Abfallproblem Brite will radioaktiven Müll einschmelzen

Ein britischer Ingenieur hat ein verfahren entworfen, mit dem er das Volumen von plutoniumverseuchten Abfall drastisch verringern kann: Er verflüssigt ihn einfach.

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Großbritannien hat ein Müllproblem von gigantischem Ausmaß. Das Königreich gehört zu den wenigen Ländern, die Wiederaufbereitungsanlagen für Atommüll betreiben - und muss Unmengen an radioaktiven Abfällen zwischenlagern, die mit Plutonium verseucht sind. Laut Neil Hyatt von der University of Sheffield sind es rund 31.000 Kubikmeter. „Genug, um den Uhrenturm des Big Ben siebenmal zu füllen“, sagt er.

Der Ingenieur will das Mengenproblem jetzt lösen. Er entwickelt ein Verfahren, mit dem sich das Volumen von derartigem Müll um bis zu 95 Prozent reduzieren lässt. Gleichzeitig wird das Plutonium, das einige 10.000 Jahre lang strahlt, sicher und dauerhaft von der Umwelt abgeschnitten.

Bisher stopfen Spezialisten den Müll in Fässer und füllen deren Zwischenräume mit Flüssigzement aus. Das Material stammt vor allem aus Filtern und Schutzanzügen, die in der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield und in Brennelementefabriken anfallen, die Plutonium verarbeiten. Irgendwann sollen die Fässer in ein Endlager gebracht werden – sollte es irgendwo mal eins geben. Die Briten haben allerdings noch nicht einmal mit der Suche nach einem geeigneten Standort begonnen.

Strahlende Brühe wird zu Glas

Wegen der Zugabe von Zement wird das Volumen des Mülls nicht verringert, sondern massiv erhöht. Hyatt will geht einen ganz andere Weg: Er vermischt die klein geschnittenen Abfälle mit Schlacke aus Kraftwerken oder Stahlwerken und heizt das Gemisch auf weit mehr als 1000 Grad Celsius auf. Papier, Stoff und sonstiges organisches Material verbrennt und das Schlacke-Müll-Gemisch verflüssigt sich. Plutonium und andere feuerfeste Stoffe verteilen sich darin.

Die strahlende Brühe wird schließlich in Formen gegossen. Nach dem Erkalten ähnelt das Material Glas, daher die Bezeichnung vitrification (Verglasung). So ähnlich wird der strahlende Restmüll in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague schon seit vielen Jahren behandelt. Dort wird allerdings echtes Glas statt Schlacke eingesetzt. Die eingeschlossenen radioaktiven Partikel lassen sich mit natürlichen Mitteln nicht mehr auswaschen. Sie sind absolut sicher eingeschlossen, was sie aber nicht hindert, weiter zu strahlen.

Noch hat sich der Professor aus Sheffield nicht an plutoniumverseuchten Abfall herangewagt. Er testet das Verfahren vorerst mit Cer, einem Metall, das zu den Seltenen Erden zählt. Es verhält sich ähnlich wie Plutonium, gefährdet die Wissenschaftler jedoch nicht. Wenn sein Verfahren ausgereift ist, will er es mit Plutonium versuchen und eine entsprechende Anlage bauen. In Deutschland sind es auch viele, aber andere Müllprobleme, die Sorgen machen: Hierzulande fallen praktisch keine plutoniumverseuchten brennbare Abfälle an.

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