"Super-WiFi" in Deutschland Werden wir bald gratis im Netz surfen?

Für Internetanbieter ein Horrorszenario: Offene WiFi-Netze für alle. Freie TV-Frequenzen könnten den Weg ebnen.

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Kostenlos nutzbare WiFi-Netze, die Straßenzüge oder ganze Dörfer umfassen – zwei deutsche Forscher sehen die Chance dafür gekommen. Sie wollen TV-Frequenzen nutzen, die derzeit frei werden. Die Reichweite ist nicht der einzige Vorteil.

Ob in überfüllten Messehallen oder zur Halbzeitpause im Stadion – überlastete Netze frustrieren. Und der Bedarf an mobilem Datentransfer wird in Zukunft weiter wachsen. Da sind sich Arnd Weber und Jens Elsner vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sicher. Und da mobiles Internet immer noch teuer ist oder schnell gedrosselt wird, rücken Sie WLAN (kabelloses Internet) zurück in den Fokus.

"Mir ist das in Genua aufgefallen", erklärt Weber. Bei einem Spaziergang durch die italienische Hafenstadt verband sich sein Smartphone mit den zahlreichen offenen Netzen: "Egal wo ich war, überall konnte ich meine Mails abrufen." Eine Offenheit, die es in Deutschland vor allem aus rechtlichen Gründen nicht gibt. Denn wer hierzulande ein offenes Netz anbietet, der haftet.

Offene Netze anzubieten, ist verbotenEin offenes Netz, in das sich Nutzer möglicherweise mit einer eigenen Kennung einloggen, das aber dennoch kostenlos ist, könnten etwa wohlwollende Unternehmen oder eben der Staat anbieten. Derzeit sind die kabellosen Netzwerke allerdings auf hohe Frequenzen im Bereich von 2 GHz und darüber beschränkt.

Das reicht nicht sonderlich weit, weshalb ein flächendeckendes Gratis-Netz teuer einzurichten ist. Gerade im Bereich zwischen 500 und 600 MHz gebe es aber Freiräume, argumentieren die Wissenschaftler, weil etwa TV-Sender wie RTL auf eine DVB-T-Übertragung, die diesen Bereich nutzen würde, verzichten.

Mit den niedrigeren Frequenzen und damit höheren Reichweiten ließe sich ein kostenloses Netz günstiger umsetzen. Bei einer entsprechenden Leistung könnten die Signale nämlich Kilometer weit reichen. Zudem werden die Frequenzbänder knapp. Schon heute überlagern sich in Innenstädten oder Studentenwohnheimen die Signale.

Normalerweise würde der Staat diese versteigern – und rein mikroökonomisch wäre das auch sinnvoll. Die Mobilfunkanbieter interessieren sich bereits für die freien Frequenzen.

In ihrer Studie (erschienen in "Telecommunications Policy", hier kostenpflichtig abrufbar) betrachten die Wissenschaftler allerdings technische, soziale und ökonomische Aspekte eines solchen "Super-WiFi". Hier könnte der Nutzen eines freien Netzes nämlich den Nutzen der Auktionseinnahmen übersteigen, etwa durch eingesparte Zeit und mehr Innovationen.

Weniger Router, mehr KommunikationDie kostenlose mobile Kommunikation von Privatpersonen ist dabei natürlich nur ein Aspekt. Startups, die teilweise Monate auf einen Anschluss warten müssen, profitieren ebenso wie Rettungskräfte im Katastrophenfall. Und die Umwelt: In welchem Rahmen sich mit der Nutzung neuer Frequenzen Strom sparen ließe, haben die Forscher noch nicht untersucht – viele tausend Router dürften damit aber überflüssig werden. Nicht nur für deren Hersteller, auch für die Anbieter von mobilem Internet dürfte das "Super-WiFi" eine Schreckensvision sein.

Wichtig sei zunächst allerdings, dass über diese Idee breit, möglichst international diskutiert werde. "In anderen Ländern wollen Fernsehsender oder Mobilfunkunternehmen diese Bänder nutzen, manche Frequenzen sind auch noch belegt", sagt Weber. Deshalb will er den Vorschlag im kommenden Jahr auf der World Radiocommunication Conference (WRC) vorstellen. Diese von den Vereinten Nationen initiierte Konferenz entscheidet unter anderem auf globaler Ebene über die Nutzung von Radiofrequenzen.

Auch ein deutscher Alleingang wäre laut Weber möglich, hätte vielleicht sogar eine Signalwirkung auf andere Länder. Schwierig würde es nur in Grenzregionen. Wobei fraglich ist, weshalb sich die deutschen Nachbarn gegen kostenfreies WLAN wehren würden. Rein technisch, so Weber, sei ein Testbetrieb schon im nächsten Jahr möglich.

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