Bioplastik boomt Werden die Verbraucher getäuscht?

Lose Bananen liegen in einem Supermarkt in einer Plastiktüte. Quelle: dpa

Einkaufen ohne Verpackungsmüll ist schwer. Dass Hersteller zunehmend biologisch abbaubare Verpackungen anbieten, freut viele Verbraucher. Doch können Einwegverpackungen tatsächlich umweltfreundlich sein?

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Umweltfreundliche Produkte sind beliebt. Beschreibungen wie ökologisch und biologisch geben Verbrauchern ein gutes Gefühl. In Zeiten, in denen Land und Meer unter riesigen Mengen Müll leiden, rücken Verpackungen in den Fokus. Immer mehr Unternehmen werben mit angeblich umweltfreundlichem Bioplastik oder kompostierbaren Behältern.

Die Firma Velibre aus Bremen zum Beispiel verkauft biologisch abbaubare Kaffeekapseln für Nespresso-Maschinen. Solche Kaffeeautomaten werden nach Angaben der Firma Nestlé in mehr als 60 Ländern verwendet und von Stars wie George Clooney beworben. „Herkömmliche Kaffeekapseln produzieren eine gigantische Menge Müll“, sagt Velibre-Sprecher Walter Hasenclever. „Unsere Kapseln bestehen vollständig aus Rohstoffen, die sich im Erdboden oder im Kompost biologisch abbauen“, heißt es auf der Homepage.

Das klingt gut, doch wer genauer liest, erfährt, dass der Abbau der Kapseln von vielen Bedingungen wie Temperatur und Umgebung abhängt. In Laboruntersuchungen bei Raumtemperatur zeigte sich demnach, dass die Kapseln nach acht Monaten fast vollständig zersetzt waren. „Das ist zu lange“, sagt die studierte Biotechnologin Petra Weißhaupt vom Umweltbundesamt. „Streng genommen muss dieses Produkt in die schwarze Tonne, in den Restabfall.“ In industriellen Anlagen dauert die Kompostierung des Biomülls in der Regel maximal zwölf Wochen.

Der Kampf gegen die Plastiktüten

Auch Velibre hat das inzwischen erkannt und eine Kapsel aus Papier entwickelt, die dem Unternehmen zufolge zu 100 Prozent kompostierbar ist und sich innerhalb weniger Wochen zersetzt. Die Kapsel, die bis Ende März 2018 auf den Markt kommen soll, besteht aus Zuckerrohrfasern, die unter Zugabe von Wasser und natürlichem Bindemittel zu einem feinen Brei gemahlen und in Form gepresst werden. „Wir sind sicher, dass wir eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Kaffeekapseln gefunden haben“, sagt Sprecher Hasenclever. „Der Markt für Kaffeekapseln wächst. Ich glaube, dass dieser Trend nicht aufzuhalten ist.“

Für Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind kompostierbare Kapseln eine große Verbrauchertäuschung. „Grundsätzlich kann es nicht ökologisch sein, Kaffee grammweise zu verpacken“, sagt der Umweltwissenschaftler aus Berlin. „Die angeblich ökologischen - weil biologisch abbaubaren - Kaffeekapseln verändern nichts an der Umweltschädlichkeit eines ressourcenfressenden, klimaschädigenden und unnötigen Verpackungssystems“, sagt Fischer. „Mit Umweltschutz hat das rein gar nichts zu tun.“

Ähnlich kritisch sehen Umweltbundesamt (UBA) und Deutsche Umwelthilfe Biokunststoffe. „Immer größer werdende Mengen kurzlebiger und ressourcenvergeudender Wegwerfverpackungen sollen durch den Einsatz von Biokunststoffen legitimiert werden“, kritisiert Fischer. Genau wie die Experten des Umweltbundesamtes betont er, dass die Ökobilanz von Biokunststoffen bislang keineswegs besser ist als die von Plastik aus fossilem Rohöl. Während herkömmliche Verpackungen im Gelben Sack landen und recycelt werden können, würden viele Biokunststoffe vor dem Kompostieren in einer Anlage aussortiert und letztlich verbrannt. Zudem benötigt der Anbau von Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr für Bioplastik nicht nur Sprit und Dünger, sondern oft auch Pestizide, wie das UBA betont. Nach der Ernte müssten die Pflanzen noch verarbeitet werden, was auch zu Umweltbelastungen führe. Der Dünger könne Gewässer verschmutzen.

Ziel müsse es sein, auf Einwegtüten zu verzichten

Auch Einwegtüten aus Papier schneiden Umweltexperten zufolge in Ökobilanzen nicht besser ab als konventionelle Plastiktüten. Im Gegenteil: „Sie brauchen für die Papiertüte sehr lange, sehr reißfeste Zellstofffasern. Zu deren Herstellung ist sehr viel Wasser und Energie nötig, es müssen viele Chemikalien eingesetzt werden“, erklärt der Diplom-Umweltwissenschaftler Fischer. Um dieselbe Reißfestigkeit wie eine Plastiktüte zu haben, sei für eine Papiertüte doppelt so viel Material nötig. „Was die Ressourcenverbräuche angeht, schneidet die Papiertüte schlechter ab als die Einwegplastiktüte. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn Plastiktüten durch Einwegpapiertüten ersetzt werden.“

Ziel müsse sein, grundsätzlich auf Einwegtüten zu verzichten. Auch der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, betont: „Wir brauchen keine Einwegverpackungen - egal aus welchem Werkstoff - sondern Mehrwegsysteme zur Schonung von Ressourcen und zum Schutz unserer Ozeane vor Müllteppichen.“

Die Strategie, den Verbrauch von Rohöl zu reduzieren und nachwachsende Rohstoffe zu verwenden, ist Fischer zufolge grundsätzlich sinnvoll. Oberste Ziele müssten aber Abfallvermeidung und Mehrwegalternativen sein. Derzeit würden Biokunststoffe von Einwegherstellern missbraucht, um Geld zu machen. „Man muss die Leute wachrütteln.“

So viel Müll macht unser Einkauf

Nach einer Trendwende hin zu Mehrwegverpackungen sieht es derzeit allerdings nicht aus. Nach Angaben des EU-Projekts BioCannDo boomt der globale Markt mit Bioplastik. Experten erwarten demnach in den kommenden fünf Jahren ein Wachstum um 20 Prozent. Ein Segment, in dem sich viele Firmen Gewinne erwarten, ist Spielzeug. Eine wachsende Zahl von Spielsachen sei aus Bioplastik, heißt es auf einer Internetseite des Projekts. Die Nachfrage von Eltern ist demnach groß - viele hätten falsche Erwartungen.

In der Tat setzen viele bekannte Firmen wie Lego auf Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen. Bis 2030 will der Konzern seine Bausteine nicht mehr aus Plastik auf Erdöl-Basis herstellen, sondern nachhaltige Rohmaterialien und Verpackungen verwenden.

Die Annahme, dass Bioplastik-Spielzeug automatisch nachhaltiger und sicherer ist, stimmt dem Wissenschaftler Martin Wagner von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim zufolge nicht. Chemische Zusätze, die Spielzeug etwa flexibel und widerstandsfähig machen, seien bei Bioplastik genauso nötig wie bei herkömmlichem Plastik. Untersuchungen über die Wirkung solcher Zusätze in Bioplastik gebe es kaum. Über mögliche gesundheitliche Risiken für Kinder wisse man daher wenig.

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