Gastkommentar Unternehmen können für die CSR-Berichtspflicht dankbar sein

... auch wenn die CSR-Berichtspflicht zunächst Mehraufwand bedeutet.

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Sabine Braun ist Gründerin und Geschäftsführerin der akzente kommunikation und beratung GmbH, die Unternehmen seit über 20 Jahren bei Nachhaltigkeit und CSR begleitet - auch beim Reporting.

Transparenzanforderungen an Unternehmen wachsen gefühlt von Jahr zu Jahr. Jüngst setzte die Europäische Union mit der CSR-Berichtspflicht noch eins drauf. Sie wird aktuell in deutsches Recht umgesetzt und ab 2017 gültig sein. Verbandsvertreter und Unternehmen stöhnen jetzt schon: Noch mehr Bürokratie! Wem soll die Transparenz nützen?

Dabei ist alles nur halb so schlimm – und für jene, die es ernst nehmen, nur von Vorteil.

Ab dem Fiskaljahr 2017 müssen Unternehmen über ihre ökologischen und sozialen Auswir­kungen berichten. Zumindest wenn sie kapitalmarktorientiert arbeiten und über 500 Mitarbeiter beschäftigen: Das schließt Banken und Versicherungen ein, GmbH & Co. KGs sind nur betroffen, wenn sie sich mit handelbaren Wertpapieren finanzieren.

Damit trifft die Berichtspflicht nur eine vergleichsweise kleine Gruppe, zumal die meisten DAX-Unternehmen und auch viele MDAX-Unternehmen bereits berichten – institutionelle Investoren und Analysten drängen seit langem darauf.

Grund, wachsende Bürokratie zu beklagen, haben also nicht viele Unternehmen. Die großen Mittelständler bleiben weiterhin verschont. Dabei wäre mehr Transparenz auch für sie ein Segen. Denn wie schon der Finanzmarkt mit seinen Nachhaltigkeitsratings reagiert die Politik mit der CSR-Berichtspflicht nur auf einen Wertewandel in der Gesellschaft.

Angesichts von Skandalen wie Dieselgate und Missständen in der Lieferkette, wie sie der Einsturz des Gebäudes Rana Plaza in Bangladesch offenbarte, stellt eine wachsende Zahl an Menschen die Legitimation wirtschaftlichen Handelns in Frage.

Zugleich harmonisiert die Politik lediglich europaweit unterschiedliche Pflichten. So mussten beispielsweise die 200 größten Unternehmen Frankreichs schon seit 2003 Nachhaltigkeitsinformationen veröffentlichen, auch in skandinavischen Ländern bestanden bereits verschiedene Verpflichtungen.

"Die Unternehmen können dankbar sein"Mit der CSR-Berichtspflicht setzt die Politik nun ein klares Signal an alle Unter­nehmen Europas, sich mit den Heraus­forderungen der Zukunft zu beschäftigen und Konzepte dafür zu entwickeln. Dafür könnten die Unternehmen ihr einst sogar dankbar sein. Denn die Erfahrungen aus inzwischen mehr als 20 Jahren Nachhaltigkeitsberichterstattung zeigen, dass eine Bestandsaufnahme zu den relevanten ökologischen und sozialen Aspekten der Geschäftstätigkeit in den meisten Unternehmen Schwach­stellen aufdeckt und Verbesserungen bewirkt.

Verbesserungen, die sich auch niederschlagen in steigender Innovationskraft, Resilienz und Reputation. Und das werden die deutschen Unternehmen brauchen, wenn sie mit den strukturellen Umbrüchen in der Wirtschaft und dem Wertewandel in der Gesellschaft zurechtkommen wollen.

Hatten Unternehmen jenseits des Kapitalmarkts bislang freilich nur wenig konkrete Vorteile aus der Transparenz, ändert sich auch das gerade. BMW beispielsweise fordert von den Lieferanten für seine Elektromobil-Baureihen einen Nachhaltigkeitsbericht. Auch Möbel- oder Teppichbodenhersteller, die LEED- oder DGNB-zertifizierte Bürogebäude ausstatten, sollen die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten nachweisen können.

Der Dodd-Frank Act, der von börsengelisteten US-Firmen seit 2015 einen Verzichtsnachweis für Konfliktmineralien verlangt, trifft auch deutsche Mittelständler wie den Armaturenhersteller Hansgrohe, der diese Anforderung wieder in die Lieferkette weitergibt. Zugleich bietet das öffentliche Vergaberecht ab April 2016 endlich die Möglich­keit, nach anderen als rein wirtschaftlichen Kriterien zu entscheiden - und beschert jenen einen Vorteil, die verantwortliches Wirtschaften belegen können. All diese Beispiele zeigen, dass Transparenz über Nachhaltigkeit zum echten Wettbewerbs­vorteil wird.

Junge Talente schauen auf die NachhaltigkeitHinzu kommen Reputationseffekte, die vor allem im Kampf um junge Talente wirken. Der gute Ruf beim Nachwuchs beruht nämlich immer weniger auf den Leistungen der Vergangenheit als vielmehr darauf, was einem Unter­nehmen für die Zukunft zugetraut wird. Diese ist geprägt von großen Herausforderungen wie Klimawandel, Migration und Digitalisierung, die Risiken wie Chancen bergen.

Um damit umzugehen, werden viele Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und ihre Wertschöpfungsprozesse ändern müssen. Es werden neue Arbeitswelten entstehen, neue Vertriebswege und neue Formen der Kooperation - in der Lieferkette, in Forschung und Entwicklung wie in der Vermarktung. Ökologische und sozial-gesellschaftliche Aspekte werden dabei in vielen Branchen größere Bedeutung erlangen. Automobilzulieferer müssen ihren ökologischen Fußabdruck kennen, Textilunternehmen ihre Lieferkette im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte durchleuchten und Lebensmittelhändler die unbedenkliche Herkunft ihrer Waren per Barcode nachweisen können.

Mögen nun manche behaupten, dies alles käme auch ohne Berichtspflicht zustande, könnten sie durchaus Recht haben. Aber sie irren gewaltig, wenn sie Transparenz für verzichtbar halten. Ohne sozial-ökologische Inventur und daraus abgeleitete Verbesserungsziele bleibt vieles nur Zufall oder geschieht hektisch auf massiven Kundendruck.

Erst ein regel­mäßiges Reporting schafft es, den Blick auf die Hot Spots zu verstetigen und Werte so in der Unternehmenskultur zu verankern, dass sie wirklich gelebt werden und auch extern Strahlkraft entwickeln - für den Nachwuchs, für die Kunden, für das gesellschaftliche Umfeld. Was wäre also falsch daran, sich jetzt über ökologische und soziale Aspekte der Geschäfts­tätigkeit Gedanken zu machen, Potenziale zu analysieren und darüber dann auch zu berichten?

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