Polaroid Die Rückkehr der Sofortbildkamera

Seite 2/2

Einmal insolvent und wieder zurück

Dabei hatte der Polaroiderfinder eigentlich andere Pläne. Edwin Land, Harvard-Studienabbrecher und zunächst mäßig erfolgreicher Erfinder, gründete die Firma 1937 in Minnesota, um mit Skibrillen, Linsen und Militärbedarf zu handeln. Erst 1948 hatte er die Idee, die ihn reich und berühmt machte. Dank seiner Tochter.

Der Firmenlegende nach fragte das Mädchen, warum sie das Bild, das ihr Vater gerade geschossen hatte, nicht sofort ansehen konnte. Knips – und die Idee für eine Sofortbildkamera war geboren. Bis 1980 blieb Land an der Spitze des Unternehmens, im Nachhinein nicht die beste Entscheidung. Denn seine spezielle Arbeitsweise beschleunigte den Untergang des Unternehmens.

Als Wissenschaftler war er zeitlebens ehrgeizig. Die Kameras wurden daher immer kleiner und handlicher, Land wollte vor allem die Farbintensität der Fotos verbessern. Außerdem war er davon überzeugt, dass die Kunden ihr Bild immer schneller ansehen wollten. So weit, so richtig. Das Problem war, dass er das richtige Ziel erkannte, aber den falschen Weg wählte.

Polaroid setzte auf Scanner

Polaroid hatte zwar das Monopol für die Instant-Fotografie durch zahlreiche Patente geschützt. 1996 brachte das Unternehmen sogar die erste Digitalkamera auf den Markt. Allerdings hatten bereits 40 Konkurrenten ähnliche Produkte entwickelt. Schlimmer noch: Land war davon überzeugt, dass die Nutzer weiterhin ausgedruckte Foto-Prints wollen – und setzte vermehrt auf Scanner und andere Geräte, mit denen man Fotos direkt ausdrucken konnte. Eine Fehleinschätzung. Mit Beginn der Digitalisierung sank das Bedürfnis der Kunden, das geschossene Foto unmittelbar in der Hand zu halten.

Sie wollten ihre Bilder lieber digital bearbeiten, auf Festplatten speichern und das gleiche Motiv zigfach fotografieren, ohne auf den Vorrat an kostbarem Fotopapier achten zu müssen. Welch grausame Ironie: Vier Jahrzehnte lang war Polaroid das Synonym für ein Prinzip, das die Digitalfotografie perfektionierte – der Druck auf den Auslöser, der den Nutzer sofort belohnt. Nun scheiterte sie genau daran.

2001 meldete die Firma erstmals Insolvenz an, es folgten mehrere Eigentümerwechsel und schließlich der Verkauf an die Petters Group. Damit endete die Pechsträhne jedoch nicht. Der Leiter der Holding wurde wegen Anlagebetrugs zu einer Gefängnisstrafe von 50 Jahren verurteilt. 2008 hatte er mit seinem Schneeballsystem Polaroid erneut in die Insolvenz getrieben. Schließlich kaufte ein Joint Venture 2009 das Unternehmen – oder zumindest das, was von der einstigen Kultfirma noch übrig war.


Simple Idee, großer Erfolg

Ein gutes Jahr später sollten ausgerechnet zwei Softwareentwickler aus dem Silicon Valley dem angeschlagenen Unternehmen zur Hilfe eilen. Zu dieser Zeit stellten Kevin Systrom und Mike Krieger eine neue App vor. Damals konnten die beiden nicht ahnen, dass Instagram sie schon zwei Jahre später reich machen würde – und sie ganz nebenbei auch noch Polaroid und ihr berühmtes Produkt vor dem kollektiven Vergessen bewahren würden.

Fünf erfolgreiche Comebacks
Weck-Gläser Quelle: Fotolia
Birkenstock-Schuhe Quelle: PR
Dual-Plattenspieler Quelle: Fotolia
Casio-Uhr Quelle: PR
Yes-Törtchen Quelle: PR

Ihr Programm basiert auf der vermeintlich simplen Idee, Fotos in einem eigenen Profil ins Netz zu stellen. Ein Jahr nach Firmengründung wurden bereits 100 Millionen Bilder über die Plattform hochgeladen, im April 2012 kaufte Facebook den Dienst für eine Milliarde Dollar. Und dieser Erfolg brachte auch Polaroid Aufmerksamkeit. Denn der Charme von Instagram liegt vor allem in der Möglichkeit, verschiedene Filter über die Bilder zu legen. Einer der beliebtesten lässt die Fotos so aussehen, als seien sie mit einer alten Polaroidkamera aufgenommen worden: grünstichig, leicht unscharf, etwas retro. Außerdem sind die Fotos in ihrer Form an die Polaroidquadratur angelehnt.

Dieser Trend legte den Grundstein für die Wiederauferstehung der Firma Polaroid: Der 45-jährige Scott Hardy führt seit 2012 das Unternehmen, früher war er Manager bei Dell und Intel. Er will analoge Fotografie für die digitale Generation attraktiv machen. Was sich anhört wie ein Widerspruch, scheint zu funktionieren. Polaroid verkauft seine Produkte inzwischen in 100 Länder weltweit.

Nur noch 40 Prozent des Umsatzes entstehen innerhalb der USA; Hardy legt in seiner Strategie Wert auf die Vernetzung mit Partnern. Er hat eine Kooperation mit Apple angestoßen, der Konzern verkauft Polaroidfotodrucker, außerdem wurde die Snap-Kamera entwickelt: eine Mini-Polaroid, mit der man die Fotos nicht nur direkt ausdrucken, sondern gleichzeitig auch ins Netz hochladen kann. Also gewissermaßen eine Sofortdruck-Digitalkamera. Sogar die berühmten Testimonials kommen wieder: Lady Gaga wurde vor ein paar Jahren zum „Creative Director“ des Unternehmens berufen.

Vor einem Jahr endete auch das jahrelange Ringen um die Firma. Die Pohlad-Dynastie, eine der reichsten Familien in Minnesota, kaufte die Mehrheit der Firma Polaroid – für 70 Millionen Dollar.

Es bleibt abzuwarten, wie lange die Renaissance des Sofortbildes anhalten wird. Die Polaroidentwicklungskosten sind nicht niedrig. 50 Blatt Fotopapier der Snap kosten fast 30 Euro. Ob das Bedürfnis auch weiterhin groß genug sein wird, Fotos aus der digitalen Bilderschwemme zu reißen und in der Hand zu halten?

Aber vielleicht geht es auch um etwas ganz anderes. Um Vorfreude. Um den kleinen Moment der Spannung, den ein Polaroidbild schenkt. Sehe ich gut aus? Oder ziehe ich wieder eine komische Schnute? In Zeiten der perfekt bearbeiteten Selfie-Klone bieten solche Erlebnisse wieder etwas Menschliches. Und dokumentieren gleichzeitig einen Moment, der vielleicht nicht perfekt ist – aber wenigstens wahrhaftig.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%