Innovation Neue Technik senkt Energieverbrauch in Hotels radikal

Ein Hotel in München organisiert seine Energieversorgung jetzt dezentral – und spart dadurch rund 80 Prozent Energie.

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Ein Münchener Hotel ist nach einer umfassenden Sanierung wohl Weltmeister im Energiesparen. Statt 240 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, die ein Durchschnittshotel benötigt, sind es in der Bayern-Metropole weniger als 55 Kilowattstunden. Das liegt am ClimaTower, einer pfiffigen Innovation des britischen Unternehmens Colt International, dessen deutsche Zentrale sich in Kleve am Niederrhein befindet.

In dem Münchner Hotel, einer Filiale der Derag Livinghotels, nahe dem berühmten Viktualienmarkt geht es – und das ist das Geheimnis des geringen Energieverbrauchs – weitgehend dezentral zu.

Versorgungsschacht spart EnergieNormalerweise werden Warmwasser für Dusche und Waschbecken und Heizkörper aus zentralen Speichern versorgt. Klimageräte, die einen hohen Stromverbrauch haben, verhindern im Sommer tropische Temperaturen. Oft handelt es sich um Kombianlagen, die mit ebenso hohem Stromverbrauch auch zum Heizen genutzt werden.

Der ClimaTower dagegen ist ein Versorgungsschacht, in dem für jedes Hotelzimmer eine Mikrowärmepumpe und ein 90-Liter-Warmwasserspeicher installiert ist.

Die Wärmepumpe hat gleich drei Aufgaben: Ganzjährig sorgt sie dafür, dass stets genügend warmes Wasser zum Duschen, Baden und Zähneputzen da ist. Im Winter stellt sie warmes Wasser zum Heizen bereit, im Sommer kaltes Wasser zum Klimatisieren. Das warme beziehungsweise kalte Wasser strömt durch Rohrschlangen in den Decken der Zimmer.

Wassertanks im KellerDie mit Strom betriebene Wärmepumpe bezieht das Wasser, dessen Temperatur auf das vom Gast gewünschte Niveau gehievt werden soll, aus einem 8000-Liter-Tank im Keller. Das dabei entstehende kalte Wasser sammelt im Gegenzug ein 7000-Liter-Tank, der ebenfalls im Keller steht.

Jede Wärmepumpe ist über so genannte Neutralleiter mit beiden Wasserspeichern verbunden. Überschüssige Wärme wird über einen so genannten Rückkühler auf dem Dach an die Umwelt abgegeben. „Das ist vor allem an heißen Sommertagen nötig“, sagt Armin Thurner, Europa-Gebietsleiter für die Sparte ClimaTower. „Dann ist der Pufferspeicher im Keller ruckzuck voll.“

Umgekehrt entsteht im Winter kaltes Wasser, das mangels Klimatisierung ungenutzt bleibt. Das fängt der Pufferspeicher im Keller auf.

Im Frühling und Herbst helfen Solarkollektoren, den Warmwasserbedarf zu decken. Im Hochsommer haben sie eine andere Aufgabe. Nachts kühlen sie das Wasser im Pufferspeicher ab, sodass der Rückkühler entlastet wird. Die Kollektoren teilen sich die Dachfläche mit Solarzellen, die einen Teil des Strombedarfs abdecken.

Kosteneinsparung von 70 ProzentAber auch das aus den Bädern abfließende Wasser bleibt nicht ungenutzt. Ein Wärmetauscher entzieht ihnen Energie für den Pufferspeicher. Anschließend wird es ins so genannte Grauwassernetz eingespeist, das die Toilettenspülungen versorgt.

Noch einen Vorteil hat die Dezentralität: Die zweimal im Jahr vorgeschriebene Kontrolle auf Legionellenbefall entfällt. Die ist nur zwingend erforderlich bei Warmwasserspeichern mit mehr als 400 Litern Fassungsvermögen und einem Leitungsnetz mit einem Volumen von mehr als drei Litern.

„Diese Werte erreichen wir bei weitem nicht“, sagt Thurner. Dennoch lässt Colt das Wasser vom Institut Fresenius regelmäßig analysieren. „Es ist ein Pilotprojekt“, so Thurner. „Daher wollen wir sicher sein, dass die Legionellendichte tatsächlich unter dem Grenzwert bleibt.“

Einsatz nicht auf Hotels beschränktDie Investitionskosten für das ClimaTower-System liegen laut Colt um etwa 20 Prozent höher als bei einer konventionellen Versorgung. Die Betriebskosteneinsparung liege jedoch um bis zu 70 Prozent niedriger.

Bisher ist das Münchner Hotel das einzige mit ClimaTower-Technik. „Wir hoffen, in diesem Jahr weitere Projekte realisieren zu können“, sagt Thurner. Er ist mit einem privaten Hotelbesitzer und einer Kette im Gespräch. Das Konzept sei auch für die Senkung der Energiekosten in Jugendherbergen, Studentenwohnheimen, Pflegeheimen, Kasernen, Krankenhäusern und Mehrfamilienhäusern geeignet.

Ob das System wirklich hält, was Thurner verspricht, überprüft ein Team um Professor Mathias Wambsganß von der Fakultät für Innenarchitektur der Hochschule Rosenheim. In den nächsten zwei Jahren zeichnen die Forscher die Verbrauchsdaten auf und werten sie aus. Das Monitoring fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

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