Lichtfeldkamera Lytro Illum "Bald haben wir Tausend-Megapixel-Kameras"

Der Kamerahersteller Lytro stellt auf der Photokina seine neue Generation der Lichtfeldkamera Illum vor. Wir haben mit Lytro-Gründer Ren Ng über Lichtfeldfotografie und ihre Möglichkeiten gesprochen.

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WirtschaftsWoche: Herr Ng, die Form der ersten, noch ziemlich experimentellen Version Ihrer Lytro-Lichtfeldkamera vor zwei Jahren erinnerte in ihrer Form eher an eine Packung Butterkekse als an einen traditionellen Fotoapparat. Nähert sich mit dem Design auch die Technik dem Massenmarkt an?

Ren Ng: Wir sind, was etwa die technischen Möglichkeiten angeht, inzwischen tatsächlich einen großen Schritt weiter. Der Sensor etwa ist jetzt fast vier mal so hoch auflösend wie bisher. Auch die Bedienung haben wir massiv überarbeitet. Und auch die Rechenleistung, die in der Kamera steckt, hat kräftig zugelegt. Sie ermöglicht es überhaupt erst, die in unseren Aufnahmen enthaltenen räumlichen Informationen zu verarbeiten. Trotzdem, da sind wir Realisten, sind sowohl die Lichtfeld-Fotografie als auch unsere Illum aktuell noch immer nur ein Thema für sehr kreative Fotopioniere.

Zur Person

Die auch der Preis von knapp 1600 Dollar nicht schreckt.

Gemessen an dem, was experimentelle Lichtfeld-Kameras bisher gekostet haben, ist das ein Spottpreis. Aber – auch mal ganz ernsthaft – für Menschen, die das fotografische und kreative Potenzial verstehen, das in der Technik steckt, ist das nicht viel Geld. Die haben ohnehin ein Faible für Fotografie und meist schon ein, zwei teure Kameras im Schrank – mindestens.

Lytro-Gründer Ren Ng.

Aber bisher versteht ja die Masse der Fotografen nicht einmal, was Lichtfeld-Fotografie ist. Sie haben darüber promoviert. Können Sie es auch mit wenigen Sätzen erklären?

Ich versuch’s mal. Das Prinzip zu verstehen ist gar nicht so kompliziert, wie es klingt. Traditionelle Kameras – egal, ob analog oder digital – zeichnen auf Sensor oder Film nur die Menge des darauf auftreffenden Lichts auf. Das liefert ein zweidimensionales Bild der räumlichen Welt, dessen Schärfebereich davon abhängt, wo der Fotograf den Fokus hin legt und wie er über die Blende die Schärfentiefe reguliert. Bei der Lichtfeld-Fotografie zeichnen wir zusätzlich noch auf, aus welcher Richtung die Lichtstrahlen auf den Sensor treffen. Mit dieser Zusatzinformation lässt sich dann eine ganze Menge spannender Dinge mit der Aufnahme anstellen.

Nämlich?

Zu allererst muss ich nicht mehr vor der Aufnahme wissen, welchen Bereich des Bildes ich scharf stellen will: Weil wir den genauen Strahlenverlauf des Lichts kennen, kann der Fotograf den Schärfebereich seiner Bilder im Nachhinein definieren – und auch wieder ändern.

"Verwackelte Aufnahmen können wir nicht korrigieren"

Unscharfe Fotos gibt’s bei Ihnen nicht mehr?

Fast – verwackelte Aufnahmen können wir nicht korrigieren. Aber bei gelungenen Bildern können wir tatsächlich über einen sehr großen Tiefenbereich nach der Aufnahme festlegen, was scharf und was verschwommen ist. Das lässt sich sogar kreativ nutzen, indem der Fotograf so komponiert, dass der Betrachter beim Anschauen der Aufnahmen die Schärfe nacheinander an verschiedenen Punkten im Bild einstellt und so immer neue Details hervorheben kann.

Das klingt, als würden Lichtfeld-Aufnahmen den Betrachter eher interaktiv einbinden als die klassische Fotografie?

Zumindest bietet sie genau diese Möglichkeit – vorausgesetzt der Betrachter sitzt vor einem digitalen Display. Denn die Dynamik der Bildmanipulation funktioniert natürlich nicht, wenn man eine der Aufnahmen als Foto auf Papier ausdruckt. Was aber selbstverständlich auch geht. Wenn mir die digitale Komposition eines Lichtfeld-Fotos gefällt, dann kann ich dieses Bild wie jedes Digitalbild exportieren, ausdrucken oder belichten und wie ein ganz normales Foto meinen Eltern ins Album kleben.

Dann ist aber der Reiz weg.

Klar. Effektvoller ist schon, die Bilder nicht auf Papier anzuschauen sondern etwa auf Tablet-Computern. Weil unsere Kamera neben Farbe und Helligkeit auch die Richtung speichert aus der Licht auf den Sensor fällt, können wir aus den Aufnahmen auch räumliche Bilder generieren. Wenn ich die auf dem Tablet anzeige, kann ich die Bewegungssensoren im Rechner nutzen, um – parallel zur Neigung des Tablets – auch den Blickwinkel auf das Lichtfeld-Foto zu verändern. Ich kann also quasi eine räumliche Betrachtung des Fotoobjekts simulieren. Das ist mit traditionellen einäugigen Kameras völlig unmöglich, und selbst Stereokameras können so einen Effekt nur für einen definierten Schärfebereich erzeugen. Für unsere Lytro-Kameras ist das dagegen eine Basisfunktion.

Muss so etwas nicht in ein paar Jahren spätestens Standard in der Fotografie sein?

Der Trend geht sicherlich in diese Richtung. Über den Zeitrahmen will ich nicht spekulieren. Gegenwärtig beispielsweise reicht die Auflösung unserer Kamera, wenn man die Bilder in klassische Fotos umrechnet, noch nicht an die Auflösungen aktueller Kameras heran. Ein Teil der physikalischen Auflösung des Fotochips geht dafür drauf, dass wir einen Teil der Pixel benötigen, um die Richtung des einstrahlenden Lichts zu erfassen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir statt aktuell zehn vielleicht hundert oder gar tausend Megapixel Auflösung schaffen.

Lichtfeldfotografie

Und dann?

Aus meiner Sicht heißt das, dass der Fotografie die wirkliche digitale Revolution erst noch bevorsteht. Ehrlich gesagt hat beim Übergang von analogen zu digitalen Kameras doch im Grunde nur der Bildsensor den klassischen Film ersetzt. Was wir aber demonstrieren ist, dass in der Frage, wie wir die Umwelt fotografisch abbilden können, noch viel mehr möglich ist, als zweidimensionale Bilder zu erzeugen. Insofern muss sich die traditionelle Kamerabranche sicher auf einen radikalen technologischen Umbruch einstellen. Und den wird nicht jeder erfolgreich meistern. Mitunter geht das ganz schnell, wenn man sich mal anschaut, was etwa mit Kodak passiert ist – und dabei war das sogar der Konzern, der die erste Digitalkamera gebaut hat.

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