Bakterien-Treibstoff Startup plant kommerzielle Anlage in den USA

Die EU will umweltfreundliche Biokraftstoffe der zweiten Generation fördern. Ein US-Unternehmen könnte genau die liefern.

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Biotreibstoffe haben seit Jahren einen schlechten Ruf. Kein Wunder, machen Experten sie doch dafür verantwortlich, dass massenweise wertvolles Ackerland, das eigentlich der Nahrungsmittelproduktion dient, nun von Landwirten zur Spritherstellung genutzt wird.

Eine Lösung für dieses Problem sind Biotreibstoffe der zweiten Generation. Sie kommen ganz ohne den Einsatz von Nahrungs- und Futtermitteln wie Raps, Palmöl, Getreide und Mais aus oder nutzen nur Pflanzenabfall. Die Entwicklung dieses neuartigen Bioprits ist jetzt ein ganzes Stück vorangekommen.

Denn das US-Jungunternehmen Joule hat kürzlich eine weitere Finanzierungsrunde abgeschlossen, um eine kommerzielle Fabrik zu bauen, in der Cyanobakterien (auch als Blaualgen bezeichnet) Sprit produzieren. Schon jetzt läuft in der Wüste des US-Bundesstaates New Mexico eine Pilotanlage, die Dieseltreibstoff und Ethanol für Autos mit Verbrennungsmotor erzeugt.

200 Millionen Dollar für Mikrobentreibstoff

Um den Stoffwechsel der Bakterien mit dem Endprodukt Treibstoff in Gang zu halten, brauchen sie Wasser, das auch verunreinigt sein kann, Kohlendioxid (CO2), Sonnenlicht und Nährstoffe. Die Bakterien wachsen dabei in endlos scheinenden transparenten Schläuchen heran.

Das ständig zugeführte CO2 sorgt dafür, dass das Bakterien-Wasser-Gemisch fortlaufend umgerührt wird, damit jedes Bakterium möglichst gleich viel Sonne abbekommt. "Wir ahmen die natürliche Fotosynthese im industriellen Maßstab nach", sagt Joule-Entwicklungschef Tom Jensen. Auch ein ehemaliger Manager des Ölriesen Total ist mittlerweile bei den Amerikanern als CEO an Bord.

Im Unterschied zu Algensprit, wie ihn andere Unternehmen entwickeln (wir berichteten hier und hier), nutzt Joule nicht das in den Pflanzen gebundene Öl, sondern die Ausscheidungen der Bakterien.

Die geplante Großanlage soll 150.000 Tonnen CO2 pro Jahr in knapp 100 Millionen Liter Ethanol oder gut 55 Millionen Liter Diesel verwandeln. Die Anlage soll ab 2017 auf einer Fläche von 500 Hektar entstehen.

Per Fundraising kamen für das Projekt 40 Millionen Dollar zusammen. Insgesamt hat das Unternehmen nach einer Schätzung des Umwelttechnik-Portals GreenBiz bisher 200 Millionen Dollar eingesammelt. Jensen erwartet, dass die Produktionskosten kaum höher liegen als 30 Euro-Cent pro Liter.

Ein weiterer Vorteil gegenüber herkömmlichem Biosprit: Verglichen mit etwa der Vergärung von Getreide, lässt sich auf der gleichen Fläche der Ethanolertrag mit den Bakterien verzehnfachen.

Außerdem benötigen solche Fabriken kein Ackerland, sondern lassen sich in Trockengebieten wie New Mexico errichten. Allerdings brauchen die Bakterien CO2 aus Industrieanlagen und eben Wasser (auch verunreinigtes).

Schub durch EU-Gesetzgebung

Als Partner ist bei Joule Unlimited seit 2011 Audi dabei, das gemeinsam mit dem Stuttgarter Unternehmen Etogas (früher SolarFuel) auch Erdgas aus Windstrom zur Nutzung in Autos produziert. Die Anlage steht seit zwei Jahren im niedersächsischen Werlte.

Drittes Standbein in Sachen umweltverträgliche Treibstoffe ist bei Audi die Partnerschaft mit dem französischen Biotechnik-Spezialisten Global Bioenergies. Das Unternehmen hat Mikroorganismen entwickelt, die Zucker in gasförmiges Isobuten umwandeln. Der verwendete Zucker soll aus Bioabfällen gewonnen werden.

Isobuten ist Ausgangsstoff für Isooktan, das in reiner Form als bestes Superbenzin verkauft oder mit normalem Sprit vermischt wird, um dessen Klopffestigkeit zu erhöhen.

Vor wenigen Tagen haben die Franzosen in einer Pilotanlage in Pomacle-Bazancourt nahe Reims die erste Charge Isobuten geerntet. Sicher gelagert in einem Druckgasbehälter transportierten sie die Chemikalie zum Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse in Leuna nahe Leipzig.

Dort wird das Gas in einer extra zu diesem Zweck erbauten Anlage im Industriemaßstab in Isooktan umgewandelt. Es lässt sich auch nutzen, um Isocetan herzustellen, ein Additiv für Diesel, oder zur Produktion von Isododekan, das dem Flugzeugtreibstoff Kerosin beigemischt werden kann.

Die Entwicklung von Verfahren zur Herstellung dieser Biotreibstoffe der zweiten Generation könnte durch eine europäische Entscheidung beschleunigt werden. Erdölbasiertem Sprit dürfen langfristig nur noch 6,5 Prozent Biotreibstoffe der ersten Generation enthalten, entschieden die EU-Politiker kürzlich. Für Biotreibstoffe der zweiten Generation gibt es keine Beschränkung.

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