Spionagefalle Smartphone Wenn die Schnüffel-App schon eingebaut ist

Vorsicht, Spionage: Immer mehr Billighersteller aus China bringen Mobiltelefone mit fest installierter Spähsoftware auf den Markt. Experten warnen vor der wachsenden Gefahr.

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Vorsicht Spionagefalle: Billighersteller aus China installieren Spähsoftware. Quelle: Mario Wagner für WirtschaftsWoche

Manchmal fühlt sich Christian Geschkat wie der Notarzt in einem Krankenhaus, das den Ausbruch einer Epidemie verhindern muss. Alle 14 Sekunden schlagen die Schutzprogramme in seinem Prüflabor Alarm und melden den Angriff eines neuen Smartphone-Virus. „System infiziert“ leuchtet dann auf dem Kontrollmonitor in Geschkats Büro auf, der beim Bochumer Sicherheitsspezialisten G Data Software den Bereich Mobile Sicherheit leitet.

Von den Kunden heruntergeladene Sicherheits-Apps melden solche Virusattacken an das Unternehmen zurück. Meist sind die Viren so programmiert, dass sie das infizierte Smartphone in eine Abfangstation für sensible Daten aller Art verwandeln.

Gefahr aus China

Dabei bereitet eine noch sehr kleine, aber besonders tückische Gruppe von Spionageprogrammen Geschkat besonders viel Kopfzerbrechen. Denn gefährlich sind sie vor allem, weil es bisher kein Gegenmittel gibt. Die Spionageprogramme sind sehr tief in der Software frisch ausgelieferter Smartphones chinesischer Hersteller versteckt und lassen sich nicht entfernen. „250 Geräte mit vorinstallierten Spionagecodes haben wir bereits gefunden“, warnt G Data im neuesten Gefahrenbericht, den die WirtschaftsWoche vorab einsehen konnte.

So enttarnen Sie Schnüffler auf dem Handy
Vor dem Download: Kommentare lesen und Rechte hinterfragenWenn eine App mehr wissen will, als sie sollte, finden sich darüber recht schnell Kommentare im Appstore. Außerdem sollte sich jeder Nutzer vor dem Download fragen, ob ein einfaches Programm wie eine Taschenlampen-App wirklich auch die Positionsdaten per GPS erfassen muss – oder ob es ihr nicht nur darum geht, Daten zu sammeln und weiter zu reichen. Quelle: dpa
Auf die IMEI-Nummer achtenDank der International-Mobile-Equipment-Identity-Nummer (IMEI-Nummer) lässt sich der Handybesitzer über den Provider eindeutig zuordnen. Dann können die neugierige Apps zu den gesammelten Daten auch die Identität dahinter zuordnen. Bei Android heißt das Rech,t die IMEI-Nummer herauszufinden "Telefonstatuts lesen und identifizieren". Quelle: REUTERS
Clueful Privacy AdvisorDownload oder kein Download? Bei dieser Frage hilft die App Clueful Privacy Advisor. Dank einer Online-Datenbank, auf die sie zugreift, gibt sie darüber Auskunft, von welchen Apps ein niedriges, moderates oder hohes Risiko für die Privatsphäre ausgeht. Quelle: Screenshot
RedPhoneDie NSA überwacht außer dem Internet, auch Telefonate. Wer nicht will, dass jemand mithört kann mit der App RedPhone abhörsichere Internettelefonate zwischen Android-Handys führen. Quelle: Screenshot
SilentPhoneAußer Telefonaten verschlüsselt SilentPhone auch Textnachrichten und Mails. Quelle: Screenshot
Ad Network Scanner & DetectorViele App-Betreiber sind Mitglied in sogenannten Werbenetzwerken, die das Nutzungsverhalten erfassen. Der Ad Network Scanner & Detector untersucht Apps auf Komponenten von 35 Werbenetzwerken. Nach dem Scan listet die App die aktiven Werbenetze mit Informationen dazu auf, wie die Netze funktionieren und welche Daten sie sammeln. Der Vorteil: Das Programm entdeckt nicht nur Schnüffel-Apps, sondern bietet mit der Opt-Out-Funktion auch an, das Datensammeln einer App für Werbezwecke abzustellen. Quelle: Screenshot
tPacketCaptureDie App schneidet den Datenverkehr von Apps mit und wertet ihn aus. So testet sie, welche Programme auf dem Smartphone besonders neugierig sind. Quelle: Screenshot

Die Mobilfunkbranche ist damit mit einem Sicherheitsproblem in ganz neuer Qualität konfrontiert. Bösartige Spähfunktionen gehören nun zur Grundausstattung fabrikneuer Smartphones und verwandeln jedes befallene Gerät in eine Abhörstation.

Das Spionageprogramm ist ein Tausendsassa, der Hackern oder Geheimdiensten im Prinzip ungehinderten Zugriff auf alle sensiblen Daten verschafft: Sie können SMS, Telefonate und Gespräche abfangen und mithören sowie jederzeit den Standort orten. Mehr noch: Im Namen des Smartphone-Besitzers können Betrüger in Onlineshops einkaufen und das Onlinebankkonto belasten. Denn auch die per SMS übermittelten Zugangscodes können sie mitlesen. Neben Handys asiatischer Billighersteller trifft es auch Geräte von Huawei, Lenovo und Xiaomi. Was sie gemein haben: Die neuen Spähfunktionen attackieren – wie fast alle Schadprogramme – Smartphones mit dem weltweit meistgenutzten Betriebssystem Android von Google.

Die Hacker gehen dabei mit hoher krimineller Energie vor. In der Regel verstecken sie das Spionageprogramm in vorinstallierten Apps wie zum Beispiel Facebook und verknüpfen es so fest mit der ins Gerät eingebetteten Software, der sogenannten Firmware, dass sie keine Spuren hinterlassen. Selbst aufmerksame Kunden schöpfen keinen Verdacht. Enttarnen können die Kunden solch einen Spionageangriff, indem sie direkt nach dem Auspacken des Smartphones eine Sicherheits-App installieren und das Gerät nach Schadsoftware durchsuchen.

Wer im zweiten Quartal 2015 die meisten Smartphones verkaufte

Die fest eingebauten Spionageprogramm auf Android-Smartphones sind erste Auswüchse eines Preiskampfes, der weltweit auf dem Smartphone-Markt tobt. Insbesondere Billiganbieter lagern ihre Geräteproduktion an Auftragsfertiger aus, die sich schwer kontrollieren lassen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Weltmarktführer Samsung mit seinen Premiummodellen von einem Absatzrekord zum nächsten eilte. Für das erste Halbjahr 2015 meldete der US-Marktforscher Gartner erstmals weltweit einen Absatzeinbruch von 8,7 Prozent für den Konzern aus Südkorea. Dabei hält der Smartphone-Boom unvermindert an.

Samsung vom Thron stoßen

Gefragt sind jedoch plötzlich die preiswerteren Modelle chinesischer Anbieter wie Huawei, Lenovo und Xiaomi. Mit einem Plus zwischen 10 und 30 Prozent gehören sie zu den Gewinnern des Jahres 2015. Und das soll erst der Beginn einer langfristig angelegten Aufholjagd sein. Huawei und Lenovo wollen Samsung vom Thron stoßen. „Bis spätestens 2022“, kündigten beide Unternehmen kürzlich unabhängig voneinander an, „wollen wir Weltmarktführer bei Smartphones werden.“

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