Und so habe ich in den vergangenen Monaten Scanner, Tablet-Rechner und Internet-Dienste ausprobiert und an regnerischen Wochenenden mein halbes Leben digitalisiert. Dabei habe ich nicht nur viel über die Bedeutung des Papiers für unsere Wissensgesellschaft gelernt. Ich konnte auch überraschende Einsichten in die Arbeitswelt der Zukunft gewinnen.
Viele Zitate, Essays und Gedanken aus der Zeit meines Selbstversuches liegen jetzt in Bits und Bytes zerhackt in meinem virtuellen Notizbuch Evernote. Das Programm hilft seinen Nutzern, Informationen online zu organisieren, es ist so etwas wie ein digitales Zweithirn. Evernote archiviert aber nicht nur Texte und PDF-Dateien. Ich kann darin sogar meine handschriftlichen Notizen nach Worten durchsuchen. Dafür gäbe es auch Alternativen. Google etwa hat Keep im Sortiment, ein Online-Notizbuch, und auch das deutsche Startup Keeeb hilft, Notizen im Netz zu sammeln. Aber Evernote macht die meisten in meinem Alltag anfallenden Dokumente durchsuchbar, und so wird der Dienst schnell zum Herzstück meiner papierlosen Recherchen.
Kurzer Test. Ich tippe in der Suchmaske von Evernote das Stichwort „papierlos“ ein. „92 Notizen gefunden“, meldet das Programm. Dutzende Texte, Fotos von alten Buchtiteln und Videos; alles Material, das ich in den vergangenen Monaten gesammelt habe, vieles davon zur jahrtausendealten Geschichte des Papiers.
Die Chinesen haben es etwa 100 Jahre vor Christi Geburt erfunden, bevor es einen langen Siegeszug erlebte. Erst 2000 Jahre später gibt es Anzeichen für ein Ende dieses Aufstiegs: In einem viel zitierten Artikel aus dem Jahr 1975 berichten Autoren der „Businessweek“ über die Idee des papierlosen Büros.
Hardware für ein papierloses Büro
Ohne Tablet-Rechner wäre ein papierloses Büro unrealistisch. Praktisch sind handliche Geräte der 7-Zoll-Klasse wie Apples iPad mini (ab 330 Euro). Etwas preiswerter sind Android-Geräte wie das Nexus 7 (ab 250 Euro) von Google oder Samsungs Galaxy Tab 7 (ab 240 Euro).
Erst der Eingabestift für Notizen und Skizzen macht ein Tablet wirklich zum Notizbuch. Die Modelle unterscheiden sich in Form und Typ der Schreibspitze. Am meisten hat mich der iStroke von Ozaki (15 Euro) überzeugt. Eine Alternative ist der Bamboo Stylus (22 Euro).
Auch wenn Nutzer selbst auf Papier verzichten: Ohne Scanner kommen sie kaum aus. Zu groß ist die Papierflut im Alltag. Gute Ergebnisse liefert Fujitsus Scansnap S1300i (270 Euro). Langsamer, aber kompakter ist der Doxie One (150 Euro). Er passt in jede Aktentasche und scannt auch ohne Verbindung zum PC.
Grundsätzlich sollten alle Inhalte auf einer externen Festplatte gesichert werden. Die CloudBox von Lacie (165 Euro) lässt ihre Nutzer sogar von Ferne via Smartphone auf die Daten zugreifen.
Der Computer alleine reicht nicht
Früher hätte ich den Text während meiner Recherche ausgedruckt, in eine rote Mappe geschoben und wichtige Stellen angestrichen. Wenn ich heute im Netz bemerkenswerte Artikel lese, klicke ich auf den grünen Evernote-Knopf in meinem Browser, schon liegt er in meinem digitalen Archiv. Auch dort kann ich Textteile farbig markieren oder an Kollegen weiterleiten. Den „Businessweek“-Text habe ich an vielen Stellen angestrichen
Ein Fernseher-ähnliches Gerät werde bald auf jedem Schreibtisch stehen und digitale Akten anzeigen, heißt es darin. Derlei Technik werde das papierlose Büro möglich machen. Doch die Experten von damals irrten. Der Computer allein reichte nicht.
Statt des papierlosen Büros kommen die Neunzigerjahre und das Internet. Die Menschen drucken und drucken und drucken. Feuilletonisten schreiben, dass die Welt ohne Papier nie funktionieren werde: Es lasse sich falten, in einen Umschlag stecken, bemalen und leicht sei es auch. Ein Wunderding. Nichts könne es ablösen.
Das hatte ich bis vor einigen Monaten auch gedacht. Mein Selbstversuch läuft allerdings besser als gedacht. Zeitschriften-Abos sind schnell auf iPad-Versionen umgestellt, Handyrechnungen und Kontoauszüge kommen elektronisch. Das Post-Papier-Zeitalter scheint näher zu sein, als wir denken, und das liegt auch daran, dass jetzt die meisten Techniken verfügbar sind, die wir für einen papierlosen Alltag brauchen.