Debatte Wozu ist Unternehmensethik eigentlich gut?

Ethik nützt dem guten Ruf, keine Frage. Aber viele Unternehmen konzentrieren sich zu sehr auf den Nutzen.

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Frank Wiebe ist Autor des Buches "Wie fair sind Apple & Co? - 50 Weltkonzerne im Ethik-Test", das am 1. Februar erscheint. Wiebe ist Redakteur des "Handelsblatts" und lebt in New York. 

Heute muss sich jeder und alles fragen lassen, wozu er oder es von Nutzen ist. Philosophisch gesprochen leben wir, ob bewusst oder unbewusst, im Zeitalter des Utilitarismus – einer Bewegegung, die vor gut 200 Jahren in Großbritannien entstanden ist und eine neue Ethik propagierte, die man auf die Kurzformel bringen kann: Gut ist, was nützt. Damit sind wir in eine merkwürdige Situation gekommen. Eigentlich sollte doch Ethik definieren, was gut und was schlecht ist. Aber heute muss sie sich selbst die Frage gefallen lassen, wozu sie gut ist.

Stellen wir uns also ganz praktisch die Frage: Wem nützt Unternehmensethik?

Einmal nützt sie natürlich den Leuten, auf deren Wohlergehen sie ausgerichtet ist, also den Mitarbeitern oder Arbeitern zu bei Zulieferern, wenn es um faire Arbeitsbedingungen geht, und den Anwohnern oder der Allgemeinheit, wenn es um Umweltfragen geht.

Ethik ist ein eigener GeschäftszweigDann nützt Ethik natürlich den Leuten, die sie betreiben. Inzwischen ist rund um Schlagworte wie „Verantwortung“ (oder „Corporate Social Responsability“) „Nachhaltigkeit“ (oder „Sustainability“) so etwas wie eine eigene Branche entstanden. Es gibt CSR-Beauftragte in Unternehmen, die Konzepte ausarbeiten, Berichte schreiben und auf unangenehme Fragen möglichst angenehme Antworten finden müssen. Es gibt – konzerneigen oder extern – weltweit arbeitende Organisationen, die die Einhaltung von sozialen und ökologischen Kriterien in den eigenen Betrieben und vor allem bei den Zulieferern kontrollieren.

Es gibt Organisationen wie Greenpeace, Oxfam und Südwind, die zumindest zum Teil davon leben, Missstände bei Unternehmen anzuprangern. Es gibt Ratingagenturen wie Oekom-Research, die Noten nach ökologischen und sozialen Kriterien vergeben, und Fonds, die „nachhaltig“ investieren. Außerdem Professoren und Lehrstühle zum Thema Business Ethik. Und natürlich Autoren, die Bücher zu dem Thema schreiben (wie der Autor dieses Beitrags).

Bei all diesen Leuten ist klar: Für sie ist Unternehmensethik ihr Beruf. Aber wie sieht aus Sicht der Unternehmen aus?

An dieser Stelle gilt es zunächst, eine wichtige Unterscheidung zu machen: Ethik und Recht sind nicht dasselbe, sondern es handelt sich um zwei unterschiedliche Sphären. Nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, ist ethisch zu rechtfertigen. Und manchmal gibt es sogar Rechtsvorschriften, die ethisch nicht zu rechtfertigen sind.Ethik fängt da an, wo man sich jenseits rechtlicher Vorgaben fragt: Wie müssen wir unsere Mitarbeiter behandeln, unsere Zulieferer kontrollieren, die Umwelt schützen?

Natürlich gehört dazu auch, die Kunden und die eigenen Investoren anständig zu behandeln. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied: Bei Kunden und Investoren ist es – von Ausnahmen abgesehen - zumindest auf mittlere Sicht im rein wirtschaftlichen im Interesse des Konzerns, gute Beziehungen und ein gutes Image aufzubauen – schließlich können die Leute auch woanders einkaufen oder investieren. Bei den eigenen Mitarbeitern kann es je nach Arbeitsmarkt in der jeweiligen Branche auch rein betriebswirtschaftlich geboten sein, sie fair zu behandeln. In Fragen der Umwelt oder Arbeitsbedingungen bei Zulieferern wird es dagegen schon schwieriger, einen Gleichklang zwischen Betriebswirtschaft und Ethik festzustellen – er kommt häufig erst dann zustande, wenn große Missstände öffentlichkeitswirksam aufgedeckt werden und die Unternehmen um ihren guten Ruf fürchten müssen.

Ethik ist mehr als eine ImagefrageUnd damit sind wir wieder bei der Frage: Wozu nützt Ethik dem Unternehmen? Die einfachste Antwort lautet: Sie dient dem guten Ruf. Häufig werden ethische Risiken daher auch als „Reputationsrisiken“ definiert. Was für einen normalen, betriebswirtschaftlich nicht verbildeten Menschen etwas merkwürdig klingt, hat einen simplen Hintergrund: Manager sind in erster Linie dazu da, Gewinn zu erwirtschaften. Wenn sie daneben auch noch ethische Ziele verfolgen wollen, müssen sie die irgendwie betriebswirtschaftlich umdefinieren, um sich gegenüber rein gewinnorientierten Investoren zu rechtfertigen, und vielleicht auch, um für sich selber mit einem einigermaßen widerspruchsfreien Weltbild herumzulaufen.

Ethik nützt also dem guten Ruf. Diese Antwort ist richtig, und der Versuch, Geschäft und Ethik in möglichst harmonischen Einklang zu bringen, ist ehrenwert. Und doch hinterlässt diese Reduktion des Themas auf eine Imagefrage einen schalen Geschmack. Aus zwei Gründen. Einmal liegt dann doch nahe, sich nur um die Bereiche zu kümmern, bei denen die Gefahr besteht, dass die Öffentlichkeit sich dafür interessiert. Und leider passiert genau das ja auch in vielen Unternehmen. Und zweitens beinhaltet ein Begriff wie „Ethik“ doch auch den Anspruch, das Gute aus Überzeugung zu tun, und nicht nur des Nutzens wegen. Und definiert sich der Mensch nicht auch, allen Zynikern zum Trotz, als ethisches Wesen – und zwar in seinem ganzen Leben, also auch im Beruf?

Daher sollten sich auch Manager und Unternehmer wenigstens ein Stück weit von reinen Nutzenerwägungen frei machen, wenn es um ethische Fragen geht. Dass das manchmal schwer ist, wird niemand leugnen – aber wenn der Mensch ein ethisches Wesen ist, dann heißt das auch, dass er es sich nicht immer leicht macht. Im übrigen: Auf längere Sicht bekommt die Öffentlichkeit doch mit, wo Ethik tatsächlich ernst genommen wird. Insofern nützt es dann doch wieder, sie aus Überzeugung zu betreiben.

Welche Unternehmen hier vorbildlich sind und welcher Weltkonzern noch nacharbeiten muss, hat Frank Wiebe in seinem neuen Buch analysiert. Auf WiWo Green wird er in den nächsten Wochen exklusive Einblicke in sein neues Buch und seine Recherchen geben. 



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