Mobilität Forscher entwickeln selbstheilende Straßen

Asphalt lässt sich zwar inzwischen recyceln, Reparaturen kosten dennoch Rohstoffe und viel Geld. Bald schon könnte Straßenbelag sich selbst heilen.

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Erik Schlangen sieht aus wie ein Hexenmeister, wenn er seine Kunst präsentiert. Der niederländische Wissenschaftler, Spezialist für experimentelle Straßenforschung, steht in weißem Kittel und mit einer Schutzbrille vor einem Behälter. Erst taucht er ein baguettegroßes Stück Asphalt in einen mit Trockeneis dampfenden Kessel. Dann nimmt er es heraus, ohne eine Miene zu verziehen und zerschlägt es mit dem Hammer. Dann legt er es in eine Mikrowelle, schaltet sie an und erklärt, was er da eigentlich macht.

Schlangen hat eine Mission. Er will die Straßen revolutionieren, auf denen wir täglich Auto fahren. Autobahnen, Stadtstraßen, kleinere Wege. Dafür tüftelt Schlangen, der als Professor für Materialforschung an der Technischen Universität Delft lehrt, seit Jahren an einer neuen Art von Asphalt. Leiser als der herkömmliche Belag soll er sein, er soll Wasser durchlassen wie ein Sieb - um Aquaplaning zu verhindern - und sich selbst heilen. Klingt verrückt? Nur zum Teil.

Denn den Straßenbelag, der wasserdurchlässig ist, gibt es schon. Wegen seiner Hohlräume ist er auch besonders leise. Das ist der Belag, den wir als „Flüsterasphalt“ kennen. Die Fahrdecke hat nur einen entscheidenden Nachteil: Sie löst sich leicht auf. Sonne, Wasser, Eis und Laster schaffen nach und nach größere Risse. Dann bröckeln mit der Zeit kleine Steine aus dem Asphalt. Der Kleber zwischen den Steinchen hält nicht mehr. Das Ergebnis sind Schlaglöcher - und lange Staus, wenn sie repariert werden.

Die Lösung von Schlangen: Er mischt kleine Anteile Stahlfasern in den Kleber zwischen den Steinchen. Wenn der Stahl stark erhitzt wird, schmilzt er den Asphalt und die Risse schließen sich. Zum Erhitzen braucht es aber kein Feuer, sondern das geht auch über Induktion – wie in einer Mikrowelle.

Aus einer Mikrowelle holt Schlangen am Ende seiner Präsentationen vor interessiertem Publikum dann auch das zerbrochene Stück Asphalt. Und siehe da: Es hält wieder zusammen. Auch in Hongkong hat er seine Erfindung schon vorgeführt.

Sogar einen stillgelegten Teil der Autobahn A58 in den Niederlanden – rund 400 Meter – hat Schlangen mit seinem Team schon mit seinem selbstheilenden Belag ausgerüstet. Die Labortests des Asphalts ergaben: Wenn der Belag alle vier Jahre mit einer speziellen Induktions-Maschine wieder versiegelt wird, verlängert sich die Lebensdauer im Vergleich mit herkömmlichem Asphalt auf das Doppelte, also bis zu 40 Jahre. Das soll am Ende nicht nur Rohstoffe und Arbeit, sondern natürlich auch Kosten sparen. Allein in Deutschland wendet die öffentliche Hand jedes Jahr zwischen 3,5 und 10 Milliarden Euro auf, um Schlaglöcher zu beseitigen und Straßen zu reparieren. Künftig könnten aufwendige Reparaturen durch Verkleben einfach verhindert werden.

Über die Fortschritte der Asphalt-Forschung berichten die Delfter Wissenschaftler auch in ihrem Blog. Hier kann man Schlangen bei der Arbeit zusehen:



Änderung: Nachtrag der Redaktion zur Reparatur des Asphalts

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