfalls über Kriegsgebiete, um Feinde auszuspähen. Doch plötzlich tauchen kleine, handliche Fluggeräte über Stadt, Land, Fluss auf – und sind zu einem der derzeit angesagtesten Technikspielzeuge geworden.

Es gibt sie inzwischen in jedem guten Elektronikmarkt, Einsteiger-Modelle kosten nur 70 Euro. Der Traum vom Fliegen wird für jedermann erschwinglich – zumindest durch den Blickwinkel der Bordkamera.

Und so erobern diesen Frühling Schwärme brandneuer Drohnenmodelle den Himmel über Deutschland. Gerade erst haben die beiden schärfsten Konkurrenten, DJI aus China und 3D Robotics aus den USA, High-Tech-Flieger der neuesten Generation vorgestellt, die hollywoodreife Luftaufnahmen schießen. Später im Jahr heben winzige Drohnen ab, die sich in der Handtasche überallhin transportieren lassen. Sie fliegen per Knopfdruck in die Höhe und filmen automatisch ein Selfie-Video oder knipsen Gruppenfotos.

Rechtliche Fragen zum Drohnen-Flug

Flugroboter-Start-ups wie 3D Robotics oder Ehang aus China haben im Jahr 2014 so viel Wagniskapital eingesammelt wie nie: 29 Investments über insgesamt 108 Millionen Dollar hat der Venture-Capital-Marktforscher CB Insights gezählt. Und für die Experten von Marketsandmarkets in den USA steht fest: Der weltweite Umsatz mit Hobbydrohnen wird steil steigen. Setzten die Hersteller 2014 gerade 15 Millionen Dollar um, sollen es im Jahr 2020 schon 1,3 Milliarden Dollar sein. „2015 wird das Jahr, in dem Drohnen den Massenmarkt erobern“, trommelt Martin Brandenburg, Marketingchef Europa bei DJI.

Filmen wie Steven Spielberg

Für Hobbyfilmer, Outdoorsportler und Weltenbummler bricht eine aufregende Zeit an. Mit neuen High-Tech-Kameradrohnen können sie die Erde aus der Perspektive der Vögel erkunden – und spektakuläre Videos drehen: Luftaufnahmen von malerischen Landschaften, Verfolgungsjagden bei Mountainbike-Touren, Kamerafahrten über die steilsten Klippen hinweg.

Derlei Drehs waren noch vor Kurzem Regisseuren mit dem Budget eines Steven Spielberg vorbehalten. Jetzt soll eine DJI-Drohne zum Preis von knapp 1400 Euro die gleichen Ergebnisse liefern: Phantom 3 Professional heißt der neue Quadrokopter des Herstellers aus China, der in jeden halbwegs geräumigen Rucksack passt. Er hat eine Videokamera an Bord, die in vierfacher High-Definition-Auflösung filmt – so scharf, dass kleinste Details am Boden noch erkennbar sind.

Live-streaming auf Youtube

Eine spezielle Aufhängung gleicht zumindest bei schwachem Wind Wackler aus. Die Kamera wirkt so, als gleite sie wie auf Schienen über die Landschaft.

Per Fernsteuerung lässt der Pilot die Drohne die gewünschten Manöver fliegen – bis zu zwei Kilometer weit reicht die Funkverbindung. Videobilder sendet sie live aufs Handy, das in der Fernbedienung steckt – und streamt sie auf Wunsch sogar live auf YouTube.

Im Jahr 2006 von dem chinesischen Ingenieur Frank Wang gegründet, hat sich DJI zu einem der agilsten und innovativsten Elektronikunternehmen in China entwickelt. 3000 Mitarbeiter arbeiten heute für den Hersteller, davon allein 600 in Forschung und Entwicklung.

Berichten zufolge verhandelt DJI mit Investoren aus dem Silicon Valley, die den Hersteller bei der nächsten Finanzierungsrunde mit bis zu zehn Milliarden Dollar bewerten könnten. Schon heute boomen im Internet Drohnenvideos, am häufigsten dürften künftig die Filme auf privaten Facebook-Seiten und virtuellen Fotoalben auftauchen, um exotische Urlaube oder die jüngste Gartenparty mit Freunden und Bekannten zu teilen. Denn nach dem Selfie-Stick für das Selbstporträt per Handy kommt im Juli die erste Selfie-Drohne für die Jackentasche in den Handel. Der Flieger namens Zano vom britischen Start-up Torquing wiegt nur 55 Gramm und ist so klein, dass er auf den Handteller passt. Sein Cockpit besteht aus einer Smartphone-App: Neigt der Besitzer das Handy nach links, rechts, vorne oder hinten, fliegt die Drohne in die entsprechende Richtung.

Boomerang am Arm

Sie ist nicht nur klein, sondern auch klug, denn sie orientiert sich mithilfe einer Reihe von Sensoren, darunter einem Gyroskop für die Lagebestimmung, einem GPS-Empfänger für die Orientierung und einem Barometer für die Höhenbestimmung. So kann sie präzise die Position halten – und wie ein künstlicher Kolibri auf der Stelle fliegen. Per Funk mit dem Smartphone verbunden, folgt der Winzling dem Nutzer auf Schritt und Tritt und hält dabei stets die gleiche Distanz. Mountainbiker etwa können so ihre Abfahrt an einem Berghang aus der Luft filmen.

Noch weiter geht die Erfindung des ehemaligen Stanford-Physikers Christoph Kohstall und der Ex-Google-Managerin Jelena Jovanovic: Die beiden Start-up-Gründer haben die Drohne Nixie entwickelt, die der Besitzer als Armband tragen kann. Auf Knopfdruck entfaltet es sich und teilt sich in vier Arme, an deren Enden sich kleine Propeller drehen. Computergesteuert surrt der Zwergflieger ein paar Meter in die Luft, filmt ein Selfie-Video – und kehrt wie ein Bumerang wieder zum Arm zurück. Der Prototyp sorgte im Januar auf der Technikmesse CES in Las Vegas für Furore. Einen Termin für den Verkaufsstart haben die Gründer noch nicht genannt.

Eine neue Generation der Roboter erobert die Fabrikhallen: Intelligente Maschinen, die Hand in Hand mit dem Menschen arbeiten und stetig dazulernen. Sie sind auch ein Schwerpunkt der diesjährigen Hannover Messe.

Der Trend aber ist absehbar: Hobbypiloten müssen sich bald nur noch aufs Filmen konzentrieren – das Fliegen übernehmen die Drohnen selbst. So analysiert die Phantom 3 von DJI stetig ihren Batteriestand und kehrt automatisch zum Startpunkt zurück, bevor ihr der Saft ausgeht. Um sich in Gebäuden, wo GPS-Signale nicht durchdringen, auf Position zu halten, filmt sie mit einer Kamera den Boden. Eine Software erkennt so, ob der Quadrokopter zur Seite driftet, und steuert dagegen.

"Wie eine Gondel einer Seilbahn"

Die Solo von 3D Robotics wiederum fliegt auf Handybefehl vorprogrammierte Manöver ab. So kann der Nutzer etwa den Start- und Zielpunkt und die gewünschte Flughöhe festlegen, die Drohne folgt der Strecke so präzise, als wäre sie eine Gondel einer Seilbahn. Im Orbit-Modus umkreist sie wie ein Satellit eine Stelle und nimmt eine perfekte Rundum-Ansicht auf.

Mit solchen intelligenten Funktionen und immer ausgefeilteren Sensoren wollen die Hersteller auch vermeiden, was Flugaufsichtsbehörden und besorgte Bürger fürchten: Drohnen könnten unkontrolliert vom Himmel stürzen und Unfälle auslösen. In Internet-Foren häufen sich Beiträge über Flieger, die sich plötzlich verselbstständigen. DJI hat seinen Drohnen inzwischen Flugverbotszonen einprogrammiert, damit sie etwa Flughäfen nicht zu nahe kommen.

Bebop liegt in der Luft

Aber auch die Sicherheitsbehörden rüsten auf. Sie sind alarmiert, seit Drohnen über französischen Atomkraftwerken kreisten, beim japanischen Premier auftauchten und Drogen in Gefängnisse schmuggelten; im Januar stürzte eine sogar auf dem Gelände des Weißen Hauses ab. Beim Boston-Marathon am 20. April galt erstmals ein Flugverbot. Ein Warnsystem des US-Start-ups Drone Shield überwachte den Luftraum mit Mikrofonen, die das Geräusch herannahender Flugroboter erkennen. Wäre einer nahe der Laufstrecke aufgetaucht, hätten 40 Polizeibeamte sofort eine Textnachricht auf ihr Handy erhalten.

Auch das Start-up Dedrone aus Lohfelden bei Kassel arbeitet an einem Warnsystem – und hat gerade 2,7 Millionen Euro Wagniskapital eingesammelt. Künftig sollen die Sensoren der Hessen Drohnen orten, die sich Fabriken, Gefängnissen oder Flughäfen nähern, und Alarm auslösen.

Drohne geht Gassi

Die Hersteller werkeln unterdessen längst an der nächsten Evolutionsstufe ihrer Flugroboter: Künftig sollen sie Hindernisse erkennen und ausweichen. Der Chiphersteller Intel und das Start-up Ascending Technologies aus Krailling bei München stellten auf der CES einen solchen smarten Flieger vor. Ausgestattet mit Intels neuer 3-D-Kamera RealSense, die Objekte im Raum erfassen kann, wich die Drohne auf der Bühne Menschen aus und durchflog einen Hindernis-Parcours, ohne anzuecken. Ein Video auf YouTube zeigt, wie sich die Drohne sogar in einem dichten Wald zurechtfindet. „Unsere Drohne kann fast alle Arten von Hindernissen erkennen“, sagt Matthias Beldzik, Marketingchef bei Ascending Technologies. „Nur stark glänzende und reflektierende Flächen bereiten noch Schwierigkeiten, etwa Fensterscheiben und Spiegel.“

Aber auch das Problem dürfte sich lösen lassen: Andere Hersteller testen Sonarortung und Infrarotsensoren, um Hindernisse aufzuspüren.

Vielleicht werden sogar Visionen wahr, die heute noch wie ein Aprilscherz klingen: Drohnen, die Hunde an der Leine ausführen – oder beim Joggen als Tempomacher vornewegfliegen. Das haben Forscher am Royal Melbourne Institute of Technology in Australien ausprobiert. Die Probanden, so das Fazit, fühlten sich durch ihre Flugbegleiter stark motiviert. Jetzt wollen die Forscher herausfinden, was die Sportler mehr antreibt: Drohnen, die ihnen vorwegfliegen – oder die hinter ihnen herjagen.

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