Technik-Oldies Erfindungen, die sich zu Recht gehalten haben
Die Meldung, dass US-Atomstreitkräfte noch immer Computer aus den Siebzigerjahren und Floppy-Disks nutzen, sorgt für Wirbel. Ob Disketten, Schreibmaschinentastaturen oder mechanische Uhren: Manch betagte Erfindung gibt es immer noch - und das ist gut so.
Diskette
Wer auf das Speichern-Symbol eines Windows-Rechners klickt, begegnet ihr: der Diskette. Dutzende Mal am Tag fahren wir mit dem Mauszeiger auf das Icon, um einen Text auf der Festplatte oder Musik auf dem Handy zu sichern. Viele der jungen Digital Natives werden kaum wissen, wofür das Symbol steht, Ältere halten sie längst für ausgestorben. Doch gibt es sie noch, die Diskette. In den Großrechnern der US-Atomraketenarsenale versehen Exemplare der allerersten Generation im riesigen Acht-Zoll-Format (20 Zentimeter!) ihren Dienst. Und das hat gute Gründe: In Flugzeugen, Röntgengeräten und anderen alten Maschinen mit vielen Jahrzehnten Lebensdauer lohnt kein Umrüsten etwa auf moderne USB-Speichersticks. Auch wenn gerade mal 1,44 Megabyte (MB) auf eine 3,5-Zoll-Scheibe passen, was nicht einmal für eine Power-Point-Präsentation reicht. Einer der letzten weltweit verbliebenen Anbieter, das sauerländische Unternehmen Xlyne, verzeichnet sogar wieder eine steigende Nachfrage von über einer Million Stück im Jahr – auch, weil die großen Anbieter das Geschäft aufgegeben haben.
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Auch immer mehr Besitzer von Tonbandgeräten erinnern sich an ihre Schätze und lassen sie bei Spezialisten wie Frank Sittinger überholen. Der Ingenieur aus Rheinland-Pfalz ist auf Wochen ausgebucht. Die Schweizer Edelmarke Revox wiederum produziert seit 2015 wieder Tonköpfe – für gut 400 Euro das Stück. Die französische Firma Pyral, letzter Hersteller von Tonbändern, verzeichnet steigende Nachfrage. Die Kunden wollen nicht irgendwo aus der Cloud Musik streamen, sondern lauschen lieber ihren Mitschnitten von Radiosendungen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren.
Auch jenseits der analogen Tonträger gibt es erstaunlich viele Technologien, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Längst gäbe es jeweils bessere, modernere, oft auch günstigere Lösungen – und doch halten sie sich. Dafür gibt es drei Gründe:
Die Pfadabhängigkeit: Ist ein Grundstein gelegt, wird ein Prinzip weiterentwickelt, nicht neu erfunden (zumindest vor dem Zeitalter der Disruption). So überlebten Schreibmaschinentastatur und Cessna 172.
Niedrige Kosten, gute Funktionalität: Diese Kombination rettete Diskette, Stethoskop, Rohrpost, Stenografie und CB-Funk.
Die Aura von Nostalgie: Sie verleitet Menschen immer wieder dazu, bei Schallplatte, Flipper, Farbfilm, Ural-Motorrad oder mechanischer Uhr zuzugreifen.
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Die Liebhaber preisen ihren unverfälschten Klang, ergötzen sich am feinen Knistern beim Abspielen. Und die Verkaufszahlen zeigen, es sind nicht mehr nur Enthusiasten, die Vinylscheiben und Plattenspieler wieder zum Kult machen, sondern die Massen: Die LP des Albums „25“ der Popsängerin Adele etwa sprang in den USA in die Top 3 der meistverkauften Alben. In Deutschland gehen derzeit rund zwei Millionen Vinyl-Scheiben über die Ladentheke – 2006 waren es nicht einmal 300.000.
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Schreibmaschinentastatur
Irgendwann fragt sich wohl jeder, warum die Buchstaben auf der Tastatur so seltsam angeordnet sind. Schuld ist der Drucker Christopher Latham Sholes aus den USA. Er gruppierte 1868 die Tasten einer mechanischen Schreibmaschine derart an, damit sich die Hebel nicht laufend verhakten, die die Buchstabentypen auf das Farbband über dem Papier schlugen. Häufig genutzte Buchstaben wie A, E, O, T und N platzierte er weit entfernt voneinander. Den Rest verteilte er wahllos dazwischen.
In Zeiten von Laser- und Tintendruckern ist das Prinzip sinnlos. Doch weil Generationen von Menschen die Tastatur gewöhnt sind, sie zigmillionenfach produziert wurde, scheint die Anordnung unausrottbar – obwohl ergonomisch schlecht. Die Schreibmaschinentastatur ist so zum Lehrbuchbeispiel für Pfadabhängigkeit geworden. Mit dem Begriff erklären Ökonomen das Phänomen, warum Technik so schwer zu verdrängen ist, die einmal einen Standard gesetzt hat.
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Cessna 172
Weltweit berühmt wurde die Cessna 172 am 28. Mai 1987. Damals landete der 18-jährige Matthias Rust, ein Banklehrling aus Wedel in Holstein, mit der einmotorigen Propellermaschine nahe dem Roten Platz in Moskau, um dem damaligen Kreml-Chef Michail Gorbatschow eine wirre Friedensbotschaft zu überbringen. Die viersitzige Cessna 172 ist so etwas wie der VW Käfer der Lüfte: Das mit 43.000 Exemplaren meistgebaute Flugzeug der Welt fliegt und fliegt und fliegt – inzwischen seit fast 60 Jahren. Das Leichtflugzeug des US-Herstellers Cessna Aircraft ist robust, im Unterhalt günstig und immer wieder modernisiert worden. Viele Hobbypiloten haben auf ihr gelernt und bleiben ihr daher treu. 155 Maschinen verkaufte Cessna 2014 weltweit, zum Stückpreis von umgerechnet 292.000 Euro. Die Urversion kostet rund 8000 Euro.
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Flipper
Was heute für die Gamer Playstation und Xbox sind, war für ihre Eltern Anfang der Achtzigerjahre der Flipper. Damals gab es in deutschen Haushalten und Kneipen knapp eine halbe Million der Spieleschränke. Das flinke Fingerspiel an den Steuertasten und mit dem Federbolzen hat gar die deutsche Sprache geprägt: „Ausgeflippt“ oder „getilt“ haben überdauert. Genauso wie zwei US-Hersteller mit den poetischen Namen Stern Pinball und Jersey Jack Pinball, die weiter die Geräte perfektionieren und jährlich ein paar Hundert von ihnen hierzulande verkaufen. Zu Neupreisen von rund 6000 Euro kosten sie zwar ein Vielfaches moderner digitaler Spielkonsolen – doch die nostalgische Erinnerung an manch verdaddelte Kneipennacht scheint es wert zu sein.
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Stethoskop
In Zeiten von Ultraschallgeräten und Tomografen, die detaillierte Bilder aus dem Körper liefern, mutet das klassische Stethoskop geradezu archaisch an. Doch nach wie vor baumelt das seit 1816 kaum veränderte Abhörgerät den meisten Ärzten um den Hals. Aus gutem Grund, finden Praktiker wie der Lindlarer Hausarzt Thomas Aßmann, der zwar gerade seine ganze Praxis digitalisiert, auf dies Werkzeug aber nie verzichten würde. Es mit einem Ultraschallgerät zu vergleichen sei unsinnig, denn „das habe ich im Notfall oder bei einem Hausbesuch nicht dabei“. Die verstärkten Geräusche aus Darm, Herz oder Lunge sind zudem so aussagekräftig, dass sie oft völlig ausreichen, um herauszufinden, was einem Kranken fehlt. Gegenüber unpersönlichen Untersuchungen in abgeschotteten Geräten wie Tomografen bietet das in Frankreich erfundene Lauschgerät einen weiteren wichtigen Vorteil, findet Aßmann: „Ich bin dem Patienten nahe und kann alle Sinne einsetzen.“ Und: Das Stethoskop ist längst eine Insignie ärztlicher Kunst – das jeden, der es trägt, als Mediziner erkennbar macht.
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Rohrpost
Berlin, 8. Februar 1981: Diebe brechen in eine Spielbank ein, zapfen die Rohrpost an und fangen mehr als eine halbe Million Mark auf dem Weg von der Kasse in den Tresorraum ab. Auch wenn sich die Technik damals als verwundbar erwies, schwören heute wieder viele Firmen auf die gute, alte Rohrpost. 1853 transportierten in London erstmals zylinderförmige Boxen, per Druckluft beschleunigt, Briefe durch Röhren zwischen Börse und Postamt. Mit der Möglichkeit, Informationen digital zu versenden, verlor die Technik an Bedeutung, verschwand aber nie völlig. So gibt es in Deutschland immer noch eine Handvoll Anbieter, die weltweit Rohrpostanlagen bauen und damit zweistellige Millionenumsätze erzielen. Geschätzt 40000 Anlagen gibt es weltweit, rund 2000 kommen pro Jahr neu dazu. Gerade erlebt die Technik in Kliniken eine Renaissance: Viele verschicken Blut- und Gewebeproben wieder intern via Rohrpost. Auch Konzerne mit großem Gelände nutzen sie, genau wie Supermärkte oder das Kanzleramt.
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Farbfilm
„Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael“, trällerte Nina Hagen 1974 und schuf – zu Hochzeiten der analogen Fotografie – einen gesamtdeutschen Ohrwurm. Heute, im Zeitalter des Digitalknipsens, erinnert kaum noch jemand seinen Freund, eine Filmrolle mitzunehmen. Von den 191 Millionen Fotofilmen, die im Rekordjahr 2000 verkauft wurden, ist kaum etwas geblieben. Auf rund vier Millionen Farb-, Schwarz-Weiß- und Diafilme addiert sich der deutsche Markt heute. Und doch ist die analoge Fototechnik alles andere als ausgestorben. Der Gebrauchtkamerahandel floriert, die Fabriken von Fujifilm und Kodak produzieren weltweit Zigmillionen Filmdosen – und verkaufen das Stück zu Preisen von zwei bis zehn Euro. „Auch weil sich, neben traditionellen Fans, wieder jüngere Fotofreunde für die analogen Bilder begeistern“, sagt Manfred Rau, Marketingmanager in Deutschland beim japanischen Fujifilm-Konzern. Größter Treiber ist ausgerechnet das Sofortbild. „Die weltweite Nachfrage ist so groß, unsere Fabriken produzieren im Dreischichtbetrieb.“
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Ural
Ein Hebel rechts am Tank aktiviert den Rückwärtsgang, die Speichenräder glänzen chromfarben, und jede Menge Blech statt Plastik ziert das Gefährt: Das Ural Retro Seitenwagen-Gespann sieht aus wie aus einer anderen Zeit. Es ist aber neu, leistet 40 PS und kostet fast 13.000 Euro. Mehr als drei Millionen Stück dieses Typs hat das russische Ural-Werk bis heute hergestellt. Der Legende nach befahl der sowjetische Diktator Stalin einst, eine BMW R-71 nachzubauen, weil das Militär dringend ein wendiges, schnelles Fahrzeug brauchte. Ab 1941 lief die Produktion auf Hochtouren. Nach dem Ende der Sowjetunion landete die Marke über Umwege im Jahr 2000 bei drei in den USA lebenden russischstämmigen Unternehmern. 2014 spendierten sie der Maschine – wegen ihrer archaischen Technik als Stalins Rache verspottet – einen modernisierten Motor und bessere Bremsen. Heute gehen im Jahr mehr als 1000 Maschinen meist an Kunden in den USA, Europa und Asien, die es lieben, an dem Gefährt in ihrer Garage noch fast alles selbst reparieren zu können.
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CB-Funk
„CQ DX, CQ DX“, das traditionelle Rufzeichen für Funkgespräche in andere Länder ist selten geworden im deutschen CB-Funk. Tauschten sich in Deutschland ab 1975 und bis in die Neunzigerjahre hinein Hunderttausende im lizenz- und prüfungsfreien Bürgerfunk aus, ist in Smartphone-Zeiten nur noch ein überschaubarer Rest von 40.000 bis 50.000 Enthusiasten aktiv, schätzt die CB-Funk-Organisation DCBO.
Und doch lebt die Technik: Anbieter wie Alan, Stabo oder Team bringen weiter Funkgeräte ab 60 Euro auf den Markt. Sie setzen pro Jahr nach Branchenschätzung bundesweit um die 100.000 Exemplare ab. Denn neben deutschen Technikfans sind vor allem in- und ausländische Lkw-Fahrer dem CB-Funk treu. Aus gutem Grund: Auf dem internationalen Notrufkanal 9 senden Absicherungsfahrzeuge an Baustellen bis heute fortwährend Warnsignale in deutscher, auf Kanal 19 in englischer und auf Kanal 28 in polnischer Sprache.
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Mechanische Uhren
Sie hört auf den Namen 57260, kostet mindestens fünf Millionen Euro und gilt als die komplizierteste Uhr der Welt. Acht Jahre lang hat die Schweizer Manufaktur Vacheron Constantin die Taschenuhr mit den drei Kalendern entwickelt. Alle 1027 Jahre und 108 Tage muss die Uhr von Hand korrigiert werden. Mechanische Uhren faszinieren noch heute, weil sie die Zeit präzise nur mit Federkraft und Mechanik messen. Chips können dies zwar noch genauer, doch irgendwie seelenlos.
Mehr als acht Millionen mechanische Uhren exportierte die Schweiz 2014. Sie gelten als beliebtester Schmuck des Mannes. Das heißt nicht, dass sie im Gestern verharren. Die Manufaktur Audemars Piguet entwickelte eine besonders laute Klangfeder für einen Glockenklang, Rolex und Patek Philippe verarbeiten Silizium, das nicht geschmiert werden muss. Und die Schweizer Swatch Group zeigt, dass es nicht 2826 Teile braucht, wie bei der Vacheron Constantin. Swatch baut die Automatikuhr Sistem51, die mit genau dieser Zahl an Teilen auskommt, von Maschinen montiert wird – und nur rund 140 Euro kostet.
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Stenografie
Bereits in der Antike verwendeten Menschen Kurzformen der Schrift, um Notizen zu machen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nutzten Forscher wie Joseph Schumpeter, oder Max Planck stenografische Kürzel, um Gedanken festzuhalten. Heerscharen von Sekretärinnen erlernten die 1924 verabschiedete Deutsche Einheitskurzschrift, um den vom Chef diktierten Brief im Redetempo notieren zu können. Doch seit den Neunzigerjahren schafften die Kultusminister – mit dem Siegeszug des PCs – Steno als Pflichtfach an Real- und Berufsschulen ab. In Zeiten von Siri und Google sehen nur wenige einen Vorteil darin, Steno zu pauken. So fristet die Technik ein Nischendasein in Bundestag und Länderparlamenten, weil keine Spracherkennung jeden spontanen Zwischenruf versteht. Der emeritierte Professor Friedrich Koßwig aus Bonn, der noch Steno-Kurse anbietet, bedauert das, denn er hält den Kurzstil für höchst produktiv: „Mit der Stenografie lässt sich das gedankliche Gerüst einer Vorlesung auf wenigen Blättern zusammenfassen, das ist weit effizienter, als PowerPoint-Folien zu sammeln.“
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