Interview Richard Mille "Unsere Uhren sind nicht Bling-Bling"

Teuer läuft immer. Uhren-Unternehmer Richard Mille über Preziosen für mehr als eine Million Euro und kostspielige Ladenhüter.

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Unternehmensgründer Richard Mille liebt alles, was schnell fährt. Quelle: Presse/Thomas Lavelle

Herr Mille, die Schweizer Uhrenindustrie sieht derzeit Absatzeinbrüche und sinkende Exporte. Keine gute Zeiten für Luxus?

Es gibt einige Marken, die klagen, aber es ist unglaublich, wie gut unser Geschäft läuft. Wir haben aber auch eine andere Geschichte als die großen Marken. Es war im Jahr 2000, als ich auf Uhrenmesse Basel meine Uhren zeigte, ohne einen Stand zu haben. Ich marschierte durch die Gänge und hatte meine Uhren dabei. 2001 lieferte ich dann 17 Uhren an die Kunden aus – zum Preis von jeweils 200.000 Franken. 2015 haben wir 3264 Uhren verkauft. Wir kennen die Zahl so genau, weil wir in Stückzahlen winzig sind im Vergleich zu den großen Marken. Aber sie sind am oberen Ende des Marktes – und der läuft für uns sehr gut. Dieses Jahr wollen wir etwa 4000 Uhren produzieren.

Ihre Uhren sind erst seit diesem Jahr in Deutschland überhaupt zu kaufen. Sind Sie nicht ein wenig spät dran?

Nein. Dass wir so spät nach Deutschland gekommen sind, ist leicht erklärt: Ich habe immer gesagt, dass man erst dann in Deutschland den Vertrieb starten kann, wenn man gut gewappnet ist. Wir sind eine junge Marke, vor allem im Vergleich zu den bekannten Luxusmarken mit Jahrzehnten und Jahrhunderten an Tradition. Da muss beim ersten Aufschlag alles stimmen. Die Kunden in Deutschland sind sehr gut informiert und kennen sich mit Uhren bestens aus. Wir hatten zwar von Tag eins an mit unseren Uhren Erfolg. Aber danach müssen sie als Unternehmen alle Prozesse kontrollieren. In Deutschland darf Ihnen kein grober Fehler unterlaufen.

Richard Mille

Sie haben sich auf einer der teuersten Einkaufsstraßen Deutschlands, der Maximilianstraße in München, ein großzügiges Ladenlokal gegönnt, statt mit Juwelieren zusammenzuarbeiten. Warum?

Wir haben, bevor wir dieses Geschäft anmieteten, natürlich mit Händlern gesprochen. Aber am Ende können wir uns – gerade als junge Marke – mit einer eigenen Boutique viel besser präsentieren. Eine Straße mit herausragendem Namen und dort eine großzügige Fläche. Es muss ein Signal sein.

Ihre Uhren kosten meist mehrere hunderttausend Euro, die teuerste im Fenster liegt bei mehr als einer Million Euro. So viel Kundschaft kommt wohl kaum jeden Tag vorbei.

Nein, aber wir sind auch nicht in Eile. Deutschland ist ein sehr stabiler Markt für die Uhrenhersteller. Hier leben viele Sammler. Da ist es wichtig, dass es einen hervorragenden Service auch nach dem Kauf gibt, sonst können Sie auch ganz schnell wieder zusperren. Ich sage ja nicht, dass ich nicht an Geschäft interessiert bin ...

Das sind die teuersten Uhren der Welt
Nein, für den Preis von 2.424.074 Euro (UVP) bekommt der Kunde nicht zwei Uhren. Aber eine, deren Rückseite aussieht wie eine normale Uhr. Patek Philippes Grandmaster Chime ist das aktuell teuerste Modell der Manufaktur aus Genf, die als eine der wenigen Luxusuhrenmarken noch in privater Hand ist und nun von Thierry Stern geführt wird. Die Grandmaster Chime ist eine Minutenrepetition. Das bedeutet, dass nach dem Betätigen eines Schiebeschalters, mehrere Gongtöne die Uhrzeit mitteilen. Diese technische Ausstattung gehört zu den sogenannten "Grand Complications", die besonders aufwändig sind und nur von Uhrmachern mit langer Erfahrung montiert werden können. Was kann die Uhr noch? Mondphase, ewiger Kalender, Alarm mit Zeitschlag, Anzeige der noch zur Verfügung stehenden Gangreserve, zweite Zeitzone, vierstellige Jahresanzeige - sogar die Position, in der sich die Krone gerade befindet, ist abzulesen. So weiß der Nutzer, ob er beim Drehen der Krone das Uhrwerk oder die Feder für das Schlagwerk aufzieht, die Zeiger oder den Alarm einstellt. Quelle: PR
Die Breguet Taschenuhr Classique Grande Complication besitzt - hier gut zu erkennen in der Öffnung - ein Tourbillon, das zu den komplizierteren Mechanismen im Uhrenbau zählt. Früher beherrschten nur wenige Manufakturen diese Technik, inzwischen einige mehr. Das Tourbillon ist jedoch eigentlich eine Erfindung für die Taschenuhr, nicht die Armbanduhr. Die Unruh, die den Takt der Uhr vorgibt, wird von der Schwerkraft beeinflusst. Umso mehr, wenn sie wie bei einer Taschenuhr, die meiste Zeit in einer Position verweilt. Um diesen Einfluss auszugleichen wurde das Tourbillon entwickelt. Es dreht den ganzen Unruh-Teil einmal pro Minute um die eigene Achse. Die Breguet für 843.200 Euro besitzt zudem ein Läutwerk, die sogenannte Minutenrepetition, die mittels Klangfedern die Uhrzeit anzeigt, wenn ein Schieberegler betätigt wird. Quelle: PR
Bei dieser Uhr gestaltet der Käufer den Preis ein wenig mit. Gut - unter einer Million wird er nicht liegen. Das ist der Basispreis. Und es ist sicher die außergewöhnlichste Weise, eine Uhr zu veredeln, die mit der Funktion nichts zu tun hat. Das kleine Schiff im Foto ist ein Skulptur von Willard Wigan. Der erarbeitet in Wochen kleine Kunstwerke, die so winzig sind, dass sie nicht nur in ein Nadelöhr passen - dort baut er sie normalerweise auch ein. In Zusammenarbeit mit Greubel & Forsey gibt es die Chance, so eine Skulptur in die Uhr zu bekommen. Betrachtet wird sie durch eine Lupe an der Seite des Gehäuses. Natürlich kann die Uhr noch mehr: Gangreserve von 72 Stunden und ein Tourbillon sind verbaut. Quelle: PR
Doch, auch unter einer halben Million Euro gibt es unerschwingliche Uhren. Die All-in-One von Chopard wurde dieses Jahr vorgestellt und kostet 369.310 Euro - mit Diamanten: 395.690 Euro. Dafür bekommt der Besitzer allein 3,01 Karat an Diamanten - 60 Stück. Die Differenz von 26.380 Euro zeigt aber: Der Preis kommt von der Mechanik. Das Uhrwerk mit Tourbillon ist ein Chronometer. Das heißt, das Uhrwerk musste sich einer Genauigkeitsprüfung unterziehen. Sieben Tage hält die Feder das Uhrwerk in Gang. Auf der Rückseite sind unter anderem abzulesen: Gangreserve und Sonnenauf- und Untergangszeiten von Genf. Quelle: PR
Sicher sind folgende Fakten: Die Uhr ist 50,55 Millimeter tief und von der Metallschlaufe bis zum Boden 131,7 Millimeter hoch. Sie trägt den Namen 57260 - 57 für die Zahl der verbauten Komplikationen, 260 für das Alter des Herstellers, die Marke Vacheron Constantin. Die Uhr besitzt aber auch Neuheiten, von denen es schwer zu begreifen ist, was sie tun. Der retrograde Schleppzeiger-Chronograph, zum Beispiel. Retrograde ist ein Zeiger, der sich nicht im Kreis dreht, sondern eher wie eine Tachonadel funktioniert. Der Schleppzeiger ist dafür da, Zwischenzeiten zu messen. Und es geht weiter: Neun astronomische Kalenderfunktionen, die Sonnenwenden, Tierkreiszeichen oder Stunde und Minute der Sternzeit anzeigen. Die Sonnenaufgangszeit für den Besitzer oder die Dauer des Tages werden ebenfalls dargestellt. Acht hebräische Kalenderfunktionen sind enthalten, darunter das Alter des hebräischen Jahres. Und und und. Ein Superlativ. Auch beim Preis - nur der ist nebulös. "Ein vielfaches der Tour de L'ill", heißt es bei Vacheron Constantin. Die kostet eine Million. Wenn man gegenüber der Manufaktur die acht Millionen Dollar erwähnt , die das amerikanische Magazin Forbes als Kaufpreis wissen will, dann wird nicht gedroht, eine Gegendarstellung zu erwirken. Sie ist teuer. Das ist Fakt. Quelle: PR
Die Manufaktur Parmigiani gehört zu den etwas unbekannteren Marken im Reigen der Luxusuhrenhersteller. Ihr Namensgeber ist Uhrmacher und restaurierte historische Uhren, bevor er seine eigene Marke gründete mit der Unterstützung der Stiftung Sandoz Family Foundation. Aktuell ist das Modell Tecnica Ombre Blanche für 716.000 Euro . Die Uhr hat eine Minutenrepetition und ihre Klangfedern mit dem Zusatz "Kathedral" sollen einen besonders beeindruckenden Ton erzeugen. Dazu besitzt sie einen Tourbillon, der ursprünglich für Taschenuhren entwickelt wurde und die Auswirkungen der Schwerkraft auf die Unruhe ausgleichen soll. Ebenfalls dabei: ein ewiger Kalender. Quelle: PR
Auf Anhieb ist nur zu erahnen, was Audemars Piguet alles in die Royal Oak Offshore Grande Complication Squelette verbaut hat, um den Preis von "etwa 800.000 " Euro zu errechnen. Sie besitzt ein Automatikwerk, muss also nicht aufgezogen werden. Die Minutenrepetition lässt via Klangfedern die Zeit erschallen. Der ewige Kalender heißt, dass die Datumsanzeige auch nach Schaltjahren noch exakt läuft. Sie zeigt auch die Kalenderwoche an. Der Chronograph, also die Stoppuhr, nimmt auch Zwischenzeiten - die Funktion heißt auch Schleppzeiger oder - noch schöner - Rattrapante. Und natürlich zeigt sie auch Stunde, Minute und Sekunde an. Und die Bauteile des hoch komplexen Uhrwerks wurden dann auch noch an den Stellen ausgespart, wo das technisch keine Einschränkung der Funktion oder Stabilität bedeutet - die Skelettierung. Auflage: drei Stück. Quelle: PR

Aber?

Ich möchte das Wachstum kontrollieren. Wir brauchen Aufmerksamkeit für die Marke, um so kostspielige Uhren zu verkaufen. Wir könnten auch ein einfaches Modell entwickeln und mit großen Stückzahlen arbeiten. Das werde ich nicht tun. Wir werden hier einen Schritt nach dem anderen gehen.

Wäre nicht dann aber der Weg über gute Händler leichter?

Nein, auf keinen Fall. Wir haben heute eine ziemlich umfangreiche Kollektion. Ich denke oft an Mercedes, wenn es um Marke geht. Sie sind in der Formel 1, es gibt die Cabrios, es gibt SUVs. Sie decken verschiedenen Nischen ab. Sie müssen nur, wie beim Jonglieren die Bälle, alle Modelle in Bewegung halten. Sie können nicht nur das Top-Modell zeigen. Obwohl wir kein Einstiegslevel haben, müssen wir die Bandbreite unserer Fähigkeiten zeigen. Das funktioniert nicht mit einem Händler, der dem Kunden Uhren verschiedener Hersteller zeigt. Das geht nur in einem eigenen Raum.

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