Energieautarkes Mehrfamilienhaus Gebäude stellt sogar Treibstoff her

Sonnenstrom, Wasserstoffheizung und Biogasgewinnung: Dieses Haus in der Schweiz kann alles.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Das erste Mehrfamilienhaus, das weder einen Strom- noch einen Gasanschluss hat, in dessen Keller auch keine Heizung steht, wird jetzt in der Schweiz in der Gemeinde Brütten gebaut. Sowohl für die Stromversorgung als auch für warmes Wasser und Heizung ist die Sonne zuständig.

Die Planer haben sich eine Reihe technischer Feinheiten ausgedacht, die selbst im tiefsten Winter behagliches Wohnen ermöglichen sollen. Initiator des Projekts ist die Umwelt Arena in Spreitenbach im Kanton Aargau, die eine Ausstellungshalle betreibt, in der Besucher interaktiv lernen, wie sich Energie sparen lässt. Bei der Realisierung helfen mehr als 20 Partner aus der Industrie.

Wasserstoff zum HeizenZu Ende geplant ist das Konzept allerdings noch nicht, denn Angaben etwa über die Leistung der Solarzellen und des eingeplanten Elektrolyseurs oder gar die Mehrkosten gegenüber konventionellem Bauen stehen offenbar noch nicht fest, obwohl der Bau des Hauses in Spreitenbach bereits Mitte 2015 beginnen soll. „Zur Zeit laufen verschiedene Untersuchungen sowie Abstimmungs- und Belastungstests bezüglich der Technik und Produkte, welche eingesetzt werden“, heißt es bei der Umwelt Arena.

Faszinierend ist das Projekt dennoch, weil so ziemlich alles an Umwelttechnik zum Einsatz kommen soll, was der Markt derzeit hergibt.

Noch am geläufigsten ist, dass der Strom, den die Solarzellen auf dem Dach und in der Fassade liefern, zum Teil direkt verbraucht wird. Überschüsse landen in zwei Batteriespeichern. Einer überbrückt kurzzeitige Sonnenausfälle wie die Nächte, einer längerfristige wie bei einer Schlechtwetterperiode.

Schon eher ungewöhnlich: Vor allem im Sommer, wenn weit mehr Strom produziert als verbraucht wird, läuft auch noch ein kleiner Elektrolyseur, der Wasser in Sauer- und Wasserstoff spaltet. Der Wasserstoff wird gehortet und vor allem im Winter in einer Brennstoffzelle in Heizwärme, Warmwasser und Strom umgewandelt.

Fassade fängt Sonnenwärme einAuf Solarkollektoren, die Wasser erwärmen, verzichten die Planer. Dennoch verlassen sie sich hier nicht völlig auf Solarstrom. Duschwasser landet in einem Wärmetauscher. Dort gibt es seine Energie an einen Warmwasserspeicher ab. Auch für die Niedertemperaturheizung gibt es einen Pufferspeicher. Wärmepumpen sorgen für das jeweils benötigte Temperaturniveau, damit niemand kalt duschen muss, der es nicht will.

Um den Stromverbrauch zu minimieren, werden ausschließlich Geräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke installiert, die in der höchsten Effizienzklasse spielen. Energiespar- oder Halogenlampen, und Glühbirnen erst recht, sind verpönt. Im neuen Mehrfamilienhaus spenden ausschließlich wenig Energie verbrauchende Leuchtdioden (LED) Licht.

Genutzt wird auch die Wärme, die Menschen abstrahlen. Jeder Bewohner kommt auf immerhin auf rund 100 Watt. Das Haus wird zudem so gebaut, dass die Sonne, vor allem im Frühling und Herbst, wenn die Außentemperaturen noch niedrig sind, direkt zur Erwärmung der Wohnungen beiträgt, weil sie ihre Wärmestrahlen ungehindert durch große Glasfenster schicken kann.

Biogasanlage produziert TreibstoffWenn die Innentemperatur auf unkomfortable Höhen zu klettern droht, werden die Fenster automatisch mit Jalousien verschattet.

Lediglich Trinkwasser bezieht das Haus von außen. Die Planer sorgen allerdings dafür, dass möglichst wenig davon verbraucht wird. So werden ausschließlich Wasser sparende Armaturen eingesetzt, und die Duschköpfe sind so ausgelegt, dass dem Wasser Luft beigemischt wird. Das gaukelt den Nutzern einen üppigeren Strahl vor.

Das Abwasser der Toiletten wird entwässert und landet, ebenso wie Bioabfälle aus den Küchen, in einer Feststoffvergärungsanlage namens Kompogas. Die hat Walter Schmid entwickelt, Initiator der Umwelt Arena und Mitinhaber eines Bau- und Generalunternehmens im nahe gelegenen Glattbrugg.

Dort entsteht Biogas für ein entsprechend umgerüstetes Auto, das allen Bewohnern des Hauses zur Verfügung stehen soll. Notfalls fährt es auch mit Erdgas. Zur Wohnungsausstattung gehört außerdem ein Elektrofahrzeug, das natürlich mit hauseigen produziertem Strom betankt wird.

Damit die Bewohner nicht leichtsinnig Energie verschleudern, ist ein Infotainment-System vorgesehen, das jeden über den aktuellen und kumulierten Energieverbrauch in seiner Wohnung informiert.

Das Konzept ist also mit allen ausgestattet, was heute technisch möglich ist. Ob es sich für die Bewohner auch rentiert, ist die andere Frage. Denn vor allem ein Elektrolyseur im Haus ist durchaus ungewöhnlich. Bisher wird die Technik nur bei Großprojekten wie Windparks eingesetzt, um Ökostrom in Wasserstoff umzuwandeln.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%