Bezahlte Studien So entstehen falsche Fakten in der Klimadebatte

Eine zwielichtige Stiftung fördert eine Klimastudie - und das zweifelhafte Ergebnis geistert jahrzehntelang durch die Debatte.

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Industrieanlagen sind eine Emissionsquelle für CO2 - in der Atmosphäre stecken aber noch mehr Treibhausgase. Quelle: dpa

In der Debatte um das Klima sind Fakten die wichtigste Währung. Für den menschengemachten Klimawandel, die globale Erwärmung und die daraus resultierenden Folgen gibt es viele Indizien, viele Hinweise und auch Belege.

Doch auch diejenigen, die nicht an einen Klimawandel glauben, oder zumindest nicht an Menschen als Auslöser, sammeln fleißig Indizien, Hinweise und Fakten. Das ist wichtig; und auch wissenschaftlich: Jede bestehende Theorie muss den Argumenten ihrer Kritiker standhalten können.

Schwierig wird es nur, wenn Fakten ins Spiel kommen, die nur vermeintlich richtig sind. Wie das aussehen kann, hat nun der Rechercheverbund aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung herausgefunden.

In einem sehr lesenswerten Artikel schildert die SZ anhand älterer Akten, wie deutsche Unternehmen seit den 80er-Jahren in die Hans-Joachim-Martini-Fonds einzahlen. Das ist ein spezieller Fördertopf für die staatliche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die fördert mit diesem Geld Projekte oder lobt Ehrungen aus.

CO2-Relativierung in den 90er-Jahren

1998 forderte der damalige Vorsitzende der Martini-Stiftung Hans-Joachim Leuschner, hauptberuflich Manager beim Braunkohlekonzern Rheinbraun, von seinen Stiftungskollegen "neue Wege zu suchen, um Zustiftungen einzuwerben", so die SZ. Eines seiner Beispiele für ein ausgezeichnetes Projekt soll eine Studie zur Klimaforschung gewesen sein. Thema: "Wie relevant ist die Rolle von CO2 als Treibhausgas wirklich?"

Die Studie kam zu dem Schluss: Wasserdampf sei deutlich schlimmer, Kohlendioxid dagegen überschätzt. Die SZ zitiert das Fazit: "Das anthropogen eingebrachte CO2 spielt mit einem Anteil von 1,2 Prozent am gesamten Treibhausgaseffekt nur eine untergeordnete Rolle."

Eine NASA-Animation von Co2-Emissionen. Brände sind rot, städtische Emissionen blau dargestellt. Daten beziehen sich auf einen fünftägigen Zeitraum im Juni 2006. (Zum Vergrößern klicken.) Quelle: dpa


Der Effekt von CO2 also eigentlich total überschätzt? Könnte man so herauslesen. Für die Studie gab es von der Stiftung 50.000 Mark und selbsternannte Klimaskeptiker hatten ein weiteres Argument an der Hand, warum der Mensch gar keinen Einfluss auf das Klima nehmen könne.

Nur ist dieses Argument falsch. Der Anteil des von Menschen verursachten CO2-Ausstoßes am gesamten Treibhauseffekt dürfte, da sind sich viele Forscher einig, bei über zwei, vielleicht drei Prozent liegen. Aber selbst die 1,2 Prozent sind nicht wenig, wenn man überlegt, dass die Erde ohne Treibhauseffekt eine Durchschnittstemperatur von – 18C° haben würde.

Dass es dennoch deutlich wärmer ist, liegt tatsächlich am Wasserdampf, der unsere Erde umhüllt. Nur: Dessen Menge bleibt in etwa gleich. Die Menge an CO2 und anderen Treibhausgasen nimmt aber zu. Der natürliche Treibhauseffekt bleibt mittelfristig im Gleichgewicht, während die menschengemachten Emissionen dazukommen - und von denen macht Kohlendioxid nach UN-Zahlen über drei Viertel aus.

Ein falscher Schluss, der im Gedächtnis blieb

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe griff in ihren folgenden Publikationen, etwa dem Buch "Klimafakten" von 2000, weiterhin auf die Zahl und die Formulierung ihrer zweifelhaften Studie zurück: Kohlendioxid (bzw. seine anthropogenen Anteile) trage zum gesamten Treibhauseffekt unserer Erde "nur" 1,2 Prozent bei.

Welche Folgen das hat, zeigt sich etwa in einer Rezension im Zentralblatt für Geologie und Paläontologie (Teil II Jahrg. 2005 Heft 5/6) fünf Jahre später. Darin heißt es, die Autoren [von Klimafakten] hätten "die Unabhängigkeit des Klimaverlaufs vom menschlichen Einfluss belegt."

Und so kommen Klimaskeptiker, etwa im Blog Equapio in einem Beitrag zur "Klimalüge", noch heute zu dem Schluss: Kohlenstoffdioxid sei unbedeutend, das "mit Abstand wichtigste Treibhausgas ist Wasserdampf." Leider ein Fehlschluss.

CO2 bedeutet Wärme, Wärme bedeutet mehr Wasserdampf

Einerseits trägt CO2 zum Treibhauseffekt bei. Andererseits sorgt die Erwärmung der Welt für noch mehr Wasserdampf. Einen entsprechenden Artikel veröffentlichten texanische Wissenschaftler 2009 im Fachmagazin Science.

In welchem Rahmen – darüber streiten Forscher und Skeptiker derzeit. 2013 machten zwei der prominentesten Vertreter der Klimaskepsis, Klaus-Eckart Puls von der Anti-Klimaschutz-Initiative "Eike" und Sebastian Lüning, Autor des Buches "Kalte Sonne" und hauptberuflich bei Großunternehmen der Ölbranche beschäftigt, Einwände geltend: In einem Beitrag in Lünings Blog schrieben sie, dass (ausgewählte) Messergebnisse keine Zunahme von Wasserdampf zeigen – trotz erhöhter CO2-Werte und Temperaturen.

Eine Wetterkarte zeigt Wasserdampf in der Atmosphäre über den USA. (Zum Vergrößern klicken.) Quelle: REUTERS

Die Frage ist nur, ob wir nicht zu früh dran sind. Die (noch moderate) globale Erwärmung setzte erst Jahrzehnte nach der Zunahme von CO2-Emissionen an. Kann es da zu Beginn des neuen Jahrtausends schon solche Wasserdampf-Verstärkungseffekte geben?

Ein Team von israelischen und US-Wissenschaftlern hat sich Daten von 1979 bis 2013 angeschaut und festgestellt, dass die Stratosphäre sich in manchen Regionen derzeit durch den Dampf tatsächlich abkühlt. Das hält den Treibhauseffekt nicht auf, aber reduziert die Menge an Dampf, die die Stratosphäre aufnehmen kann. Eine Art Selbstregulierung, die noch funktioniert. Aber eben nur in der Stratosphäre.

Wasserdampf-Anstieg erstmals 2014 bewiesen

In der Troposphäre (der erdnäheren Schicht der Atmosphäre) gibt es bereits mehr Wasserdampf. Das haben US-Forscher 2014 erstmals bestätigen können. Auch, dass menschliches Handeln die Ursache ist. Ein verklausulierter Ausdruck dafür, dass tatsächlich die von Menschen emittierten Treibhausgase dafür verantwortlich sind.

Die Aussage, dass Wasserdampf alleine für den Treibhauseffekt verantwortlich sei und vom Menschen unabhängig ist, stellt sich spätestens damit als falsch heraus. Wie lange das Argument nun schon durch die Debatte geistert, zeigt allerdings, wie gefährlich Studien sind, hinter denen interessengeleitete Gruppen stehen.

Wenn staatliche Stellen keine Unabhängigkeit garantieren können, wer dann? Egal ob man sich nun zu den Klimaskeptikern zählt oder dem wissenschaftlichen Konsens glaubt – das Interesse an wirklich unabhängigen Studien sollte beide Seiten einen.

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