Aschenbecher to go Nano-bin ist ein Mini-Mülleimer für Zigaretten

Eine Schwedin will mit einem eigenwilligen Aschenbecher gegen weggeworfene Kippen vorgehen.

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Alice Hertz hatte sich ordentlich geärgert, damals 2013. Und zwar nicht, weil sie mal wieder auf den Bus in ihrer seinerzeit neuen Heimat Stockholm warten musste, sondern weil ihr beim Warten auffiel, wie dreckig die Haltestelle war.

"Ich dachte immer, Stockholm wäre bekannt für seine sauberen Straßen und rücksichtsvollen Bürger", sagt die Schwedin. Doch nachdem sie aus Langeweile angefangen hatte, die auf dem Boden liegenden Zigaretten-Stummel zu zählen und sie die Tausendermarke schon längst überschritten hatte, ehe der Bus kam, hatte es sich mit diesem positiven Vorurteil für sie erledigt.

Zuhause schaute sie interessehalber ins Internet und recherchierte zur Umweltbelastung durch weggeworfene Zigarettenkippen. Fragt man sie heute nach den Ergebnissen ihrer Recherche, sprudelt es nur so aus ihr heraus: 1,5 Millionen regelmäßige Raucher gebe es in Schweden, jeder von ihnen werfe im Durchschnitt drei Zigarettenkippen pro Tag auf Gehwege, Plätze oder Wiesen – im Jahr mehr als 1,6 Milliarden.

Dem Netzwerk Clean Up The World zufolge landen weltweit jährlich 4,5 Billionen Zigarettenkippen nicht im Müll, sondern in der Umwelt. Dort geben Tabakreste und Filter etwa Cadmium, Arsen und Blei in den Boden und das Grundwasser ab. Knapp 50 Prozent des auf die Straße geworfenen Abfalls in manchen Städten bestünden mittlerweile aus Zigarettenkippen, -päckchen, oder -cellophan, glaubt man der Australischen NGO Cleanup. Nach diesen ersten Ergebnissen war für sie klar: "Es ist nötig, dass etwas getan wird."

Keine staatliche Unterstützung

Hertz tüftelte am heimischen Küchentisch und entwickelte den Nano-bin: Ein geruchsdichter Zylinder, dessen Außenhaut aus Recyclingpapier besteht, während die Innenseite aus feuerfestem Papier, einem Nanofilm Aluminium und Sauerstoffabsorbierern gefertigt ist. Der Mülleimer für Hand- oder Jackentasche ist etwas kleiner als eine Zigarettenschachtel; 20 Zigarettenkippen passen hinein. Ist er voll, wird er im Hausmüll entsorgt. Recycling ist schon allein des Inhalts wegen nicht möglich. "Immerhin verhindern wir so, dass die giftigen Stoffe ungefiltert in die Natur gelangen", sagt Hertz.

Unterstützung für ihre Idee suchte sie zu Beginn beim Staat: Schließlich hatte sie ebenfalls herausgefunden, dass von den 122 Millionen Schwedischen Kronen (etwa 12,8 Mio. Euro), die es im Jahr kostet, die schwedische Hauptstadt zu reinigen, 48,8 Millionen (etwa 5,1 Mio. Euro) auf weggeworfene Zigarettenkippen entfallen. Mit diesen Zahlen wurde Hertz bei diversen schwedischen Banken, Gemeinden und Regierungsorganisationen vorstellig – doch sie stieß auf taube Ohren. "Es waren immer Männer, die mir geantwortet haben und alle dachten, ich hätte eine dumme Idee."

Hertz ließ sich davon allerdings nicht abbringen und nahm die Finanzierung selbst in die Hand. Zuhause am Küchentisch bastelte sie Prototyp um Prototyp, testete die verschiedenen Varianten selbst und sensibilisierte ihren Freundeskreis für das Kippenproblem. "Noch heute beschweren sich manche meiner Bekannten, dass sie nicht mehr aufhören können, immerzu auf den Boden zu starren und Zigarettenkippen zu zählen", sagt Hertz.

Aschenbecher im AboDie Suche nach einer Produktionsstätte für den Nano-bin stellte sich schwierig dar. Eine Firma in Schweden sagte ihr erst zu und dann wieder ab – die Produktionsmenge sei zu klein. Schließlich wurde Hertz in Italien und den USA fündig. Sie möchte den Nano-bin sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten auf den Markt bringen. 10.000 Nano-bins hat sie nun auf Lager.

Vertreiben möchte sie die Mini-Ascher zunächst über ein Abosystem - durchaus eine Methode, um das Crowdfunding, das sie bei Gofundme gestartet hat, anzukurbeln. Denn bislang hat Hertz die Finanzierung alleine gewuppt. Ihr größter Wunsch ist aber, ihr Produkt in Zukunft über den Einzelhandel zu vertreiben.

In Deutschland ist sie gerade auf der Suche nach möglichen Partnern und will den Verkauf spätestens 2017 beginnen. In Großbritannien hat eine Umweltschutzorganisation dem Unterhaus des britischen Parlaments das Produkt bei einer Konferenz zum Thema Vermüllung der Städte bereits vorgestellt. Auch Tabak-Verbände hätten bereits Interesse angemeldet und arbeiteten daran, das Produkt auf den britischen Markt zu bringen, sagt Hertz. Europaweit liegen ihr derzeit Bestellungen für 70.000 Nano-bins vor. Um diese zu bedienen, braucht Hertz allerdings einen Erfolg bei ihrer Crowdfunding-Kampagne.

Als quasi-religiosen Feldzug gegen Raucher möchte die Nichtraucherin Hertz ihr Produkt übrigens auf keinen Fall verstanden wissen. "Ich habe nichts gegen das Rauchen, aber ich finde es nicht in Ordnung, dass Raucher ihre Kippen einfach in die Gegend werfen", sagt Hertz.

Verantwortlich machen möchte sie sie allerdings auch dafür nicht: Durch die Rauchverbote in Kneipen, Unternehmen, öffentlichen Gebäuden und dem Nahverkehr seien die Raucher über die Jahre auf die Straßen und Plätze gedrängt worden – aber eben ohne, dass man ihnen dort genügend Aschenbecher zur Verfügung gestellt habe. Da möchte sie nun Abhilfe schaffen.

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