Formaldehyd Gesunde Alternative aus Biomasse

Formaldehyd gilt als krebserregend, steckt aber in so gut wie jedem Möbelstück. Eine ökologische Chemikalie soll es schon bald ersetzen.

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Wir schlafen darin, wir sitzen darauf, wir essen daran, wir lagern unsere Kleidung und verstauen unsere Bücher darin - Möbel spielen in unserem Alltag eine große, wenn auch unauffällige, Rolle. Und damit tut das auch die chemische Verbindung Formaldehyd. Sie steckt unter anderem in den Leimen und Harzen, die unsere Tische, Stühle, Betten und Schränke zusammenhalten.

Die Europäische Union hat Formaldehyd 2014 als krebserregend und erbgutverändernd eingestuft. Trotzdem werden in Europa jedes Jahr zehn Millionen Tonnen dieser Chemikalie produziert, weltweit sind es 47 Millionen Tonnen.

Gesunder und ökologischer Ersatz steht vor der TürDoch jetzt ist eine Alternative in Sicht, die nicht nur gesundheitlich unbedenklich ist, sondern auch noch eine ökologische Note hat. Sie hört auf den etwas gewöhnungsbedürftige Namen 5-Hydroxymethylfurfural (kurz: 5-HMF) und wird aus Bioabfällen gewonnen. Das Schweizer Unternehmen Ava-CO2 entwickelt derzeit Verfahren, Formaldehyd ganz oder teilweise durch 5-HMF zu ersetzen [PDF]. Dabei geht es um die Synthese von Phenolharzen (PF), Melaminharzen (MF) und Harnstoffharzen (UF). Schon heute ist klar, dass es bereits positive Folgen hat, wenn Formaldehyd auch nur teilweise durch 5-HMF ersetzt wird. Die Biochemikalie bindet dann die Formaldehyd-Moleküle und hindert sie weitgehend daran, aus den Möbeln auszudünsten. Derzeit kann die Verbindung auch noch nach 30 Jahren aus Leimresten entweichen.

5-HMF wird durch eine Variante der sogenannten hydrothermalen Karbonisierung hergestellt. Dabei wird Biomasse, zu der auch Klärschlamm zählt, unter Druck erhitzt. Bei normaler Prozessführung bildet sich dabei dann Biokohle. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Ava-CO2-Tochter Ava Biochem haben das Verfahren allerdings so modifiziert, dass nun 5-HMF entsteht. Ava Biochem betreibt seit fast zwei Jahren im schweizerischen Muttenz eine großtechnische Anlage zur Herstellung der Chemikalie.

Eine chemische Alternative auch für den GetränkehandelNach Einschätzung des U.S. Department of Energy ist 5-HMF eine der zehn wichtigsten Plattformchemikalien. Das sind Chemikalien, die die Grundlage für viele verschiedene Industrieprodukte bilden. So ließen sich aus 5-HMF außer Leimen und Harzen auch Farben und Kunststoffe wie Polyethylenfuranoat (PEF) herstellen, das zum ernsthaften Konkurrenten für das von Getränkeflaschen bekannte Erdölprodukt Polyethylentherephtalat (PET) werden könnte. PEF ist fester als PET, sodass Getränkeflaschen dünner ausfallen können. Außerdem ist es für Sauerstoff zehnmal dichter, was den Effekt hat, dass Flascheninhalte besser geschützt werden.

2017 sollen PEF-Flaschen in großem Stil auf den Markt kommen, zu den Vorreitern gehören Coca Cola und Danone. Die Flaschen stellt das Vorarlberger Unternehmen Alpla her. Den Rohstoff wird es wohl von BASF beziehen. Der Ludwigshafener Chemiekonzern will ihn in seinem Antwerpener Werk produzieren. Die Technologie stammt von Avantium in Amsterdam, einem Spin-off des Mineralölkonzerns Royal Dutch Shell. Anders als beim Verfahren von Ava Biochem und KIT benötigen die Niederländer als Rohstoff allerdings Getreide, Zuckerrohr, Zuckerrüben oder Stärke, etwa aus Kartoffeln. Produktionsweisen gibt es also mehrere, doch nachwachsende Chemikalien scheinen Zukunft zu haben.

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