Navigationsgeräte Die Untoten am Armaturenbrett

Smartphones machen Navigationsgeräte überflüssig, heißt es. Tatsächlich kaufen die Deutschen aber unverdrossen weiter Nachrüst-Navis. Neue Funktionen - von der Fernsteuerung über PC und Handy bis zum Spurassistenten - sollen dafür sorgen, dass das so bleibt. Wir haben die neuen Top-Modelle ausprobiert.

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Navigationsgeräte von Garmin und Tomtom im Vergleich Quelle: dpa, Garmin, Tomtom, Montage

Am Rande einer Präsentation am Firmensitz in Amsterdam erwähnte Harold Goddijn, Chef und Mitgründer von TomTom, ein interessantes Detail in einer ansonsten deprimierenden Marktübersicht: Während das Geschäft für Nachrüst-Navis in Europa seit Jahren schrumpft (was Goddjins Job nicht leichter macht), halten Deutsche und Briten den gut handteller-großen Lotsen für die Frontscheibe unverdrossen die Treue. "Gegen den Trend wächst das Geschäft in beiden Ländern sogar wieder", versicherte der TomTom-Frontmann. "Also investieren wir auch weiter in neue Produkte."

Tatsächlich erweist sich der deutsche Markt für die im Branchenjargon „PND“ – Portable Navigation Device – genannten Geräte bemerkenswert robust. Immerhin rund 815.000 dieser Geräte setzten die Hersteller hierzulande allein im ersten Halbjahr ab. Das ist annähernd so viel wie im Vorjahreszeitraum und bescherte dem Handel Umsätze von immerhin mehr als 120 Millionen Euro – auch das nur marginal weniger als im Vorjahr.

Navigation mit Mehrwert

Kein Wunder also, dass auch Garmin dort kräftig mit verdienen will. Und so hat der nach TomTom zweitgrößte Anbieter im deutschen Markt jüngst sein Navi-Portfolio um das neue Spitzenmodell NüviCam erweitert. Das bringt – von der integrierten Videokamera über den Spurhalteassistenten bis zum Abstandswarner - jede Menge Zusatzfunktionen mit, die einen signifikanten Mehrwert gegenüber den Navigationsapps für Smartphones bieten sollen. Und so den Kaufpreis von knapp 380 Euro für das Sechs-Zoll-Gerät rechtfertigen.

Was die neuen Cockpits können
Tesla Der Elektroautobauer Tesla hat schon bei seinen ersten Fahrzeugen großen Wert auf das Infotainment gelegt - also die gute Bedienbarkeit von Musik-Diensten, Navigationsgerät, Kommunikation und Serviceinformationen zum Fahrzeug. Nun ist dem Unternehmen in den USA ein neuer Coup gelungen. In Kooperation mit dem Mobilfunkanbieter AT&T sollen die Elektroautos mit einem Zugang zum Highspeed-Internet ausgestattet werden. Damit wäre nicht nur ruckelfreies Webradio und Surfen im Internet möglich. Auch Verkehrsinformationen für das Navigationssystem ließen sich in Echtzeit abrufen. Und bliebe der Wagen stehen, könnte eine Service-Hotline per Netz eine Ferndiagnose des Motors durchführen. Quelle: REUTERS
Kia UvoDas Infotainmentsystem von Kia lässt sich per Sprachsteuerung und Touch steuern. Die erste Variante des Systems entwickelten die Koreaner gemeinsam mit Microsoft. Die aktuelle Version setzt auch auf mobile Dienste und baut auf Googles Betriebssystem Android auf. Dadurch kann das System zum Beispiel auf die Karten und Informationen der Plattformen Google-Maps und Google-Places zugreifen. Steuern lässt es sich sich zusätzlich über Android- und Apple-Smartphones. Quelle: Presse
Audi TabletWie sehr die Welt der mobilen Rechner in die der Automobilbranche übergreift, zeigt ein neues Produkt aus dem Hause Audi. Erst kürzlich stellte der Autobauer auf der Elektronik-Messe CES in Las Vegas ein eigenes Tablet vor. Unter dem Titel "Audi Smart Display" soll das Gerät die Bedienung der Infotainment-Angebote im Auto erleichtern. Denn während Nutzer Tablets intuitiv bedienen können, tun sich viele mit den umfassenden Möglichkeiten von Infotainmentprogrammen im Auto noch schwer. Das Tablet hat einen 10 Zoll großen Display, der sich ganz einfach mit dem Infotainment in neuen Audi-Modellen verbinden lässt. Außerdem bietet es einen direkten Zugriff auf Googles Playstore und damit auf alle Android-Apps für Tablets. Quelle: Presse
Audi und GoogleGleichzeitig haben Google und Audi erst kürzlich auf der CES in Las Vegas bekannt gegeben, künftig miteinander kooperieren zu wollen. Damit sollen alle Audi-Bordsysteme auf dem Betriebssystem Google Android basieren. Auch in den neuen Modellen von General Motors, Honda und Hyundai wird künftig Android als Infotainmentplattform verbaut.  Quelle: AP
Infiniti InTouch Das neue Infotainment-System der Luxusmarke wurde auf der Elektronik-Messe CES vorgestellt. Das System macht es möglich das Smartphone mit dem Bordcomputer zu verbinden. Somit kann der Fahrer über das Programm auch im Fahrzeug direkt auf seine Kontakte, E-Mails und einige Apps zugreifen. Nachrichten liest einem das Programm auf Wunsch laut vor. Musik kann auch per Sprachsteuerung ausgewählt werden. Besonders praktisch: Auf der Infiniti-Plattform lassen sich sogar die Sitz- und Spiegeleinstellungen von bis zu vier Fahrern speichern. Quelle: REUTERS
Nokias KartendienstAuch Nokia versucht sich einen Platz im Auto zu sichern. Seit Jahren bieten die Finnen Kartendienste für den Verkehr an. Im Sommer hat der einstige Handy-Riese hunderte Millionen Euro in die Hand genommen, um die Dienste zu erweitern. Bisher ist die Plattform "Here" so ausgelegt, dass sie neben der Kartendienste auch eine Integration von Musik und Internetangeboten vorsieht, wie zum Beispiel der ortsbezogene Dienst Foursquare. Eingebunden ist außerdem eine "Auto-Cloud", über die der Fahrer aktuelle Informationen zu Spritpreisen oder freien Parkplätzen abrufen kann. Die Autobauer können für ihre Produkte selbst entscheiden, welche Serviceangebote von Nokia sie einbinden wollen. Quelle: dpa
BMW i3Das Infotainmentsystem des deutschen Elektroautos lässt sich sogar per Smartwatch Samsung Galaxy Gear steuern. Damit hat der Autofahrer Informationen wie den Kilometerstand, den Batteriestand oder den Parkstandort auf der Uhr gespeichert und so immer dabei. Auch ob Fenster geöffnet oder geschlossen sind, lässt sich mit einem Blick aufs Handgelenk überprüfen. Besonders praktisch: Per Spracherkennung lassen sich Klimaanlage und Heizung auch aus der Entfernung steuern. Somit ist der Wagen im Winter schon vorgeheizt und die gefrorene Scheibe getaut, noch ehe der Fahrer das Auto überhaupt aufgeschlossen hat. Quelle: dpa

Das neue Nüvi trifft bei TomTom auf eine funktional erweiterte Version der bereits eingeführten Go-Serie. Die neuen Modelle verbinden nun erstmals - dank Verknüpfung über Mobilfunk und Internet - den Navigationsdienst fürs Armaturenbrett mit Funktionen zur Streckenplanung und fürs Management der persönlichen Ziele auf dem Handy oder PC. Das neue Top-Modell 6100, ebenfalls ein Sechs-Zöller, steht für 350 Euro in den Regalen.

Im einen wie im anderen Fall stellt sich natürlich die Frage, ob sich der Aufpreis mindestens zur entsprechenden App lohnt. Oder tut's nicht doch die in modernen Android-Telefonen mittlerweile enthaltene Navigationsfunktion von Google Maps respektive der Navigationsdienst der iPhones?

Um es kurz zu machen: Sowohl die TomTom-App (je nach monatlich nutzbarer Navigationskilometer-Zahl zwischen 20 und 45 Euro teuer) als auch die App des mittlerweile von Garmin übernommenen Würzburger Anbieters Navigon reichen in ihren Funktionalitäten nahe an das heran, was auch moderne Nachrüst-Navis bieten. Aber eben auch bloß "nahe".

Auf langen Reisen im Ausland ist ein Nachrüstgerät sehr nützlich

So ist es, gerade bei schnellerer Reise mit lauteren Fahrgeräuschen oder bei parallel eingeschaltetem Radio, schon ein hörbarer Unterschied, ob die eigenständigen Routenführer ihre Fahranweisungen in den Innenraum schallen lassen, oder die doch zumeist eher schwachbrüstigen und zum Übersteuern neigenden Winz-Lautsprecher eines Smartphones.

Nicht anders sieht es mit den Befestigungen und Ladeanschlüssen aus. Da kommt die Nachrüst-Fraktion schon merklich handfester daher als die oftmals eher mittelmäßigen Universalhalterungen für Mobiltelefone. Im Fall der Neulinge von Garmin und TomTom fixieren die Halter die Navis mithilfe integrierter Magneten problemlos und absolut ruckelfest - und laden sie ohne weiteres Kabelgefrickel auf. Wer eine vergleichbar stabile Befestigung fürs Handy haben will, der legt schnell noch mal soviel drauf wie für die App.

Womit aber dennoch ein deutlicher Aufschlag fürs Nachrüstgerät bliebe. Lohnt der?

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