Zucker im Tank Dresdner Startup will mit Süßstoff Autos antreiben

Das Startup Green Sugar gewinnt Zucker aus Holzresten und Feldabfällen - daraus soll künftig Biosprit werden.

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Zucker könnte das Erdöl der Zukunft werden. Ob Kunst- oder Treibstoffe: Aus den süßen Kohlenhydraten lässt sich praktisch alles herstellen, was bisher Öl als Ausgangsstoff benötigt.

Und noch mehr: Auch Ersatz für aktuelle Biotreibstoffe der ersten Generation, die zum Beispiel aus Mais und Getreide hergestellt werden, wird dringend benötigt, weil Nahrungs- und Futtermittel für sie zweckentfremdet werden. Nachhaltiger wäre es, Treibstoffe aus organischen Abfällen wie Holzspänen und Stroh zu gewinnen.

Aber bisher ist das nicht wirtschaftlich gelungen. Dabei hätte Sprit aus biologischen Abfällen ein enormes Potenzial: Laut einer Studie von Bloomberg New Energy Finance könnte in Europa bis zu 60 Prozent des Benzins durch Treibstoffe aus Feldabfällen und anderen organischen Resten gedeckt werden (siehe Grafik unten).

Das junge Meißener Unternehmen Green Sugar (seinen Sitz hat das Startup offiziell in Dresden) glaubt nun, die Einführung des grünen Sprits aus Abfallstoffen entscheidend beschleunigen zu können. Es setzt auf das sogenannte Bergius-Verfahren zur Holzverzuckerung, das Anfang des vergangenen Jahrhunderts entwickelt und großtechnisch eigesetzt wurde.

1924 gewann der deutsche Chemiker und Nobelpreisträger Bergius aus 100 Kilogramm trockenen Holzes 78 Kilogramm Glucose, also Traubenzucker. Daraus entstand durch Vergärung Ethanol, also Alkohol. Ethanol wird heute zum Beispiel mit Benzin vermischt und als E10 an der Tankstelle angeboten.

Altes Verfahren, neu aufgelegtDie Produktionsanlagen hielten der eingesetzten Salzsäure – andere nutzten Schwefel- oder Flusssäure – aber damals nicht lange stand. Deshalb setzte sich das Verfahren nicht durch. In den Fünfzigerjahren wurden alle Anlagen stillgelegt.

Matthias Schmid, der 2007 gemeinsam mit Frank Kose Green Sugar gegründet hat, glaubt, dass es ihnen gelungen ist, die Schwachstellen auszumerzen. Vor allem der Einsatz von säurebeständigen Werkstoffen soll die Kosten senken. Eine Technikumsanlage in Meißen schafft bereits die Leistung der einstigen Bergius-Fabrik.

Täglich produzieren die Sachsen aus 100 Liter Biomasse 50 Kilogramm Traubenzucker, genug für 30 Liter Ethanol. Prominentester Kunde ist Nemo, ein internationaler Forschungsverbund, der die Technik zur Herstellung von Ethanol aus Zucker optimieren will.

Holz besteht aus Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Grob geraspelt wird es in einem Reaktor mit verdünnter Salzsäure traktiert, deren Konzentration schrittweise auf 40 Prozent erhöht wird. Zunächst spült sie die Zuckerarten Xylose und Arabinose heraus, mit denen Mikroorganismen, die für die Alkoholproduktion zuständig sind, nicht allzu viel anfangen können.

Anders bei Glucose aus Holz oder Saccharose aus Zuckerrüben, Zuckerrohr oder Getreide. Seit Jahrtausenden gibt es Hefen, die diese Zuckerarten durch Vergären in Alkohol verwandeln, der zur Herstellung von Spirituosen oder als Beimischung zum Benzin genutzt wird.

Auch aus den Resten wird EnergieDurch Destillation werden die verschiedenen Zuckerarten aus der Säure herausgelöst, die wiederverwertet wird. Diesen Schritt haben die Green-Sugar-Techniker ebenfalls mit dem Ziel verbessert, die Herstellungskosten zu reduzieren. Übrig bleiben Lignin sowie ausgelaugte Zellulose und Hemizellulose sowie die (noch) nicht verwertbaren Zuckerarten. Diese Reste werden zur Energieerzeugung verbrannt oder in Biogasanlagen verwertet.

Aber verschiedene Unternehmen und Forschergruppen arbeiten daran, Mikroorganismen zu entwickeln, die auch die bisher verschmähten Zuckerarten (also Xylose und Arabinose) umsetzen. Darunter der Frankfurter Professor Eckhard Boles und das Schweizer Unternehmen Butalco, zu dessen Gründern er gehört.

Eine Produktionsanlage, die mit der Technik von Green Sugar arbeitet, könnte den Zucker zu einem Preis von 25 Eurocent pro Kilogramm herstellen. Etwa ebensoviel kostet Rüben- oder Rohrzucker. Zunächst müsste jedoch eine Demonstrationsanlage gebaut werden. Dazu benötigen die Meißener allerdings ein paar Millionen Euro von Investoren. Ziel ist die Vergabe von Lizenzen für die Technologie. „Wir wollen keine Zuckerproduzenten werden“, sagt Schmidt. Das will er anderen überlassen.

Lesetipp: Wir von WiWo Green beschäftigen uns derzeit verstärkt mit der Herstellung von Treibstoffen aus Abfall: Erschienen sind bisher ein Artikel zur EU-Politik, die weniger Biosprit aus Nahrungsmitteln fördern will, und ein Text über innovative Algenspritherstellung in Brasilien.

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