Um es gleich vorweg zu sagen: Systemkameras sind zwar kompakter als digitale Spiegelreflexkameras aber keineswegs billiger. Eine Systemkamera ist tendenziell eher teurer als eine Spiegelreflexkamera für Einsteiger. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Sony NEX-6. Allein das Gehäuse kostet 799 Euro. Für ein Standard-Zoomobjektiv mit 18 - 55 Millimeter sind dann 299 Euro fällig. Das wären dann immerhin 1100 Euro für die Kamera. Wer sich dann als engagierter Hobbyfotograf noch ein zweites und drittes Objektiv, eine Tasche, ein Stativ und einen externen Blitz zulegt, der nähert sich rasant der 2000-Euro-Grenze.
Saubere Verarbeitung und durchdachte Bedienung
Im Fall der NEX-6 bekommt man dafür aber auch eine Menge Qualität geboten. Das merkt man schon an der Verarbeitung der Kamera. Alle Bedienelemente sind sauber eingefasst, die Knöpfe reagieren präzise und nicht schwammig. Einstellräder und Drehregler laufen rund und wackeln nicht. Die Sony liegt durch das Gehäuse und die gummiüberzogene Griffwulst sehr gut in der Hand, alle Tasten, Knöpfe und Einstellräder sind leicht zu erreichen. Gemessen an kompakten Digicams ist die Sony ganz schön wuchtig, aber immer noch kleiner als eine Spiegelreflexkamera. Gegenüber der Spiegelreflexkamera hat sie als Systemkamera außerdem den Vorteil, dass sie ohne den störenden Spiegelschlag arbeitet.
Sehr nützlich ist auch das neigbare Display für Aufnahmen über Kopf oder auf dem Boden.
Auch an Zubehör ist kein Mangel. Neben den insgesamt 11 Objektiven aus der E-Serie lassen sich über den optional erhältlichen Adapter auch die Objektive der A-Serie anschließen. Externe Blitzgeräte - auch solche für Makrofotografie -, Zusatzakkus und Ladegeräte gibt es in Sonys Onlineshop.
Das Sony-Design
Bei der Bedienung der NEX-6 spürt man noch, dass Sony ursprünglich nicht aus der Foto-Branche kommt. Traditionelle Fotohersteller wie Nikon oder Canon achten bei ihren Geräten meistens auf eine gewisse Kontinuität im Design, so dass Fotografen bei der Digicam ein ganz ähnliches Look and Feel wie bei einer klassischen Spiegelreflexkamera bekommen.
Die Sony-Designer haben der NEX-6 hingegen ein Design verpasst, das nicht so sehr traditionelles Fotofeeling vermittelt und dafür mehr Funktionalität und Technik in den Vordergrund rückt. Das ist gar kein Nachteil, nach einer gewissen Eingewöhnung lässt sich die Systemkamera von Sony schnell und intuitiv bedienen.
Sensor, Sucher, Bildqualität
Der CMOS Sensor im APS-C-Format (23,5 x 15,6 mm) liefert 16,1 Millionen Pixel, genug für großformatige Ausschnittvergrößerungen. Der verhältnismäßig große Sensor gibt auch ausreichend Spielraum für die Begrenzung der Schärfentiefe, beispielsweise bei Porträtaufnahmen. An der Bildqualität der NEX-6 gibt es ohnehin nichts zu meckern. Die Farben sind sehr natürlich, Schärfe und Auflösung bewegen sich ebenfalls auf dem Niveau einer Mittelklasse-Spiegelreflexkamera.
Wie bei einer Kamera für Hobbyfotografen nicht anders zu erwarten, bietet die Sony zusätzlich zum LC-Display auch einen elektronischen Sucher. Gut für Situationen, bei denen man sich ganz aufs Motiv konzentrieren muss. Der Sucher ist dank OLED-Technik (OLED, organic light emitting diode) sehr hell. Empfindliche Augen werden den Sucher aber nicht mögen, denn er flimmert etwas. Eine clevere Detaillösung ist der kleine Lichtsensor am Sucher. Nähert man das Auge, schaltet sich das große Display von selbst ab.
Fotografieren im Automatik-Modus
Neben der klassischen Programmautomatik gibt es die "intelligente Automatik". Diese arbeitet mit der bei vielen Digicams üblichen Motiverkennung. Die Kamera analysiert das Motiv, und versucht dabei die Szene zu erkennen, also beispielsweise "Nachtszene", "Porträt" oder "Makro". Dementsprechend stellt die Kameraelektronik die Belichtung ein.
Im Automatik-Modus bereitet die Kamera keine Probleme. Belichtung und Schärfe passen in den allermeisten Fällen, vorausgesetzt, das Motiv ist nicht gerade am Bildrand oder im Gegenlicht. Auch die Serienbildfunktion macht sich gut. Die Sony schafft bis zu zehn Bildern pro Sekunde und zwar so lange, wie man auf den Auslöser drückt.
Gesichtserkennung und Schärfenachführung
Ist die Option "Motivverfolgung" aktiviert, dann wird die Schärfe bezogen auf ein bestimmtes Motiv oder eine Bildpartie laufend nachgeführt. Vor allem bei sich schnell bewegenden Motiven und bei Serienbildern ist das sinnvoll. Eine Variante der Motivverfolgung ist die Gesichtserkennung. Praktisch, wenn man eine bestimmte Person, die beispielsweise die Straße entlangläuft, fotografieren will. Die NEX-6 setzt dabei einen Rahmen um das Gesicht, den der Fotograf durch halbes Niederdrücken des Auslösers bestätigt und fortan folgt der Fokus der Person, die sich vor der Kamera bewegt.
Solche Features gehören natürlich auch bei Kompaktkameras mittlerweile zur Standardausstattung. Wie gut sie tatsächlich funktionieren, hängt aber davon ab, wie schnell Belichtungsmessung und Fokus der Kamera arbeiten. Hier macht die NEX-6 im Praxistest eine sehr gute Figur und kann durchaus mit einer Spiegelreflexkamera mithalten. Zwar kann die Kameraelektronik auch nicht zaubern und stößt in bestimmten Situationen an ihren Grenzen, beispielsweise wenn das Motiv zu klein ist, sich zu schnell bewegt oder wenn es zu dunkel ist. Doch bei hellem Tageslicht die Freundin, die fröhlich durch die Gegend hopst, in Serienbildern einzufangen, ist für die Sony kein Problem.
Manuelle Einstellmöglichkeiten
Ehrgeizige Fotografen lassen die Automatik-Modi links liegen und nutzen die manuellen Einstellmöglichkeiten, die jede gute Kamera zur Verfügung stellt. Davon bietet die Sony eine ganze Menge. Beim Fokus beispielsweise kann man zwischen Mitte, Mehrfeldmessung oder Flexible Spot wählen. Geübte Fotografen stellen über den Fokussierring am Objektiv scharf.
Auch bei der Belichtung stehen alle Steuerungsmöglichkeiten, die man sich als Fotograf wünscht zur Verfügung: Blendenvorwahl, Zeitvorwahl, manuelle Belichtung, ISO-Wert anpassen, Belichtungskorrektur - alles ist möglich.
Handbuch als PDF
Das Bedienkonzept, das es ermöglichen muss, all diese Optionen und Einstellungen möglichst schnell und intuitiv aufzurufen, ist bei der NEX-6 ebenfalls gelungen. Mit dem Drehregler auf der Oberseite der Kamera stellt man je nach voreingestelltem Modus Werte wie Verschlusszeit oder Blende ein. Über das Einstellrad und zwei Softkeys gelangt man schnell zu den jeweiligen Optionen, die Menüführung auf dem 7,5-Zentimeter großen LC-Display ist ebenfalls übersichtlich und logisch aufgebaut.
Ein bisschen Lektüre im 250 Seiten starken Handbuch ist aber angesichts der zahlreichen Einstellmöglichkeiten sinnvoll. Das Handbuch gibt es leider nur als PDF, so kommt man fast nicht darum herum, sich wenigstens die wichtigsten Kapitel im Copyshop ausdrucken zu lassen.
Technische Highlights
Wie bei Sony üblich gibt es auch ein paar technische Highlights. So zum Beispiel die "überlegene Automatik". Hinter dem so schief ins Deutsche übersetzten Begriff verbirgt sich eine Funktion, die für ein Foto gleich 6 Bilder mit sehr kurzer Verschlusszeit und unterschiedlicher Belichtung schießt. Daraus montiert die Kamera schließlich ein optimal belichtetes Bild. Nicht zu verwechseln mit der HDR-Fotografie. Diese macht nur drei Fotos von einem unbewegten Motiv. Dafür ist ein Stativ nötig.
Dank Wi-Fi-Modul zeigt sich die Sony auch aufgeschlossen für die Welt der Apps. Die NEX-6 kann über den Wi-Fi-Anschluss direkt Apps von einer speziellen Sony-Seite ("PlayMemories Camera Apps") herunterladen. Diese ergänzen die interne Kamerasoftware mit neuen Funktionen. Das Herunterladen und Überspielen auf die Kamera funktioniert aber auch über PC und USB-Kabel.
Fazit: Teuer aber gut
Die Sony NEX-6 bietet durch den großen APS-C-Sensor und die hochwertigen Objektive eine Bildqualität auf dem Niveau einer Mittelklasse-Spiegelreflexkamera. Daneben besticht die Sony durch ein funktionales und durchdachtes Bedienkonzept. Die Möglichkeit, den Funktionsumfang der Kamera durch Apps zu erweitern, macht die NEX-6 auch für Hightech-Fans mit Spieltrieb attraktiv. Der Preis von 799 Euro für das Gehäuse ist gerade noch akzeptabel.