Sensoren Wie die Selbstvermessung den Sport erobert

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Preissturz erschließt neue Nutzergruppen

Dabei erschließt der Preissturz der Sensoren ganz neue Nutzergruppen für die Technologie. So stellte etwa das australische Unternehmen Sports Performance Tracking Anfang Januar auf der Elektronikmesse International Consumer Electronics Show in Las Vegas ein neues Sensorsystem für Sportmannschaften zum Kampfpreis vor. Knapp unter 300 Euro soll ein Messfühler nur noch kosten. Pro Fußball-Elf summiert sich das zwar noch auf umgerechnet rund 3000 Euro.

Mindestens für Teams der oberen Aschenplatz-Ligen aber wird das bezahlbar – und bietet eine Vielzahl der Analyseoptionen bisher deutlich teurerer Systeme. Allerdings funktionieren die Sensoren mit GPS-Satellitenpeilung und sind damit nur für Sportarten unter freiem Himmel geeignet.

Drinnen wie draußen funktioniert dagegen ein anderes vernetztes Sportgerät. Bei den Australian Open spielten gerade die Tennis-Profis Rafael Nadal und Caroline Wozniacki erstmals mit smarten Schlägern des französischen Herstellers Babolat. Die registrieren unter anderem die Härte des Schlages, ob Vorhand oder Rückhand gespielt wurde oder die Stelle, an der der Ball auf den Schläger traf. Via Bluetooth-Funk wandern diese Informationen zur Analyse-App im Tablet oder Smartphone. Mit rund 300 Euro dürfte die Technik für ambitionierte Amateure durchaus interessant sein.

Die Fitness-Trainer am Handgelenk
Samsung Gear Fit (Preis: ca. 200 Euro)Ein Display, das sich dem Handgelenk anschmiegt: Unter den Wearables, also der Technik zum Anziehen, bietet Samsung auf dem Gear Fit das weltweit erste gewölbte Display. Darauf haben Sportler auch beim Jogging Termine, E-Mails und persönliche Nachrichten stets im Blick. Somit geht Samsung über reine Fitness-Tracker-Funktionen hinaus und hat ein Gadget auf Smartwatch-Niveau herausgebracht. Wichtiger für den Sport ist jedoch der eingebaute Pulssensor, dank dem das Armband stets die Fitnesswerte des Trägers anzeigt. Quelle: Samsung
LG Lifeband Touch (noch nicht erschienen)Ebenfalls aus Südkorea, ebenfalls ein Fitness-Tracker mit Smartwatch-Funktionalität: LG hatte zum Jahresanfang sein Lifeband Touch vorgestellt. Auf dem Display können Sportler Nachrichten lesen, Anrufe annehmen und den Musik-Player ihres Smartphones steuern. Die dazugehörigen „Heart Rate“-Kopfhörer sollen die Herzfrequenz anhand des Blutflusses in den Ohren erfassen können. Quelle: LG
TomTom Runner Cardio GPS (Preis: ca. 270 Euro)Mit der im April vorgestellten TomTom Runner Cardio GPS können Sportler darauf verzichten, ihre Herzfrequenz mit einem Brustgurt zu messen – das übernimmt die Sportuhr. Der Herzfrequenzmesser erfasst mit LED-Sensoren den Blutfluss. Nutzer können aus fünf Sportprogrammen auswählen und diese Intensitätsstufen nach ihren persönlichen Bedürfnissen anpassen. Quelle: Screenshot TomTom
Razer Nabu (noch nicht erschienen)Nachdem sich Razer bisher einen Namen mit Mäusen und Tastaturen gemacht hat, wagt sich der Gaming-Zubehör-Hersteller nun auf den Markt der Fitness-Tracker mit Smartwatch-Eigenschaften. Das Razer Nabu besitzt zwei Displays: Einen öffentlichen Bildschirm an der Oberseite des Handgelenks und einen privaten an dessen Unterseite. Das öffentliche Display zeigt lediglich die Tatsache an, dass eine Nachricht eingegangen ist oder eine bestimmte sportliche Leistung erbracht wurde. Damit nicht gleich jeder den Inhalt mitbekommt, muss der Träger sein Handgelenk umdrehen, um auf seinem privaten Bildschirm genaueres zu erfahren. Quelle: Razer
Jawbone Up24 (Preis: ca. 150 Euro)Seit Ende März ist das Up24 von Jawbone nun auch in Deutschland erhältlich. Das US-Hersteller konzentriert sich bei seinem Gadget auf die Fitness-Funktionen: Der Schrittzähler errechnet verbrauchte Kalorien, analysiert Schlafphasen und weckt den Nutzer bei Bedarf mit einem stillen Alarm. Quelle: Jawbone
Fitbit Flex (Preis: ca. 100 Euro)Das Armband Fitbit Flex verzichtet auf einen LED-Bildschirm und setzt stattdessen auf Lämpchen, die den Fortschritt zum Trainingsziel anzeigen. Das Gerät zeichnet Schritte, zurückgelegte Strecke, verbrannte Kalorien und den Schlafrhythmus auf – und weckt den Träger morgens geräuschlos. Steuern lässt sich das Band per Smartphone oder Laptop. Quelle: Fitbit
Bowflex Boost (Preis: ca. 50 Euro)Das US-Fitnessunternehmen Bowflex bietet sozusagen eine Ampel fürs Training. Erst, wenn das Tagesziel erreicht wurde wechselt die Anzeige von rot zu grün. Quelle: Screenshot Bowflex

Schließlich liefert die App auf Wunsch schon während des Trainings Tipps, wie Spieler die Technik verbessern können: „Wer den Topspin heute nur zu 60 Prozent richtig trifft, der möchte sich im nächsten Training auf 70 Prozent steigern“, sagt Forscher Eskofier von der Uni Erlangen-Nürnberg. Zudem misst die App das Niveau des Spielers in Leistungslevels, die sich mit Gleichgesinnten vergleichen lassen: „Wer genug trainiert, steigt im Level auf, wer sich hängen lässt, steigt ab“, so Eskofier.

Wer bekommt welche Daten?

Doch bei aller Euphorie um die Vermessung des Sports – Daten sind nicht der Hort unbegrenzter Möglichkeiten. Nicht jeder Hobbyathlet wird dank eines vernetzten Fitnessshirts zum Spitzenathleten.

Wohl aber ziemlich gläsern: Denn wer sich per App vermessen lässt, willigt meist ein, dass die Sensorhersteller die Daten nutzen dürfen. „Wenn Firmen ihren Kunden Online-Konten bereitstellen, haben sie auch Zugriff auf deren Daten“, mahnt Angela McIntyre, Analystin vom Marktforschungsinstitut Gartner. Das gebe den Unternehmen zumindest theoretisch die Möglichkeit, die Informationen zu tauschen oder zu verkaufen – an Gesundheitsfirmen, Versicherungen oder Arbeitgeber.

Und so warnen Datenschützer vor potenziellem Missbrauch so persönlicher Informationen wie Herz- oder Lungenaktivität, wie sie moderne Fitnessshirts sammeln. Doch dass das den Siegeszug des vernetzten und vermessenen Sports aufhält, ist kaum zu erwarten. Schon jetzt zählen Fitness-Apps und -Tracker zu den Bestsellern in App-Stores und Online-Shops – allen Datenschutzbedenken zum Trotz.

Ein Verlierer der Digitalisierung dürfte damit schon feststehen: die persönlichen Trainer. „Wenn Sensoren immer günstiger werden, verlassen sich viele Sportler häufiger auf die Technik als auf menschliche Trainer“, glaubt Sportwissenschaftler Edelmann-Nusser aus Magdeburg. Zumal sich das rechnen kann: Der Handsensor von Zepp Golf kostet knapp 150 Euro, eine Trainerstunde auf dem Golfplatz Düsseldorf Grafenberg hingegen 60 bis 70 Euro.

Johan Roijakkers, der Göttinger Basketball-Trainer, hat trotzdem keine Sorgen, von Sensoren verdrängt zu werden – selbst wenn die Auswertung des Trainings in der Turnhalle am Ende eine optimale körperliche Belastung der Spieler dokumentiert. „Taktisch und spielerisch aber bleibt noch genug zu tun“, so der Trainer. Immerhin, das Ligaspiel darauf haben die Göttinger gewonnen – und sind ihrem Ziel Klassenerhalt einen Schritt näher gekommen.

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