Elf Stunden war Bernd Ritschel Anfang Oktober auf dem Oltroggeweg überm Tiroler Ötztal unterwegs – seine Kamera ständig im Anschlag. Was den Profifotografen durch die steilen Bergflanken in bis zu 3000 Meter Höhe trieb, war nicht Lust an herbstlichen Alpenpanoramen, sondern der Auftrag eines Kunden: Für den lokalen Tourismusverband sollte der 50-jährige Bayer eine Bilderserie übers hochalpine Bergwandern und Bergsteigen schießen.
„Mit den üblichen Profikameras wäre die Zwölf-Kilometer-Tour ein echter Kraftakt geworden“, sagt Ritschel, der statt zur klassischen Spiegelreflex zur handlichen Fujifilm X-T1 griff. „Die liefert selbst für Werbeposter eine vergleichbare Qualität wie eine Große – und ist nicht mal halb so schwer.“
Klein, aber fein, dieser Trend erfasst nicht nur Profis. Auch Amateure begeistern sich für die Kombi aus erstklassiger Bildqualität und handlichem Kameraformat. Sie sind der mitunter lausigen Ergebnisse klassischer Kompakter überdrüssig – und haben zugleich keine Lust, sich bei kreativen Fototouren die Schulter an klobigen Spiegelreflex-Boliden zu verheben.
Immer mehr Kunden wollen Edel-Kompakte
„Deshalb greifen immer mehr Fotofreunde zu einer neuen Produktgattung, für die weder Handel noch Hersteller bisher einen griffigen Namen gefunden haben: Sie sprechen von Edel-Kompakten, Kreativkameras oder schlicht von der neuen Ein-Zoll-Klasse. Sie ist benannt nach ihren Fotosensoren, deren lichtempfindliche Fläche der der alten Ein-Zoll-Videobildröhren entspricht. Vor allem aber ist die Sensorfläche vier- bis fünfmal größer als die der bisher üblicherweise in Kompaktknipsen verbauten Bildchips (siehe Grafik).
Ob Canon, Nikon oder Sony – fast jeder wichtige Hersteller startet in diesen Tagen mit einer entsprechenden Kamera ins umsatzstarke Weihnachtsquartal. Und fast alle neuen Modelle vereint – neben den deutlich empfindlicheren Sensoren und der kompakten Bauform –, dass sie in der Regel mit wesentlich lichtstärkeren Objektiven ausgerüstet sind.
Weil sich zudem von der Blende übers Scharfstellen bis zur Belichtungszeit sämtliche Einstellungen auch per Hand steuern lassen, eröffnen die Kameras alle Möglichkeiten kreativer Bildgestaltung.
Die neue High-End-Kompaktklasse ist ein Lichtblick für die von sinkenden Umsatz- und Stückzahlen gebeutelte Fotobranche: Denn während der Boom der Smartphones das Geschäft mit traditionellen Kompaktkameras hat kollabieren lassen und die Nachfrage nach Spiegelreflexkameras sinkt, entpuppen sich die Edel-Kompakten als neuer Wachstumsmarkt.
Online-Anbieter für Bildspeicher
Für Thorben Hess war es der GAU, als die Festplatte seines PCs im Frühsommer plötzlich den Geist aufgab. Denn auf der hatte der zweifache Vater aus Mühlheim alle Familienfotos archiviert. „Plötzlich verschwanden alle Erinnerungen im digitalen Nirvana“, sagt der 45-Jährige, der am Ende mehrere Hundert Euro für die Datenrettung zahlte, um zumindest einen Teil der Aufnahmen wiederherzustellen.
Seither sichert er die Bilder in seinem Online-Album bei der Yahoo-Tochter Flickr. So wie er machen das schon Millionen Fotofans weltweit. Teils laden sie die Bilder – direkt nach der Aufnahme vom Kamerahandy – in reine Datenspeicher wie Dropbox. Teils überspielen sie die Fotos vom PC in Web-Alben, die sie per Mausklick für Freunde oder Verwandte freigeben können. Mancher Anbieter ermöglicht sogar einfache Bildbearbeitungen wie Rote-Augen-Korrekturen oder Helligkeitsausgleich direkt übers Netz.
Gemein ist fast allen Angeboten, dass das Basispaket gratis ist – aber im Speichervolumen auf 2 bis 15 Gigabyte limitiert. Das reicht für Gelegenheitsfotografen. Wer aber das komplette Bildarchiv im Netz sichern will, womöglich gar Fotos im unkomprimierten RAW-Format, muss zukaufen. Je nach Anbieter kostet das monatlich zwei bis zehn Euro extra für 100 Gigabyte (siehe Tabelle).
Und das sind nicht die einzigen Kosten, die der Speicher im Netz verursacht: Weil der Upload aller Bilder seinen bisherigen DSL-Anschluss wochenlang blockiert hätte, hat Fotograf Hess auch das Tempo seines Internet-Zugangs vervierfacht – für zehn Euro mehr im Monat. Die Sicherheit seiner Familienbilder war ihm das wert.
Immer mehr Internet-Anbieter und Kamerahersteller stellen Fotofans Bilder-Speicher und Online-Alben im Netz bereit. Die Funktionen der Dienste reichen vom puren Fotoarchiv in der Wolke über Bilder-Communitys bis zu einfachen Programmen, mit denen
sich Fotos im Browser optimieren und kleinere Bildfehler beheben lassen.
Speicher | Kosten pro Monat | Speichervolumen | Beschreibung des Angebots |
Dropbox Basic | 0,00 € | 2 GB | Speicher mit Ordnerfreigabe |
Dropbox Pro | 9,99 € | 1000 GB | |
Starto HiDrive Media 20 | 1,49 € | 20 GB | Speicher mit Ordnerfreigabe |
Starto HiDrive Media 100 | 4,90 € | 100 GB | |
Web.de Fotoalbum | 0,00 € | 2-10 GB | Fotoarchiv mit Albumfreigabe |
Web.de Club | 4,99 € | 100 GB |
Community | Kosten pro Monat | Speichervolumen | Beschreibung des Angebots |
Adobe Revel | 0,00 € | 2 GB, 50 Bilder pro Monat | Fotoarchiv mit Albumfreigabe und einfacher Bildbearbeitung |
Adobe Revel Premium | 5,49 € | unbegrenzt | Kein Upload-Limit |
Canon Irista Basis | 0,00 € | 10 GB | Fotoarchiv mit Facebook- und Flickr-Import sowie Bilderfilter |
Canon Irista Value | 4,99 € | 50 GB | |
Fujifilm X World | 0,00 € | 5 GB | Fotoarchiv mit Diskussionsforum |
Yahoo Flickr | 0,00 € | 1000 GB | Globale Plattform mit Millionen-Nutzern |
Angebot | Kosten pro Monat | Speichervolumen | Beschreibung des Angebots |
Apple Photos + iCloud | 0,00 € | 5 GB | Fotoverwaltung und -bearbeitung für Mac, Online-Fotoarchiv mit Albumfreigabe |
Apple iCloud Erweiterung | 0,99 € | 20 GB | |
Google Picasa + Webalben | 0,00 € | 1 GB | Fotoverwaltung und -bearbeitung für PC und Mac, Online-Fotoarchiv mit Albumfreigabe |
Google Drive Erweiterung | 1,99 € | 100 GB | |
Microsoft Fotogalerie + Onedrive | 0,00 € | 15 GB | Fotoverwaltung und -bearbeitung für PC, Online-Fotoarchiv mit Albumfreigabe |
Microsoft Onedrive Erweiterung | 1,99 € | 100 GB |
Trotz ihrer, verglichen mit klassischen Kompakten, merklich höheren Preise von 500 bis 1000 Euro zieht deren Absatz an (siehe Grafiken). Und das, obwohl so mancher Händler fürs gleiche Geld auch respektable Spiegelreflexmodelle offeriert.
„Die Käufer sind inzwischen offenbar bereit, auch bei Kompaktkameras für langlebigere und höherwertige Modelle tiefer in die Tasche zu greifen“, freut sich Sun Hong Lim, Kamera-Vertriebschef beim koreanischen Elektronikriesen Samsung. „Die Verkaufszahlen der edlen Kompakten haben im Vergleich zum Vorjahr um rund die Hälfte zugelegt.“
Höhere Preise kaschieren niedrigere Verkaufszahlen
Der Trend schlägt sich auch deutlich im Durchschnittspreis aller verkauften Kameras nieder. Allein in den vergangenen fünf Jahren stieg der um rund ein Drittel auf heute knapp 280 Euro. Dadurch sind die Folgen des Strukturwandels in der Branche weniger dramatisch, als es zunächst scheint: So kauften die Deutschen 2013 zwar gut 13 Prozent weniger Kameras als im Vorjahr, doch der Branchenumsatz fiel nur um fünf Prozent.
Weil die Marge der teureren Kameras meist deutlich größer ist als bei den Billigmodellen für den Grabbeltisch im Elektronikmarkt, steigt bei vielen Herstellern sogar die Profitabilität. „Manchem Manager kommt die Entwicklung also durchaus gelegen“, sagt Ralf Spoerer, mit Ralfs-Foto-Bude.de einer der bekanntesten deutschen Fotoblogger.
Junge Leute entdecken die Liebe zum Bild
Vor allem aber belegt die neue Produktklasse, dass der Boom der Smartphones nicht zwangsläufig das Ende traditionellen Kamerabaus bedeuten muss. „In meine Workshops kommen zunehmend junge Leute, die übers Handy ihre Liebe zum Bild entdeckt haben und die sich jetzt fürs kreative Fotografieren wie etwa das Spiel mit der Tiefenschärfe begeistern“, sagt Profifotograf Ritschel.
Auch darum kritisiert er scharf, wie die Produktstrategen der traditionellen Fotoriesen bisher auf die Handykonkurrenz reagierten: „Die Antwort war eine Flut neuer Kompakter im Halbjahrestakt, mit immer neuen Pixelrekorden statt einem klaren Fokus auf die Bildqualität“, moniert Ritschel. Jetzt aber mache sich in der Industrie endlich die Erkenntnis breit, dass sich Fotoapparate nur durch Qualität und kreative Aufnahmemöglichkeiten von den Smartphones absetzen können, so der Fotoprofi. „Das braucht auch deutlich größere Bildsensoren, als die auf schlanke Baugröße getrimmten Handys sie bieten können.“
Inzwischen sehen das auch prominente Vertreter der traditionellen Fotowelt so. „Erst hat die Branche Smartphones als Konkurrenz ignoriert und dann zu lange als Gegner betrachtet“, sagt etwa Canons Europachef, der Niederländer Rokus van Iperen. „Ein Irrtum, liefert uns die Handyfotografie doch gerade die Kunden, die morgen unsere Kameras und Serviceangebote nutzen sollen.“
Technik ist nur noch Mittel zum Zweck
Nur, wie erreichen die Hersteller die neuen potenziellen Käufer? Sicher nicht mit den Konzepten traditionellen Fotomarketings: „Leuten, die via Handy bisher vor allem Gebrauchsfotos fürs schnelle Teilen in sozialen Netzen geschossen haben, die begeisterst du nicht mit Regalen und Messeständen voller Riesenobjektive“, sagt Fotoblogger Spoerer.
Auch für Canon-Europachef van Iperen ist klar: „Die neue Generation der kreativen Fotografen begeistert sich nicht mehr für Technik um ihrer selbst willen. Sie ist ihnen nur Mittel zum Zweck, Emotionen aufs Bild zu bannen.“
Entsprechend radikal bauten die Japaner gerade erst auf der Photokina in Köln, der Leitmesse der Branche, ihren Auftritt um: Statt der üblichen Neuheitenflut zeigten sie dieses Jahr als Ankerprodukte nur eine neue Spiegelreflexkamera – und mit der Powershot G7 X einen Neuling aus der aufstrebenden Ein-Zoll-Klasse. Was die etwa in fast völliger Dunkelheit noch ohne Blitz an Details auf den Fotosensor bannt, konnten die Messebesucher anhand von Dioramenszenen in nahezu unbeleuchteten Testräumen am Rand des Standes gleich selbst ausprobieren.
Kameras an ihren Grenzen
Gerade bei solchen Szenen, etwa Aufnahmen in der späten Dämmerung, am Grillfeuer oder auch bei Feiern in Räumen, geraten selbst die besten Smartphones an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Bilder ohne Blitz werden verrauscht oder verwackelt. Durch die Mikrolinsen fällt schlicht nicht genug Licht auf deren winzige Fotosensoren, um ein klares, farbstarkes Bild zu erzeugen. Und wer den Aufheller dazuschaltet, sieht nach der Aufnahme allzu oft in kalkweiß-überblitzte Gesichter.
Und weil die bei herkömmlichen Kompaktkameras der Einstiegs- und Mittelklasse eingesetzten Sensoren ebenfalls nicht viel größer sind als ein halber kleiner Fingernagel, ist auch da kaum mehr Bildqualität zu holen – und der Qualitätsunterschied zu Handys kaum mehr erkennbar.
„Die Industrie war zu lange nicht wirklich innovativ“, sagt Haruo Ogawa, Chef der Kamerasparte bei Olympus. Seine Antwort ist, „große Qualität klein zu machen. Kompaktere Bauformen, weniger Gewicht, das kommt bei den Kunden an.“ Ogawa wagte mit seinen Pen- und OM-D-Systemkameras und deren noch oberhalb des neuen Ein-Zoll-Formats angesiedelten Fotochips vor gut vier Jahren erste Schritte ins Segment handlicher Qualitätskameras.
Inzwischen haben Fotofans mit Hang zur Kreativität die Wahl zwischen zahlreichen kompakten Kamerakonzepten.
Von der Kamera sofort ins Internet
Wie etwa Samsungs extrem flache NX mini. Sie paart einen großen Bildsensor mit (zumindest für Fotopuristen) gewöhnungsbedürftigen Gehäusefarben wie Mintgrün, Zartrosa oder Schokobraun sowie einem nach vorne klappbaren Display. Selfie-Fotografie auf höchstem Niveau sozusagen. „Mehr Qualität, pfiffige Optik, das“, glaubt Samsung-Manager Lim, „spricht speziell Frauen an, die sich nicht für lange Ausstattungslisten begeistern, sondern gute Bilder machen wollen und Wert auf Lifestyle legen.“
Zugleich adaptiert die Kamerabranche einen Bildertrend aus der Smartphone-Welt: eine Art soziale Gebrauchsfotografie. Schnappschüsse aus dem Handy, die der Nutzer umgehend via Mobilfunk in sozialen Online-Welten veröffentlicht – von Facebook bis Pinterest.
Daher ermöglichen die Kamerahersteller inzwischen auch ihren Einzöllern den Zugang ins Netz. Module für den schnurlosen Computerfunk WLAN sind Standard. Mithilfe des Kurzstreckenfunks NFC – etwa in Canons G7 X, der Fujifilm X30 oder Sonys RX 100 – lassen sich die Kameras sogar durch bloßes Berühren mit Handys koppeln. Die dienen dann als Funkbrücke zu sozialen Netzwerken, als Megadisplay für die schnelle Bildkontrolle, als Fernauslöser für die Kamera – oder auch zum direkten Upload der Aufnahmen in Fotoportale und Cloud-Speicher im Internet. Denn der Bildertausch übers Netz, die Diskussion in Online-Communities, aber auch die Sicherung der Aufnahmen gegen Datenverluste sind kein Privileg mehr von Smartphone-Fotografen, deren Telefone jede Aufnahme auf Wunsch gleich im Hintergrund im Internet archivieren.
Im Gegenteil, die Hersteller treten mit eigenen Netzdiensten in direkte Konkurrenz zu Online-Angeboten wie Flickr oder Dropbox (siehe Kasten Seite 90). Canon etwa startete sein Irista-Portal – eine Mischung aus Fotoarchiv und Diskussionsplattform – im Frühsommer, auch um „die neue Fotografengeneration da zu erreichen, wo sie aktiv ist – im Netz, in Communities und über Apps“, so Europachef van Iperen. Und folglich findet sich nun in der G7 X die Option, neue Bilder via Handy in die Irista-Sammlung zu laden.
Hybride zwischen Kamera und Smartphone
Sogar noch etwas konsequenter verknüpft Panasonics Neuling, die Lumix CM1 die Bilder- und Online-Welten. Denn im Grunde ist der Fotohybride eine Ein-Zoll-Kamera mit integriertem Smartphone, eine Edel-Kompakte mit direktem Netzzugang. Denn trotz der augenfälligen Verwandtschaft zum Handy ermöglicht es auch die Lumix dem Fotografen, alle Kamerafunktionen manuell zu steuern.
Nur beim Leica-Elmarit-Objektiv muss der Käufer Abstriche machen: Das ist zwar mit Blende 2,8 sehr lichtstark, hat aber eine 28-Millimeter-Festbrennweite. Statt eines optischen gibt es nur einen Digitalzoom. Das ist durch den zwangsläufigen Auflösungsverlust beim Zoomen, gemessen am Qualitätsanspruch der Kamera, nicht mehr als ein Kompromiss.
Wegbereiter des Ein-Zoll-Segments war 2011 Nikon mit den ersten Modellen seiner 1er-Serie, Systemkameras mit Wechselobjektiven und wegen der kompakten Bauform extrem schneller Bildfolge von bis zu 60 Aufnahmen pro Sekunde.
"Die Leute sind den Plastikkram leid"
Wegen der zugleich aber – gemessen an Spiegelreflexkameras – merklich leistungsschwächeren Bildchips gab es von Testern und Fotoprofis zunächst Kritik an Rausch- und Schärfewerten der ersten Modelle.
„Dabei hatten wir sie ja im Grunde nicht als Spiegelreflex-Ersatz konzipiert, sondern als ,die bessere Kompakte‘, und das kam beim Kunden an“, sagt Nikons deutscher Chef fürs Handelsmarketing, Wolfgang Göddertz. Binnen weniger Wochen schossen die Neulinge an die Spitze der Verkaufs-Charts bei Systemkameras. Und sie wurde zur Blaupause für die neue Generation der Qualitäts-Kompakten.
Zu denen zählt inzwischen auch Nikons neues – trotz Wechseloptik –, wasserdichtes Modell AW1. Das übersteht Tauchtiefen bis 15 Meter schadlos und ist mit Weitwinkelobjektiv nicht viel größer als eine Packung Long-Size-Zigaretten.
„Die Leute sind den Plastikkram leid“, sagt Fotograf Ritschel. „Wer sich fürs Fotografieren begeistert, will wieder Wertigkeit, erfreut sich an Haptik und will auch aktiv in die Bildgestaltung eingreifen“, erklärt der Experte den Trend zu stabilen Metallkomponenten in Rahmen und Gehäusen der Edelklasse, zu mehrheitlich traditionellem Kameradesign und zu klassischen Stellrädern für die wichtigsten Bildeinstellungen.
Kreativfunktionen bleiben Mangelware
Blendensteuerung, Zeitvorwahl, Belichtungskorrektur, all das sind Funktionen, die Fotografen mit Faible fürs Kreative bei Smartphones zumeist vergeblich suchen. Wer gerne mit dem Fokus arbeitet, mit Unschärfen in Vorder- und Hintergrund oder Wischeffekten beim Mitziehen sich schnell bewegender Objekte, der muss nach Alternativen suchen. Selbst die jüngste Generation von Foto-Fonen, mit hohem Aufwand auf die Simulation von Tiefenschärfeeffekten getrimmt, schafft das eher schlecht als recht.
Das ist nicht Unvermögen der Entwickler, sondern schlichte Physik. Die erschwert es ihnen schon bei einfachen Kompaktkameras massiv, Kreativfunktionen zu integrieren. Die Designer der Handys haben’s noch schwerer. Denn für gute, lichtstarke und möglichst scharfe Aufnahmen gilt der alte Entwicklerspruch: Am Ende zählt nur die Größe – mehr Raum für Linsen und Sensor. Und zwar in gleich mehrfacher Hinsicht:
Bildchip Je größer die Pixel genannten helligkeits- und farbempfindlichen Punkte auf dem Bildchip sind, desto mehr Licht können sie aufnehmen, und desto eher liefert die Kamera auch ohne Blitz und Stativ scharfe, rauscharme Bilder.
Dummerweise hat die Jagd nach Auflösungsrekorden bei Kompaktkameras dazu geführt, dass die Pixel der einfacheren Kameras immer winziger wurden – und damit lichtschwächer.
Blende Es ist immer wieder überraschend, welch Objektivrüssel beim Einschalten aus mancher Westentaschenknipse herausfährt. Die Entwickler wollen mit dem langen optischen Rohr einen möglichst großen Zoombereich abdecken, vom starken Weitwinkel bis zum großen Tele. Doch das geht wieder zulasten der Lichtstärke. Denn zum einen schlucken die einfachen Linsensysteme viel Helligkeit. Zum anderen dringt durch die winzigen Öffnungen kaum noch Licht.
Damit kommt so manche Kompakte im Weitwinkelbereich auf maximal Blende 3,6, mitunter gar nur auf Blende 4,0. Und versucht sich der Fotograf an einer Tele-Aufnahme, halbiert oder drittelt sich die Lichtstärke oft genug. Edel-Kompakte wie Canons G7 X oder Sonys RX 100 III sind dagegen mit Einstiegsblende 1,8 doppelt so lichtstark.
Die Folge: Romantische Aufnahmen in der Dämmerung oder bei Kerzenschein sind nicht mehr grässlich verrauscht oder hoffnungslos überblitzt, sondern landen knackscharf und emotionsstark im Kameraspeicher.
Beugung Bei einfacheren Kompaktkameras und Smartphones müssen die Lichtstrahlen auf ihrem Weg durchs Objektiv eine oft nicht einmal streichholzkopfgroße Blende passieren. Dabei werden sie durch die kleine Öffnung so zusammengestaucht, dass es zu einem gefürchteten physikalischen Effekt kommt: der Beugung. Die Strahlen produzieren nicht mehr sauber einen Bildpunkt neben dem anderen. Sie fallen stattdessen teils auf mehrere angrenzende Pixel und sorgen so für die ungeliebte Unschärfe.
Völlig vermeiden lässt sich der Effekt nie. Aber auch hier gilt, je größer Objektiv und Bildsensor sind, desto besser. Ein Plus mehr für die Edel-Kompakten.
Und noch etwas spricht für die Abkehr von den Billigknipsen: „Die Lebenszyklen der Modelle werden wieder merklich länger, der Gerätekauf wieder eine Investition von Dauer“, verspricht Yoshiyuki Nogami, der bei Sony das weltweite Marketing der Fotosparte verantwortet.
Für Bilderprofi Ritschel ist es auch eine Rückbesinnung auf alte Werte: „Die Kameras sind heute so gut, die kannst du wieder an deine Kinder vererben.“