Interview Wie fair ist das Fairphone?

Das erste Fair-Trade-Smartphone kommt demnächst auf den Markt. Doch so fair, wie manche Kunden meinen, ist das 320-Euro-Gerät nicht.

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Blendet man einmal all die Sensationsmeldungen über die technischen Innovationen der Smartphones aus, beschleichen einen von Zeit zu Zeit Zweifel. Erinnerungen an Meldungen über die schlechten Arbeitsbedingungen in den asiatischen Produktionsstätten, an die Minen, in denen die Rohstoffe gewonnen werden, Kinderarbeit und brennende Elektroschrottberge kommen einem in den Sinn.

Das Fairphone soll mit diesen Gewissensbissen nun Schluss machen. Aus einer 2010 in den Niederlanden gegründeten Initiative gegen Bürgerkriegs-Coltan in Mobiltelefonen entstand die Idee, selbst ein faires Handy herzustellen. Gestützt von der gemeinnützigen Amsterdamer Waag Society wurde mit acht Mitarbeitern ein Startup aufgebaut. Das Ziel: Ein Smartphone, das technisch und preislich auf Augenhöhe mit den etablierten Anbietern ist, aber ohne problematische Ressourcen und schlechte Arbeitsbedingungen auskommt.

Heute, rund drei Jahre später, startet die Produktion von 20.000 Fairphones. Rund 8500 Käufer haben sich für das 320 Euro teure Gerät bereits gefunden, das Ausgelieferungsdatum ist voraussichtlich im Oktober.

Wir haben mit Roos van de Weerd, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit bei Fairphone, darüber gesprochen, wie fair das Telefon wirklich ist.

Ein Smartphone enthält rund 30 verschiedene Arten von Metallen. Fairphone behauptet, dass es sowohl frei von Zinn als auch Tantal aus Konfliktgebieten ist. Das soll verhindern, dass über verschlungene Wege die Kriegskasse von Warlords gefüllt wird. Was ist mit den anderen 28 Materialien? Sind diese auch "fair"?

Roos van de Weerd: Nein, sie sind nicht fair. Zwei der Metalle, die das Gerät enthält, sind konfliktfrei: das Zinn in der Lötpaste und das Tantal in den Kondensatoren. Angesichts der Dutzenden von Materialien, die ein Standard-Handy enthält, erscheinen nur zwei fair gehandelte Materialien nicht als großer Fortschritt. Wir sind ganz klar nicht zu 100 Prozent konfliktfrei. Doch das haben wir nie gesagt und werden es auch nicht tun, weil wir 60 verschiedene Lieferanten haben und diese wiederum ihre Lieferanten haben. Das ist das Hauptproblem der Mobilfunk-Branche – die Lieferkette sind unheimlich lang und verästelt und schwer zu kontrollieren.

Tut sich denn bei den Lieferanten etwas?

Roos van de Weerd: Angenommen, man möchte einen Lieferanten durch einen gleichwertigen, aber faireren austauschen – das geht nicht von heute auf morgen. Doch auch wenn nur ein Bruchteil der Materialien im Fairphone nachweislich konfliktfrei ist und teilweise nicht so recyclebar, wie unsere Firma und unsere umweltbewussten Kunden das wünschen – wir bleiben optimistisch, dass wir die Veränderungen, die wir angestoßen haben, in die zweite Generation des Fairphone einfließen lassen können und das Telefon mit der Zeit immer fairer wird.

Was soll sich denn in der zweiten Generation ändern?

Roos van de Weerd: Wir werden versuchen, Fair-Trade Gold und Fair-Trade Kobalt zu verbauen. Mit diesen beiden Materialien sind wir den Mainstream-Smartphone-Herstellern in Sachen Nachhaltigkeit um Jahre voraus. Im Falle von Gold ist die Fair-Trade-Version des Materials nicht sonderlich weit verbreitet, obwohl bereits eine Zertifizierung existiert. Wir hoffen, dass wir dieses Problem in Zusammenarbeit mit der Max-Havelaar-Stiftung in der Schweiz angehen werden. Im Falle von Kobalt, das in Smartphone-Akkus verwendet wird, arbeiten wir mit Action Aid zusammen. Wir prüfen die Machbarkeit einer Fair-Trade-Kobalt-Regelung in einigen der Ländern, in denen es abgebaut wird. Diese Initiative könnte aber bis zu fünf Jahre brauchen, um Früchte zu tragen, obwohl das Material aus Nicht-Konfliktgebieten stammt.

Fairphone lässt seine Telefone in China fertigen. Nehmen die chinesischen Fertiger Sie überhaupt ernst, bei Ihren geringen Stückzahlen? 

Roos van de Weerd: Wir versuchen Langzeit-Beziehungen mit unseren Fertigern in China aufzubauen. Wir denken aber nicht, dass sie auf kurze Sicht ihre Haltung ändern werden, aber sie merken immerhin, dass der Markt eine Veränderung möchte. Wir versuchen bestmöglich mit ihnen zu kooperieren und einen Weg zu finden, der zu unserer Unternehmenskultur passt.

Warum produzieren Sie überhaupt in China, wo doch bekannt ist, dass dort große Probleme bestehen, wie zum Beispiel die schlechten Arbeitsbedingungen beim Apple-Fertiger Foxxcon?

Roos van de Weerd: Wir produzieren in China, weil wir das Problem dort angehen möchten, wo es nunmal ist. Wir haben keine Pläne unsere Fertigung in andere Länder zu verlegen, wie zum Beispiel Australien, da das wieder andere Probleme wie längere Transportwege verursachen würde.

Die Zielgruppe von Fairphone sind informierte Kunden aus privilegierten Ländern, da das Gerät mit 320 Euro recht kostspielig ist. Gibt es Pläne für ein Low-Budget-Fairphone, das in Entwicklungsländern angeboten werden könnte?

Roos van de Weerd: Derzeit haben wir noch keine konkreten Pläne, jedoch ist es unser Wunsch das Fairphone weltweit anbieten zu können – auch für Preise, die für mehr Menschen erschwinglich sind.

Wie möchten sie das Problem lösen, dass Kunden ihr Fairphone wegschmeißen, wenn es defekt oder nicht mehr up-to-date ist und dieses dann auf einer Müllhalde in sagen wir mal Nigeria landet?

Roos van de Weerd: Um sicherzustellen, dass die Leute ihr Handy nicht nach zwei Jahren wegwerfen, werden wir Ersatzteile auf unserem Webshop anbieten, so dass die Menschen Teile, die nicht mehr funktionieren, ersetzen können. Es ist definitiv nicht einfach und ohne technische Kenntnisse sollte man sich besser nach jemandem mit dem entsprechenden Know-How umschauen. Der Akku ist jedoch sehr leicht auszutauschen. Für den Fall dass das Telefon wirklich entsorgt werden muss, arbeiten zudem mit Partnern zusammen,die die Rohstoffe aus dem Elektroschrott zurückgewinnen und wiederverwerten.

Wo will Fairphone in einigen Jahren stehen?

Roos van de Weerd: Unser Projekt kann nur Einfluss auf andere, größere Unternehmen wie beispielsweise Apple oder Samsung nehmen, wenn die Verbraucher zeigen, dass sie Transparenz, faire Angebote und angemessene Löhne wollen. Wir versuchen das Bewusstsein zu schärfen. Soweit  funktioniert das auch recht gut. Die Menschen sind froh, dass endlich ein Player in der Industrie versucht, diese Änderungen voranzutreiben. Wir wollen nicht der Hersteller mit den höchsten verkauften Stückzahlen werden, sondern bewirken, dass die "Großen" von uns lernen und inspiriert beziehungsweise gezwungen werden, uns zu folgen.

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