Gadgets Das Smartphone bekommt menschliche Sinne

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Sehen: Macht das dick?

Nichts passt, stundenlang haben wir am Ikea-Schrank rumgebastelt und die Türen schließen immer noch nicht. Künftig filmen wir mit unserem Smartphone einfach die Möbelruine, und eine App zeigt uns an, welches Teil wir als Nächstes an welcher Stelle festschrauben müssen.

Längst ist die Handykamera mehr als bloß Knipse für Schnappschüsse. Ausgefeilte Bildanalyse macht das Telefon zur optischen Suchmaschine, die Dinge aller Art erkennt. Die App Inspo etwa verrät, wo es die schicken Schuhe des Nachbarn zu kaufen gibt.

Geräte wie Samsungs Galaxy S4 merken heute schon, ob wir auf das Display schauen – und stoppen ein YouTube-Video, wenn wir weggucken. Und Sonys Modelle der Xperia-Z-Serie entsperren sich, wenn sie unser Gesicht erkennen.

Das ist nur der Anfang. Bald werden Handys Dinge im Raum schneller und zuverlässiger identifizieren als der Mensch. Möglich machen es schlaue Rechenformeln, die Bilder interpretieren. Gerade haben Microsoft-Forscher eine solche Fotoformel vorgestellt, die sogar nah verwandte Hunderassen unterscheiden kann.

Bald wird das Smartphone zum hilfreichen Berater, der – fast – alles weiß. Wie viele Kalorien sind in meinem Mittagessen? Ist der schwarze Fleck auf meinem Arm Hautkrebs? Kann ich die Beeren dort am Strauch essen, oder sind sie giftig?

Erhalten die Telefone ein zweites Auge, können sie die Welt räumlich, in ihrer vollen Tiefe erfassen. Dank Stereokamera erkennt etwa das HTC One M8 schon Distanzen und nutzt die Information für kreative Bildeffekte. Google arbeitet an einem Handy, das Zimmer scannt und uns mithilfe von Gebäudeplänen aus der Cloud durch Shoppingmalls navigiert – bis hin zum Regal, in dem die online gesuchte Handtasche liegt. Später soll ein Schwenk mit dem 3-D-Handy genügen, um vor dem Möbelkauf binnen Sekunden ganze Zimmer zu vermessen.

Und wenn uns eine Tasse kaputt geht, scannen wir ein heiles Exemplar per Handykamera ein – und drucken uns auf dem 3-D-Printer eine neue.

Hören: Wie bin ich drauf?

Klar, Sprache aufnehmen und übertragen, die Tele-Fonie, sind die Urfunktionen eines jeden Handys. Aber was Hersteller und Softwareentwickler mittlerweile mit den aufgezeichneten Schallwellen anstellen, hat damit nicht mehr viel zu tun. Soll das Taschentelefon tatsächlich zum digitalen Agenten mutieren, muss es verstehen, was sein Besitzer sagt – und das gelingt inzwischen in vielen Fällen Apples Handyassistenten Siri ebenso wie Google Now, Microsofts Dienst Cortana und auch dem Blackberry Assistant beeindruckend gut.

Möglich macht das ein Zusammenspiel aus Telefon und hochgezüchteter Software in den Rechenzentren der jeweiligen Anbieter. Denn das Telefon selbst versteht allenfalls einzelne Schlüsselwörter, etwa einen Weckauftrag, und erledigt den Befehl direkt. Sein eigentlicher Job ist es, die Sprache in möglichst hoher Qualität aufzuzeichnen. Im aktuellen iPhone etwa helfen drei Mikrofone, Gesprochenes von Umgebungsgeräuschen zu trennen.

„Computer erkennen inzwischen fast jedes gesprochene Wort“, sagt Reimund Schmald, Business Development Manager beim Aachener Spracherkennungsspezialisten Nuance Communications. „Nun bringen wir ihnen bei, auch den Sinn zu begreifen, und kaufen dazu ganze Wissensdatenbanken auf.“ So lernt die Software, dass Popgröße Rihanna Songs wie „Four Five Seconds“ singt – und das Musikprogramm spielt den Titel auf Zuruf ab.

Damit nicht genug: Forscher schärfen den Hörsinn der Smartphones noch weiter, damit sie auch Ultraschall wahrnehmen – so wie Fledermäuse. Die Geräte können dann mithilfe der für Menschen unhörbaren Schallwellen Hindernisse erkennen und so etwa Sehbehinderten bei der Orientierung helfen. Oder Gesten des Handybesitzers entschlüsseln. Oder mittels einer externen Sonde Fische im Wasser aufspüren – damit der Fischer weiß, wo er am besten seine Angel im Fluss auswerfen soll.

Und fangen wir allzu lange nichts, erkennt die App Moodies des israelischen Start-ups Beyond Verbal an Tonhöhe, Lautstärke und Tempo unserer Worte, wie sehr wir darüber traurig sind. Dann könnte das Handy demnächst sogar Freunde via Facebook animieren, uns aufzumuntern.

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