Trinkwasser-Problem Eisberge verschiffen, Welt retten

Die Hoffnung, die Welt zu verändern, hat ein Unternehmer aus den Arabischen Emiraten: Um die Trinkwasser-Versorgung zu sichern, will er Eis vom anderen Ende der Welt herbeischleppen. Kann das gelingen?

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Ein Unternehmer aus dem Nahen Osten will das Trinkwasser-Problem lösen - indem er Eisberge verschifft. Bis auf andere Kontinente dürfte sich die Hilfe allerdings nicht ausweiten. Quelle: dpa

Was Umweltaktivisten als Anzeichen des Klimawandels betrachten, ist für Abdullah al-Schehi der Ansatz einer Geschäftsidee. In immer schnellerem Tempo bröckeln die Eismassen der Antarktis ins Meer. Der Unternehmer aus Dubai will sie als Rohstoff nutzen. Mit Schiffen sollen sie die fast 10 000 Kilometer bis in den Persischen Golf gezogen und dort zu Trinkwasser verarbeitet werden. Nebenbei ließen sich die Eisberge in der Wüstenstadt als Touristenattraktion vermarkten. Das ist zumindest die Hoffnung.

„Die Eisberge treiben einfach im Indischen Ozean herum. Jeder, der will, kann sie einsammeln“, sagt Al-Schehi. Schon im Jahr 2019 will der Leiter des Unternehmens National Advisor Bureau mit der „Ernte“ beginnen. Es würde durchaus zu Dubai passen, trotz der oft brütenden Hitze in der Stadt: Neben Indoor-Skipiste, künstlichen Inseln und dem höchsten Haus der Welt würden Eisberge vor den Stränden hier womöglich kaum überraschen. Zunächst wären aber noch etliche Hürden zu überwinden - juristische, finanzielle und logistische.

Zunächst will das National Advisor Bureau Schiffe zu der im südlichen Indischen Ozean gelegenen Insel Heard schicken. In der Umgebung des unter Naturschutz stehenden australischen Außengebiets würden die Schiffe nach Eisblöcken im passenden Format suchen, sie mit Seilen und Netzen einfangen und dann wieder Kurs auf die Vereinigten Arabischen Emirate nehmen.

Nach Einschätzung des Unternehmens würden die Eisberge während des Transports durch das nordwärts immer wärmer werdende Meer nicht nennenswert schmelzen, weil der größte Teil ihrer Masse stets unter Wasser bliebe. Bei der Ankunft würde ein einzelner Eisberg deswegen noch bis zu 75 Milliarden Liter frischen Wassers enthalten, sagt Al-Schehi. Dieses könnte dann zu sehr geringen Kosten aufbereitet werden.

Bisher wird fast das gesamte Trinkwasser in der Region am Golf über Entsalzungsanlagen gewonnen, was relativ teuer ist. Auch das staatlich unterstützte Unternehmen Masdar aus Abu Dhabi sucht daher aktiv nach Alternativen. Das Energieministerium des Landes dementierte in dieser Woche allerdings in einer Mitteilung nicht näher genannte „Berichte“, nach denen ein Eisberg bereits auf dem Weg ins Land sei.

Eine erste Hürde eines solchen Projekts dürften die Kosten sein. Al-Schehi wollte zu den diesbezüglichen Kalkulationen seines Unternehmens auf Anfrage keine Angaben machen. Robert Brears, Gründer des privaten Forschungsinstituts Mitidaption, geht in einer Machbarkeitsstudie zum „Abbau“ von Eisbergen aber davon aus, dass sich allein die anfänglichen Aufwendungen auf mindestens 500 Millionen Dollar (etwa 450 Millionen Euro) belaufen würden.

„Eisberg-Cowboys“ verkaufen Eis weltweit

Eine zweite Hürde wären verschiedene Regelungen zum Naturschutz. Um die auf und im Umkreis der Insel Heard lebenden Seehunde, Pinguine, Fische und Zugvögel zu schützen, wird der Zugang von den australischen Behörden stark eingeschränkt. Für die Antarktis gibt es zudem internationale Abkommen, die nicht nur eine militärische Nutzung, sondern auch die wirtschaftliche Ausbeutung verbieten.

Selbst wenn es dem Unternehmen aus Dubai gelingen sollte, alle erforderlichen Genehmigungen zu erhalten, wäre die eigentliche Arbeit in den antarktischen Gewässern immer noch eine enorme Herausforderung. „Abertausende Eisberge treiben umher, und sie können sich ohne Vorwarnung bewegen“, sagt Christopher Readinger vom National Ice Center der USA. „Die Stürme da unten können wirklich brutal sein, und es gibt dort niemanden, der einem helfen könnte.“

Im Bereich der Arktis wird Polareis seit einiger Zeit bereits kommerziell genutzt - wenn auch nur in recht begrenztem Umfang. Im Norden Kanadas sprengen selbsternannte „Eisberg-Cowboys“ passende Blöcke heraus und verkaufen sie an Brauereien, Weinkellereien oder Wodka-Hersteller. Ein norwegisches Unternehmen verkauft geschmolzenes Polareis in Flaschen als Luxus-Trinkwasser.

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Für die künftigen „Eisberg-Cowboys“ im Süden wäre allerdings nicht nur der Zugang deutlich schwerer. Die Ausbeute pro Kilogramm Eisberg wäre dort im Vergleich auch eher mager. „Das ist das trockenste Eis der Welt“, sagt Brears. „Man kann sehr viel von diesem Eis schmelzen lassen und dabei trotzdem nur sehr wenig Wasser gewinnen.“ Umweltschützer weisen unterdessen darauf hin, dass es für die Länder der Golfregion auch ganz andere Mittel zur Bekämpfung des Trinkwasser-Mangels gäbe - etwa Tröpfchenbewässerung in der Landwirtschaft, eine bessere Wartung von Leitungen oder schlicht ein sparsamerer Umgang mit der kostbaren Ressource.

Das Eisberg-Projekt stehe zu allen Konzepten zur Klimawandel-Anpassung im Widerspruch, sagt Charlotte Streck, Leiterin des Beratungsunternehmens Climate Focus. Es sei „eine außergewöhnlich sinnlose und kostspielige Art“, das Trinkwasser-Problem am Golf zu lösen.

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