Jeff Bezos' größter Misserfolg Warum Amazons Fire Phone floppte

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Am Kunden vorbei entwickelt

Vor allem eine technische Spielerei hat es Bezos angetan: ein neues 3D-Feature namens Dynamic Perspective. Dabei lautet die Vorgabe an die Entwickler: Baut ein 3D-Display, das ohne Brille und aus möglichst vielen Blickwinkeln funktioniert. Immer wieder triezt Bezos seine Leute, stachelt sie an, heuert gar neue Entwickler an – bis Dynamic Perspective schließlich funktioniert.

Aber zu welchem Preis: Amazon muss vier Front-Kameras auf der Vorderseite des Gerät einbauen – Hauptgrund für den enormen Stromverbrauch des Fire Phones, und einer der wichtigsten Mängel der Kritiker, nämlich die zu kurzen Akku-Laufzeiten insbesondere im Vergleich zum iPhone.

Damit nicht genug: Keiner der Entwickler weiß so genau, warum Bezos das Thema 3D überhaupt so stark propagiert – denn bis auf ein paar Spaß-Anwendungen sind die Einsatzmöglichkeiten begrenzt. Offenbar ist Bezos schlicht getrieben von dem schon manisch anmutenden Wunsch, dem Fire Phone eine Art unverkennbares Feature zu verleihen – ähnlich wie der Sprachassistent Siri beim iPhone.

Die Folge: Amazon investiert massiv Zeit und Geld – ein Insider: „surreale Summen“ – in ein Feature mit begrenztem Nutzen für den Kunden. Einzig und allein deshalb, weil Bezos es verlangt. Internen Widerstand gibt es kaum, schließlich hat Bezos bei vielen anderen Dingen wie etwa dem Lieferservice Amazon Prime auch richtig gelegen, obwohl viele Kritiker zunächst skeptisch waren.

Anfang 2013 ist das Tyto-Team immer noch nicht wesentlich vorangekommen. Bezos entscheidet, unter dem Projektnamen „Duke“ noch einmal von vorn anzufangen. Und als eine Art Auffangnetz, als Backup-Plan, arbeitet ein zweites Team an einer preisgünstigen Duke-Alternative mit dem Code-Namen „Otus“.

Doch Bezos‘ Augenmerk bleibt auf dem Highend-Smartphone, denn er ist geradezu besessen davon, auf Augenhöhe mit Apple zu kommen. Das bleibt er bis Juni 2014, als er das Fire Phone in Seattle schließlich vorstellt – und dabei immer wieder das 3D-Feature Dynamic Perspective hervorhebt.

Die Quittung für jenen Kurs bekommt Bezos schnell: Kurz nach dem Marktstart im Juli hagelt es Verrisse von Smartphone-Experten, die insbesondere das von Bezos so stark vorangetriebene 3D-Feature als „sinnlos“ und „verwirrend“ kritisieren. Und die Kunden? Sie bemängeln vor allem eins – die zu hohen Kosten des Geräts.

Anders ausgedrückt: Amazon hat das Fire Phone sowohl bei den Funktionen wie auch beim Preis total am Kunden vorbei entwickelt. Angeblich hat sich das Smartphone bis zu dem radikalen Preisnachlass nur einige zehntausend Mal verkauft.

Was die Geschichte des Fire Phones eindrucksvoll beweist: Die Welt braucht keinen zweiten Steve Jobs. Aber: Gut möglich, dass Amazon sein Smartphone in einer zweiten Auflage deutlich besser hinbekommt, so wie es etwa bei den Kindle-Geräten in der Vergangenheit ebenfalls der Fall war. Wenn sich Bezos wieder auf seine Stärken besinnt – und den Kunden in den Mittelpunkt stellt.

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