Der eine hat 150 CDs und einen guten CD-Player, möchte seine große Plattensammlung aber nicht aufgeben. Der andere ist vielleicht der typische Highend-Freak, der in Fachzeitschriften schmökert, mit Hi-Fi-Händlern fachsimpelt und schon mal 1000 Euro für einen Plattenspieler lockermacht. Und wieder andere lieben einfach den warmen, freundlichen Klang der Vinyl-Platten.
Musikliebhaber haben in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom am Plattenmarkt ausgelöst: Nach Angaben des Bundesverbands Musikindustrie sind allein 2013 die Umsätze mit LPs in Deutschland um 47,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 wurden Langspielplatten für 29 Millionen Euro verkauft, insgesamt 1,4 Millionen Stück.
Im Vergleich zu den 88 Millionen CDs ist das wenig - doch die CD-Verkäufe gehen seit Jahren zurück. Der Absatz der Langspielplatte steigt dagegen so explosionsartig, dass die Presswerke nicht mehr mit der Produktion nachkommen. Für 2014 liegen noch keine Zahlen vor, aber der Trend dürfte ungebrochen anhalten.
Der Vinyl-Trend hält an
Ganz weg war die Schallplatte nie. Und im Retro-Zeitalter überrascht es auch nicht, dass die schwarze Scheibe aus Polyvinylchlorid wieder im Kommen ist. Doch der fulminante Zuwachs verblüfft auch Experten. Sie hatten erwartet, dass die Schallplatte in Nischenmärkten wie der Highend-Unterhaltungselektronik noch eine Zeit lang überleben würde. Doch inzwischen wird Vinyl sogar in den Multimedia-Abteilungen von Drogeriemärkten wie Müller verkauft und aktuelle Popalben erscheinen inzwischen regelmäßig als Langspielplatte.
Praxistipps für Vinyl-Liebhaber
Plattenspieler müssen exakt waagerecht stehen. Benutzen Sie bei der Aufstellung eine gute Wasserwaage und achten Sie besonders darauf, dass der Plattenteller waagerecht steht und die Nadel des Tonabnehmers senkrecht dazu. Die meisten Hersteller liefern Einstellschablonen mit. Auch eine Tonarmwaage für die Einstellung der Auflagekraft ist ein sinnvolles Zubehör. Bei manchen Fachhändlern gibt es auch Testschallplatten, mit denen man herausfinden kann, ob Tonarm und Magnetsystem optimal eingestellt sind.
Plattenspieler mögen Schwingungen und Vibrationen nicht. Im Fachhandel gibt es Absorberfüße, die das Laufwerk beispielsweise vor Trittschall schützen.
Plattenspieler vertragen auch Schallwellen nicht besonders gut. Stellen Sie den Plattenspieler nicht direkt neben einen großen Standlautsprecher und auch nicht so, dass die Lautsprecher direkt auf den Plattenspieler gerichtet sind.
Auch Plattenspieler lassen sich tunen. Ein besseres Tonabnehmersystem bringt unter Umständen einen verblüffenden Klanggewinn. Wenn also der erste Nadelaustausch bei Ihrem Plattenspieler ansteht, lassen Sie das Tonabnehmersystem bei Ihrem Fachhändler gegen ein höherwertiges austauschen.
Eine hochwertige Kabelverbindung zum Verstärker kann den Klang verbessern, wenn auch nicht so deutlich wie der Tonabnehmer. Achten Sie aber zumindest darauf, dass das Kabel nicht länger ist als unbedingt nötig.
Kaufen Sie den Plattenspieler bei einem Fachhändler. Hier haben Sie nicht nur Anspruch auf ausführliche Beratung, ein guter Fachhändler übernimmt auch Montage und Justierung von Tonarm und Tonabnehmer.
Diese Entwicklung erfreut auch Gerhard Georg Ortmann, Geschäftsführer des niedersächsischen Versandhändlers JPC. "Im Bereich Pop und Jazz ist der Vinylanteil mittlerweile bei knapp 30 Prozent vom Umsatz angelangt", sagt Ortmann. Er sieht hier "eindeutig einen langfristigen Trend". JPC will in diesem Jahr die Lagerfläche um 50 Prozent erweitern.
Was macht die Faszination an Plattenspieler und Schallplatte, dieses im MP3-Zeitalter doch recht altmodische Gespann, aus?
Musik zum Anfassen
Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie, erklärt: "Der Vinyl-Trend unterstreicht die allgemein große Sympathie der Deutschen für physische Tonträger, für Musik zum Anfassen." Das begeistert laut Drücke besonders die "leidenschaftlichen Musikliebhaber".
Er zitiert aus einer Umfrage, wonach bei 92 Prozent der Käufer "Musik eine sehr große Rolle in ihrem Leben spielt". 95 Prozent dieser "leidenschaftlichen Musikliebhaber" sind übrigens Männer. Auch Drücke glaubt nicht an eine kurzlebige Vinyl-Mode und geht davon aus, "dass die Entwicklung noch eine Weile anhält."
Die Faszination der analogen Musik hat auch mit der allgemeinen Gegenbewegung zur dominierenden Digitalkultur zu tun. Hobbyfotografen greifen wieder zu Papas Spiegelreflexkamera, Videos werden mit Farbstich und körniger Textur auf den Look der Siebzigerjahre getrimmt, und bei der Musik lauscht man eben andächtig dem Knistern der Einlaufrille.
Auch Hipster lieben Platten
Doch anders, als es das Klischee zu zeigen scheint, sind es keineswegs nur ergraute Jazz-Hörer mit der Bruyere-Pfeife im Mundwinkel, die dem entschleunigten Musikerlebnis huldigen. Mittlerweile greifen auch Menschen unter 30 immer öfter zur Schallplatte. Zum Beispiel Sebastian, Webdesigner in einer Münchner Agentur.
Rein optisch geht er als Hipster durch, auch wenn er das nicht gerne hört. Er liebt seine kleine Plattensammlung (hauptsächlich Pop aus den Achtzigern). Seitdem er bemerkt hat, dass Gäste sich regelmäßig mit anerkennenden Bemerkungen über seinen Technics-Plattenspieler beugen, liebt er sein Hobby noch mehr. Seine Freundin mag die Schallplatten übrigens auch. Als Grafikerin erfreut sie sich an den opulenten Plattenhüllen. Womit wir noch zwei weitere Gründe für den Vinyl-Boom hätten. Denn es sind auch neue Zielgruppen wie diese, die der Industrie die fabelhaften Verkaufszahlen der letzten Jahre bescheren.
Kleines Wirtschaftswunder für legendäre Marken
Hardware-Hersteller wie der österreichische Hi-Fi-Spezialist Pro-ject haben längst auf die jungen Käufer reagiert. Pro-ject-Manager Marcel Höller meint dazu: "Der Trend geht eindeutig dahin, dass sich auch die junge Generation auf den Geschmack von Vinyl kommt. Wir versuchen diese Zielgruppe mit frischen Designs gezielt anzusprechen." Dementsprechend findet man im Pro-ject-Sortiment Plattenspieler mit extravaganten Silhouetten und in knalligen Farben wie Rot, Grün oder Gelb.
Die Rückkehr der Analog-Veteranen
Wer es weniger extravagant mag, der greift zu den Klassikern. Schlichte Plattenspieler von unauffälliger Eleganz in Schwarz oder im schönen Holz-Chassis. Das Comeback der Schallplatte hat legendären Marken wie Thorens und Dual, die einst vor dem wirtschaftlichen Aus standen, ihr kleines Wirtschaftswunder beschert. Wenngleich längst andere Inhaber hinter dem Markenlogo stehen.
Dual beispielsweise, einst neben Grundig und Telefunken eine der Hausmarken im deutschen Wohnzimmer, gehört jetzt nicht mehr den " Gebrüdern Steidinger", sondern wird von der schwäbischen Alfred Fehrenbacher GmbH geführt. Gerade hat Fehrenbacher einen neuen Dual-Plattenspieler vorgestellt, den CS 600 für deutlich über 1000 Euro. Der Name Dual zieht immer noch.
Die Branchenveteranen haben die Zeichen der Zeit erkannt und heben modisch designte Laufwerke mit starken Farben ins Sortiment. So ist beispielsweise der erst kürzlich vorgestellte Thorens TD 203 auch in Rot oder Weiß erhältlich.
Vielfalt der Plattenspieler
Neben den Klassikern und den modischen Design-Spielern gibt es aber auch viele andere Optionen für den modernen Musikfreund. Beispielsweise das Modell mit Phonovorverstärker und USB-Anschluss, mit dem man seine Platten auf den PC übertragen und digitalisieren kann. Auf Highend-Messen machen die kompromisslos auf Klangqualität getrimmten Laufwerk-Monster Furore. Solche Maschinen kosten auch schon mal 10.000 Euro, natürlich ohne Tonarm, ohne Tonabnehmer – und ohne Kabel.
Dafür muss der Highend-Käufer noch mal einige Tausend Euro aus der dicken Brieftasche holen. Hersteller wie das schwäbische Unternehmen Wirth Tonmaschinenbau verkaufen ihre Luxus-Plattenspieler aber nicht nur an Käufer in Deutschland, sondern mittlerweile in 35 Länder. Highend aus Deutschland hat international eben einen exzellenten Ruf.
Den zahlenmäßig größten Anteil haben Plattenspieler, die den Kompromiss zwischen highfidelem Klang, solider Konstruktion und ansprechender Optik bieten. Die Geräte bewegen sich im Preisbereich zwischen 300 und 1500 Euro – diesmal inklusive Tonarm, Tonabnehmer und Phonokabel.
Die Zukunft der CD
Rein klanglich können Plattenspieler durchaus mit einem CD-Player mithalten. Kenner loben vor allem den natürlichen und feinsinnigen Klang der Vinyl-Spieler. In einschlägigen Produkttests fällt dann regelmäßig das Wort vom "musikalischen Klang".
So haben schließlich alle ihre Freude an der Schallplatte: die Plattenlabels, die Laufwerkshersteller, die Musikliebhaber, die Händler und die Fachzeitschriften. Nicht zu vergessen die Zubehörindustrie, die mit Gummiabsorbern, Tonarmwaagen, Filzmatten, Reinigungsbesen und Plattenwaschmaschinen Geld verdient.
Was wird nun aus der CD? Wer will die in Zukunft überhaupt noch kaufen? Mobile Musikfreunde setzen lieber auf MP3, anspruchsvolle Klangfreaks auf hochauflösende Musikdownloads und die Analogfans auf Vinyl. In diesem Szenario sieht die CD wie der sichere Verlierer aus.
Zwar hält sie mit knapp 66 Prozent immer noch den Löwenanteil beim Musikkonsum. Downloads und Musikstreaming liegen derzeit bei knapp 27 Prozent. Dennoch scheint die große Zeit der Compact Disc vorbei zu sein.
Da ist vielleicht ein Blick in die Geschichte der Unterhaltungselektronik tröstlich. Er zeigt, dass alles irgendwann wiederkommt. Und so wird eines Tages vielleicht auch die CD ein Comeback feiern.