Hyperloop Deutsche Studenten basteln am Schnellzug mit

US-Firmen treiben Elon Musks Vision vom Superschnellzug Hyperloop voran. Zahlreiche deutsche Konzerne sind beteiligt – darunter auch zwei Münchner Studenten. Aus ihrer Idee wurde ein Großprojekt.

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Wie funktioniert der Turbozug?

Die Idee klingt tollkühn: Mit annähernd Schallgeschwindigkeit jagt eine Kapsel, besetzt mit knapp 30 Menschen, durch eine Röhre von Los Angeles nach San Francisco. Mit bis zu 1220 Kilometern pro Stunde, so die Vision von US-Milliardär und SpaceX-Chef Elon Musk, soll das Gefährt Passagiere künftig zwischen den kalifornischen Metropolen transportieren.

Doch außer Skizzen, wie aus Science-Fiction-Büchern, gab es bislang kaum Konkretes. Dafür Kritik von Spöttern, die Musk wegen seiner Rohrpost für Menschen für gänzlich übergeschnappt halten.

Dass der Plan – im Gegenteil – durchaus realisierbar ist, will ein deutsches Studententeam um Teamleiterin Mariana Avezum, 26 und Informatikstudentin, sowie den technischen Leiter und Luft- und Raumfahrttechnikstudenten Johannes Gutsmiedl, 23, beweisen: In einer Hightechwerkstatt nahe der Technischen Universität in München baut die 37 Köpfe starke Truppe eine der ersten voll funktionsfähigen Kapseln.

Wer Teststrecken für den Hyperloop baut

Sie sind der zentrale Bestandteil dieses neuartigen, Hyperloop genannten Transportsystems, das die Passagiere mittels Magnetschwebetechnik durch eine fast luftleere Röhre schießen soll. Multiunternehmer Musk, der auch die Elektroautoschmiede Tesla gegründet hat, stellte die Idee im Sommer 2013 der Öffentlichkeit vor und positionierte den Hyperloop als fünftes Transportmittel nach Flugzeug, Bahn, Auto und Schiff: eine Technik mit dem Potenzial, die Mobilität komplett umzukrempeln, denn Hochgeschwindigkeitszüge würden überflüssig, fliegen lohnte nur noch auf der Langstrecke. Rund sechs Milliarden Dollar Baukosten kalkuliert Musk für die Rohrpost zwischen den kalifornischen Großstädten.

Münchner Team als einzige Deutsche

Diese Distanz, wie die von Düsseldorf nach München, soll der Hyperloop in rund 30 Minuten schaffen. Wohnen am Rhein, arbeiten an der Isar? Kein Problem.

Selbst bauen will Musk die auf Stelzen stehende Röhre aber nicht. Er hat einen weltweiten Studentenwettbewerb ins Leben gerufen. Wohl noch im August werden die besten 30 aus anfangs rund 700 Bewerbergruppen ihre Hyperloop-Kapseln mit Dummies an Bord in Los Angeles testen können – darunter als einzige Deutsche das Münchner Team.

"Eine Mischung aus Concorde, Schienenkanone und Airhockey-Tisch" hatte Elon Musk sich gewünscht. In der Wüste von Nevada testet das Start-up Hyperloop One jetzt den Antrieb seines Schnellzuges. Wir waren vor Ort.
von Matthias Hohensee

Nicht nur als Wettbewerb, sondern als ernsthaftes Business verstehen gleich zwei US-Firmen das Projekt: Hyperloop Transportation Technologies (HTT) und Hyperloop One. HTT plant noch für dieses Jahr den Bau einer Acht-Kilometer-Teststrecke in Kalifornien. Konkurrent Hyperloop One will zum Jahresende bereits damit fertig sein. Mitte Mai gelang dem Unternehmen erstmals eine wenn auch nur kurze Testfahrt in der Wüste von Nevada.

Viele deutsche Unternehmen am Hyperloop beteiligt

Nicht wieder nur aus der Ferne zuschauen, wie die Amerikaner technisch vorpreschen, sondern selbst Teil des ambitionierten Projekts sein, das treibt in Deutschland nicht nur die Münchner Studenten um. Auch deutsche Mittelständler und Großunternehmen gehen ins unternehmerische Risiko für ein Projekt, das Kritiker gern mit dem in Deutschland gescheiterten Transrapid vergleichen.

So hat Technologieriese Siemens Steuerungselektronik für die erste Minitestfahrt in der Wüste geliefert. Die Deutsche-Bahn-Tochter DB Engineering & Consulting analysiert für Hyperloop One, ob sich Fracht auf der Arabischen Halbinsel wirtschaftlich per Röhre transportieren lässt. Auch der Münchner Weltmarktführer im Bereich Bremssysteme, Knorr-Bremse, ist involviert. Mit Hyperloop One habe man diskutiert, wie sich der Superschnellzug sicher stoppen lasse, heißt es aus dem Konzern.

Fakten zum Hyperloop

Doch bevor es ans Bremsen geht, muss der Hyperloop erst einmal fahren respektive schweben. Das sollen Magnete an der Kapsel ermöglichen, die sich in einem Magnetfeld über eine leitende Kupferschiene bewegen. Das Spitzentempo von 1220 Kilometern pro Stunde – Deutschlands schnellster Zug, der ICE 3, fährt maximal 330 – soll der Hyperloop mit ökonomisch vertretbarem Energieeinsatz durch den geringen Druck in der Röhre schaffen. Luftwiderstand spielt dann kaum noch eine Rolle.

Fünf Millionen Dollar für Pumpen

Die Technik stammt vom Kölner Vakuumspezialisten Oerlikon Leybold Vacuum, den gerade der schwedische Maschinenbauer Atlas Copco übernommen hat. Carl Brockmeyer koordiniert in Köln das Hyperloop-Engagement. „Das für den Betrieb nötige Vakuum ist absolut realisierbar“, sagt er. Ende Februar haben die Kölner bereits zwei Pumpen an HTT nach Amerika geliefert. Weitere 30 sollen folgen.

So hat Hyperloop den Schnellzug getestet
Der Hyperloop-One-Gründer Brogan BamBrogan präsentiert die Testrecke. Er ist der ehemalige Ingenieur von Elon Musk' Weltraum-Start-up SpaceX. Quelle: Matthias Hohensee
Das Hyperloop-One-Führungstrio (von links): Gründer Shervin Pishevar, CEO Rob Lloyd, Gründer und Technikchef Brogan BamBrogan. Quelle: Matthias Hohensee
Die Teststrecke von Hyperloop One nördlich von Las Vegas: Noch fährt der Testschlitten auf normalen Schienen. Quelle: Matthias Hohensee
So sieht der Schlitten aus der Nähe aus. Quelle: REUTERS
Der Testschlitten wird mit Magneten beschleunigt, ein Unidorn-Maskottchen soll Glück bringen Quelle: Matthias Hohensee
Der Schlitten wurde binnen einer Sekunde auf eine Geschwindigkeit von 100 Meilen pro Stunde (gut 160 Km/h) beschleunigt. Quelle: dpa
Der Schlitten rast davon, die Kamera kommt nicht hinterher. Quelle: dpa

Weit gediehen sind auch die Pläne für den Bahnhof der Zukunft. Bei jedem Halt lange Abschnitte des Rohrs zu belüften und dann wieder leer zu pumpen würde bis zu einem Tag dauern. Stattdessen soll die Kapsel in einer Art Schleuse halten. „Die könnten wir in nicht mal einer Minute belüften und wieder abpumpen“, sagt Brockmeyer. Rund fünf Millionen Dollar sollen die Pumpen für die kurze Teststrecke kosten. Für die gesamte Anlage veranschlagt HTT knapp 150 Millionen Dollar. Später, im kommerziellen Einsatz, soll vor allem der Ticketverkauf die Investitionen wieder hereinholen – weitere Einnahmen soll aber auch Werbung auf Spezialdisplays bringen, die an den Wänden der Kapsel die Fenster ersetzen.

Die Technik dafür entwickelt das Münchner Start-up Reflekt, das seit 2012 Augmented-Reality-Anwendungen für Industrieunternehmen anbietet. Für HTT arbeitet das 35-köpfige Team an interaktiven Monitoren, deren Inhalte sich der Position des Reisenden anpassen – per Gesichtserkennung. Bewegt ein Passagier den Kopf nach vorne, ändert sich das Blickfeld wie bei einem normalen Fenster. Weil die Hyperloop-Kapseln komplett geschlossen sind, soll das System so auch mögliche Ängste der Insassen bekämpfen, sagt Marketingchef Dirk Schart von Reflekt. Die Displays könnten Landschaftsbilder anzeigen, Filme, aktuelle Reiseinfos oder eben auch Werbung.

Prominente Sponsoren unterstützen Münchner Team

Das Start-up steckt, genau wie Vakuumspezialist Oerlikon Leybold, viel Zeit und Mittel in das Projekt – ohne dafür Geld zu bekommen. Arbeitszeit vergütet HTT mit Aktienoptionen, der Börsengang soll noch dieses Jahr stattfinden. Das Risiko sei es wert, sagt Reflekt-Manager Schart. „Wir haben uns so ein riesiges Netzwerk in der US-Technologiebranche aufgebaut.“

Vom großen Durchbruch träumen auch die Münchner Studenten um Avezum und Gutsmiedl, die aktuell auf Hochtouren an ihrer 4,2 Meter langen, 1,1 Meter hohen und 1,0 Meter breiten Kapsel bauen. Was als vage Idee für die Masterarbeit von Teamleiterin Avezum begann, ist zum 350.000 Euro schweren Großprojekt avanciert, mit Unterstützung durch prominente Sponsoren wie Airbus oder Evonik Industries.

Gutsmiedl koordiniert die technischen Abläufe der Truppe, die sich gegen Hunderte Mitbewerber durchgesetzt hat. In der verbliebenen Konkurrenz gegen hochkarätige Wettbewerber, wie etwa vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), baut der 23-Jährige auf den besonderen technischen Kniff seiner Konstruktion: „Das Einzigartige unseres Modells ist der Kompressor“, sagt er. Der ähnelt einer Flugzeugturbine und saugt die Luft ab, die sich vor der Kapsel staut. Durch einen Tunnel unter dem Fahrzeug gelangt sie nach hinten und reduziert so den Luftwiderstand zusätzlich.

Die Top 5 Konzepte für den Hyperloop

Weil auf der geplanten 1,6 Kilometer kurzen Teststrecke Tempo 1220 nicht erreicht wird, haben die übrigen Teams auf den Kompressor verzichtet. Gutsmiedl hingegen sieht genau dieses Bauteil als größte technische Herausforderung an, „also muss er schon Teil des Modells sein“. Sein Team will den Beweis liefern, dass das Prinzip Hyperloop technisch aufgeht.

Noch viele Fragen offen

Doch auch wenn das gelingt, seien viele Fragen offen, sagt Joachim Winter vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: „Wie bekomme ich die Menschen bei einer Panne aus der Röhre? Wo ist Platz für Gepäck?“, fragt Winter. Und er gibt zu bedenken: „Der Hyperloop hätte nur einen Zeitvorteil, wenn es kaum Stopps zum Umsteigen gäbe.“ Im dicht besiedelten Europa aber erscheine das unrealistisch. Eine Transrapid-Strecke zwischen Köln und dem Ruhrgebiet scheiterte aus diesem Grund.

Der Wirtschaftsgeograf Rudolf Juchelka von der Universität Duisburg-Essen geht noch einen Schritt weiter. „Das öffentliche Verkehrsnetz in Europa ist – anders als in den USA – gut ausgebaut. Zudem gibt es hier vielerorts keinen Platz für Röhren auf Stelzen“, sagt er. Pläne, einen Hyperloop zwischen Bratislava und Wien zu bauen, wie es die Slowakei plant, hält er für einen PR-Coup. Das Verkehrsaufkommen zwischen den beiden am nächsten gelegenen Hauptstädten Europas sei viel zu gering.

Die Münchner Studenten lassen sich nicht beirren. Bis zu 70 Stunden in der Woche verbringen viele in der Werkstatt, um an der Kapsel zu bauen. Geld oder Leistungspunkte für die Uni gibt es nicht. Der Einsatz sei es dennoch wert, so Student Gutsmiedl. „Das ist eine einmalige Gelegenheit.“

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