Surface 2 Microsoft im Tablet-Dilemma

Mit der ersten Generation seiner Tablet-Computer hat Microsoft mehr Abschreibungen als Umsatz generiert. Nun kommt das Surface 2 in den Handel. Was das Tablet drauf und ob es bessere Chancen hat. Eine Analyse.

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Microsoft Surface Pro 2 Quelle: AP

Neues Spiel, neues Glück – getreu diesem Motto versucht Microsoft ab dem 22. Oktober erneut, auf dem Wachstumsmarkt der Tablet-Computer Fuß zu fassen und mit den neuen Modellen Surface 2 und Surface Pro 2 endlich nennenswerte Stückzahlen zu verkaufen. Denn die Erstauflage der Flachrechner muss man getrost als teuren Fehlschlag abschreiben: Laut einem bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereichten Bericht hatte der Windows-Riese bis Ende Juni gut 850 Millionen Dollar Umsatz mit den Modellen Surface und Surface RT gemacht, zugleich aber 900 Millionen Dollar auf unverkaufte Geräte abschreiben müssen.

Nun also der zweite Anlauf mit den beiden überarbeiteten Modellen. Haben sie bessere Chancen gegen Apples iPads oder die vielfältigen Ableger von Samsungs Galaxy Tab?

Das kommt entscheidend darauf an, was man damit anstellen will. Denn auch wenn beide Modelle sich äußerlich stark ähneln – Microsoft ist seiner kantigen Bauform treu geblieben und den Formfaktor beider Tablets so gut wie nicht verändert – im Grunde sind sie für es völlig unterschiedliche Nutzungsszenarien konzipiert.

Während der inzwischen nur noch „Surface 2“ genannte „kleinere“ Rechner primär als Tablet-Computer gedacht ist (also leicht und schlank gebaut und mit Laufzeiten von bis zu zehn Stunden Videowiedergabe gesegnet), ist der „große“ nun „Surface Pro 2“ genannte Rechner im Grunde ein verkappter PC mit entsprechender Rechenpower (Intel Core i5, Prozessor, Grafik-Chip, 720p-HD-Kameras etwa für Videokonferenzen, etc.).

Insofern spielt der Surface Pro 2 im Grunde in einer eigenen Liga – auch preislich: Das am schwächsten ausgestattete Modell mit 4 Gigabyte Arbeits- und 64 Gigabyte Programm- und Datenspeicher ist mit 879 Euro genau 180 Euro teurer als etwa Apples 64-Gigabyte iPad. Und wer die leistungsstärkste Konfiguration des Surface Pro 2 wählt (mit acht Gigabyte RAM und 512 Gigabyte SSD Speicher) der muss sogar 1779 Euro hinblättern.

Das ist, selbst wenn man vergleichbar ausgestattete Ultrabook-Laptops zum Vergleich heranzieht, noch immer eine Menge Geld: Samsungs Ativ Book 9 etwa, ebenfalls mit einem der teuren 512-Gigabyte-SSD-Speicher ausgestattet, ist einen glatten Hunderter günstiger.

Doch so teuer muss es ja nicht sein, auch in den weniger opulent ausgestatteten Konfigurationen gibt sich der neue Surface Pro 2 alles andere als schwachbrüstig – und wem die 64 Gigabyte Speicher an Bord nicht reichen, der rüstet halt mit einer Mikro-SD-Karte Speicher nach. Den entsprechenden Steckplatz an der Seite ließen Apples iPads bisher ja allen Kundenwünschen zum Trotz vermissen. Die Stärke des sowohl bei seiner Prozessorleistung als auch bei der Akku-Laufzeit merklich verbesserten Surface Pro 2 liegen also in seiner Flexibilität, sowohl als leicht transportables, nur gut 900 Gramm schweres, Tablet dienen zu können als auch als ziemlich vollwertiger Notebookersatz herhalten zu können.

Alle regulären PC-Anwendungen laufen

Für Tipper, Maler und Wischer
Flacher Hoffnungsträger: Mit dem Surface Pro will sich Microsoft einen Teil des schnell wachsenden Tablet-Marktes sichern. Quelle: dpa
Eine Alternative zu iPad und Android-Geräten? Als Betriebssystem installiert Microsoft das hauseigene Windows 8, das für Touchscreens optimiert ist. Quelle: Martin Dowideit
Microsoft bietet sein Surface Pro mit zwei unterschiedlichen Tastaturen an. Die flache Variante Touch Cover nimmt weniger Platz ein, das Type Cover ist etwas dicker, hat dafür aber einen besseren Druckpunkt. Quelle: Martin Dowideit
Das Tastaturmodell Touch Cover dient gleichzeitig als Schutzabdeckung. Quelle: Martin Dowideit
Klick und dran: Angedockt werden die Tastaturen per Magnet. Quelle: Martin Dowideit
Innen praktisch, außen weich: Auf der Rückseite ist die Type-Cover-Tastatur mit Stoff gepolstert. Quelle: Martin Dowideit
Zum Malen und Scribbeln: Microsoft liefert das Surface Pro mit einem Stylus aus. Quelle: Martin Dowideit

Denn immerhin laufen auf dem Flachmann dank der Vollversion von Windows 8.1 alle regulären PC-Anwendungen. Damit eignet sich der Rechner insbesondere im Business-Umfeld, das Microsoft auch ganz klar mit dem Surface Pro 2 anpeilt. Für diese Kunden nämlich zählt weniger die Zahl für die Software-Plattform verfügbarer Tablet-Apps (wo Microsofts Windows 8-Serie Apples iOS- und Googles Android-Welt weiter deutlich hinterher hinkt) sondern die Möglichkeit, eigene Business-Anwendungen – aus der PC-Welt – auf dem Tablet laufen zu lassen. Und das leistet gegenwärtig eben keiner der Apple- oder Android-Flachmänner.

Das Leben mit dem Surface Pro 2 als PC-Ersatz funktioniert vor allem in Verbindung mit dem – allerdings weiterhin aufpreispflichtigen – Type Cover 2 sehr gut. Das ist ein ziemlich genialer Ansteckdeckel, der zugleich (trotz minimaler Bauhöhe von wenigen Millimetern Dicke) eine richtige, physische Tastatur beherbergt, die bei Bedarf sogar beleuchtet ist und so das Arbeiten im Dunklen extrem erleichtert. Zumal die Type-Cover-Tastatur nur wenige Zentimeter schmaler ist als das Kerntastenfeld einer regulären PC-Tastatur. Wer sein Surface Pro 2 solcherart zum Notebook-Ersatz umrüsten will, zahlt knapp 130 Euro fürs Type Cover 2.

Für knapp 120 Euro gibt es das noch schlankere Touch Cover 2, das nur 2,76 Millimeter dick ist, dafür aber auch nur aus Stoffgewebe besteht in das die Tastenfelder leicht erhoben eingeprägt sind. Dank insgesamt 1000 im Stoff verborgener Sensorfelder arbeitet das neue Touch Cover allerdings merklich exakter als sein Vorgänger der ersten Surface-Generation. Selbst Fingergesten, wie etwa Zurückwischen über mehrere Tasten zum Löschen von Eingaben, sind beim Touch Cover 2 nun möglich.

Und weil aller guten Dinge drei sind, kommt demnächst sogar noch eine dritte Tastatur dazu. Das sogenannte Power Cover, in dem unter den Tasten noch ein Zusatzakku steckt, der die Laufzeit des Surface Pro 2 bis zu verdoppeln soll. Liefertermin und Preis hat Microsoft allerdings noch nicht verraten.

Wie aber schlägt sich der kleinere Surface 2 gemessen an der Apple- oder Android-Konkurrenz? Formal zumindest nicht chancenlos. Zu Preisen ab 429 Euro für die 32-Gigabyte-Variante liegt das Gerät ziemlich genau in der Mitte zwischen dem bei gleicher Speicherausstattung 170 Euro teureren iPad und dem rund 100 Euro billigeren Galaxy Tab 3 10.1, der allerdings auch nur 16 Gigabyte Speicher mitbringt.

Beim Gewicht nur 24 beziehungsweise 166 Gramm schwerer als etwa iPad oder Galaxy Tab 3 ist Microsofts Neuauflage im wahrsten Wortsinn gut tragbar. Bei den Gehäusemaßen ist das Surface 2 wegen des 10-Zoll-FullHD-Displays im 16:9-Format etwas schlanker, dafür aber etwas höher als das iPad und zumindest etwas höher auch als das Galaxy Tab 3. Trotzdem ist das Gerät alles andere als klobig und trotz der ziemlich kantigen Bauform nicht unangenehm zu halten.

Apps bleiben die Schwachstelle

Die Fakten zum Microsoft-Tablet
Das Surface stellt eine Zäsur in der Geschichte von Microsoft dar. Statt nur die Software zu liefern, bietet Microsoft jetzt auch gleich das Gerät mit an. Das tat Microsoft bisher nur in Ausnahmefällen wie Eingabegeräten und der Spielekonsole Xbox. Doch was kann das Tablet? Die Fakten im Überblick. Quelle: Reuters
Grundsätzlich kommt das 10,6 Zoll große "Surface" in zwei verschiedenen Versionen auf den Markt. Eine für Heimanwender mit ARM Prozessor und in der reinen Tablet-Version des neuen Betriebssystems Windows 8 - RT genannt. Das Modell für professionelle Nutzer ist mit 13,5 Millimeter etwas dicker (einfache Variante: 9,3 Millimeter), hat aber auch einen deutlich leistungsfähigeren i5-Prozessor von Intel und die Pro-Variante von Windows 8. Größtes Plus der Variante mit i5-Prozessor: Auch normale Windows-Software läuft auf dem Gerät. Quelle: dapd
Ein weiterer Hardware-Unterschied zwischen der RT genannten Einsteiger-Version und dem Pro-Modell sind die Anschlüsse. Das Surface RT muss mit einem USB 2.0-Anschluss und einem MicroSD-Slot auskommen, während das Surface Pro einen Anschluss mit USB 3 und einen microSDXC-Karten-Slot bietet. Einen Mini-Display-Port hat ebenfalls nur das Pro-Modell. Beide Varianten werden mit 32 oder 64 Gigabyte internem Flash-Speicher angeboten. Quelle: AFP
Eine Besonderheit gegenüber anderen Tablets, die beide Versionen des Surface haben: Der ausklappbare Ständer. Die 0,7 Millimeter dicke Metallklappe ist mit drei Scharnieren am Body befestigt und soll so laut Microsoft auch auf längere Zeit ausreichend Stabilität bieten. Quelle: AFP
Neben zwei Leistungs-Versionen gibt es auch zwei Varianten des Covers. Diese werden ähnlich wie das SmartCover bei Apples iPad magnetisch an dem Tablet befestigt. Doch die Microsoft-Cover sollen nicht nur das Display schützen, sie haben auch beide eine Tastatur integriert. Hier kommt auch der Unterschied: Das drei Millimeter dicke TouchCover (auf dem Bild in pink) hat keine fühlbaren Tasten, sondern reagiert nur auf Druck. Das TypePad (im Bild schwarz) ist mit fünf Millimetern zwar etwas dicker, hat aber im Gegensatz zum TouchCover richtige Tasten, die bis zu 1,5 Millimeter nachgeben. Quelle: dapd
Das Gehäuse beider Modelle ist aus einer Magnesium-Legierung, die Microsoft "VaporMg" nennt. Mit einem Gewicht von 676 Gramm liegt die RT-Version auf dem Niveau des iPad 3, das Pro-Modell wiegt mit 903 Gramm deutlich mehr. Allerdings soll sich das Surface Pro auch von seinen Leistungsdaten her gegen die Ultrabooks als gegen das iPad positionieren. Quelle: dapd
Zudem lässt sich das Surface Pro auch mit einem Stift bedienen. Quelle: dapd

Ein wirklicher Clou ist der wie schon in der Erstauflage der Geräte integrierte Standfuß, der sich nun aber in zwei Stufen neigen lässt. Damit ist auch das Tippen oder Betrachten von Filmen oder Präsentationen wesentlich leichter, wenn man das Gerät beispielsweise im Zug oder beim Warten im Flughafen auf die eigenen Knie stellt. Wer es komfortabler beim Tippen mag: alle Anstecktastaturen des Surface Pro passen auch ans „kleine“ Tablet.

Bleibt die unvermeidliche Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit der Windows-Plattform. Hier lockt Microsoft unter anderem mit der Synchronisation aller seiner Geräteplattformen – PC, Tablet und Smartphone – durch einheitliche Nutzerprofile. Wer will, synchronisiert Kontakte, Bilder, Hintergründe, Konfiguration, Web-Lesezeichen im Browser und sogar Nutzerkonten von Sozialen Netzwerken ohne nennenswerten Aufwand zwischen allen Geräten, auf denen er mit seinem Nutzerprofil angemeldet ist.

Dazu kommt die nun vollständige Integration seiner Office-Suite (jetzt einschließlich Outlook) – auch – ins Surface 2, auf dem ansonsten eben keine regulären PC-Anwendungen lauffähig sind. Zudem packt der Software-Riese 200 Gigabyte Cloud-Speicher in seinem Skydrive-Dienst sowie ein Jahr kostenlose Skype-Telefonate in seine Surface 2 und Surface Pro 2 Pakete. Zudem hat Microsoft viel Geduld und noch mehr Geld investiert, um die Entwickler-Community zu motivieren, Apps für Windows 8 (oder im Fall der beiden neuen Tablets nun Windows 8.1) zu programmieren. Und das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Lag die Zahl im Frühjahr dieses Jahren noch bei gut 50.000 Stück, so meldete das Unternehmen Anfang Juli bereits die doppelte Zahl von 100.000 Stück. Pünktlich zum Launch von Windows 8.1. steht nun sogar eine Facebook-App zum Download bereit.

Dennoch ist und bleibt das Software-Angebot die Schwachstelle der Tablet-Rechner. Denn trotz der Aufholjagd sind noch immer viele, vor allem für spezielle Lösungen gedachte Anwendungen weiterhin nicht auf den Windows-Tablets lauffähig. Das reicht von Programmen wie etwa dem bei Gamern beliebten Sprachdienst Teamspeak, der an CB-Funk erinnert, über Apps zur Steuerung von Sonys Ansteck-Kameras QX10 und QX 100, bis zur App-Fernbedienung, die Philips für seine Hue-LED-Lampen oder Panasonic für seine Online-fähigen DVD-TV-Recordern anbietet. Wer solche Anwendungen nutzen will, steht – zumindest vorerst – mit Windows-Tablets weiterhin auf verlorenem Posten.

Technisch, soviel ist klar, sind die Surface-Tablets der zweiten Generation absolut konkurrenzfähig. Der künftige Erfolg der Plattform wird viel mehr dadurch entschieden, ob es Microsoft gelingt, das Manko des weiterhin begrenzten App-Angebotes noch schnell genug zu beheben. Und, ehrlich gesagt, genau an diesem Dilemma hängt auch die Frage der Zukunftsfähigkeit der gesamten Windows-Plattform – auf Tablets, PCs und Smartphones gleichermaßen.

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