Das kleine Wunder der Elbe Von der Giftbrühe zum Badefluss

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Fische kehren in den Fluss zurück

Das sieht Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei ganz genauso. „In den letzten Jahrzehnten hat man sich vor allem auf die chemische Wasserqualität gestürzt und hatte da auch große Erfolge“, sagt er. Seltene Flussfischarten wie Barbe, Hasel oder Aland kehrten zum Beispiel zurück. Auch der Lachs wird wieder angesiedelt.

Seit Ende der Neunzigerjahre aber seien Verbesserungen relativ marginal geblieben, ergänzt Wolter. Deshalb sei es Zeit für einen Paradigmenwechsel, ganz im Sinne der neuen Wasserrahmenrichtlinie: Nicht nur die chemische Wasserqualität zählt. Die ökologische Qualität ist gleichwertig.

An diesem Punkt liegt auch für Wolter einiges im Argen. „Anders als bei der Industrie sind die Auflagen für die Landwirtschaft überhaupt nicht verschärft worden“, kritisiert er. Nach der Wende hätten sich durch Prämien für Flächenstilllegungen an ostdeutschen Flüssen ökologisch wertvolle Uferrandstreifen gebildet. Doch der Maisanbau für Biogas, der sich für Landwirte finanziell mehr lohnt, habe diesen Effekt nun wieder torpediert. Die intensive Landwirtschaft bringe wieder vermehrt Nitrat und Nitrit ins Wasser - und befördert damit die große Gefahr eines verstärkten Algenwachstum. Es nimmt Licht und kann zu instabilen Sauerstoffbedingungen im Fluss führen.

Sorge macht Wolter auch die Schifffahrt. „Es geht vor allem um die Belastung durch Wellenschlag am Ufer, in erster Linie durch Passagierschiffe und Sportboote“, sagt er. Durch ihre Bauform und Gleitfahrten komme deren Oberflächenwelle fast ungebrochen ans Ufer. Dort lebten Jungfische und Pflanzen in der flachen Uferzone. „Die Rückströmung zieht das Wasser vom Ufer weg“, berichtet Wolter. Bei Torgau mache das zum Beispiel einen Meter Unterschied aus. Dazu komme die breite und tiefe Fahrrinne für Güterschiffe, um möglichst ganzjährig zu laden. „Das hat oft sehr steile und mit Steinschüttung befestigte Ufer zu Folge“, sagt er. Für Fische und Pflanzen blieben durch all das weniger lebenswichtige Flachwasserbereiche übrig.

Altlasten werden aufgewirbelt

Susanne Heise, Ökotoxikologin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, hat vor allem die Ablagerungen der Elbe im Blick - ihre Sedimente. Sie sind wie das Gedächtnis eines Flusses. „Schwebstoffe und Schadstoffe in den Sedimenten sind heute die großen Probleme für die Elbe“, urteilt sie. Dazu zählen auch die Altlasten wie Schwermetalle, die immer noch etwa aus alten Tagebauten eingeschwemmt oder bei Hochwasser wieder aufgewirbelt werden.

Zwar gebe es ein Sedimentmanagementkonzept mit Schwellenwerten für Konzentrationen, berichtet Heise. Es sei aber nicht verpflichtend und habe mit Blick auf Schadstoffquellen noch viele weiße Flecken. Wichtig wäre ihr deshalb eine Prioritätenliste: Wo ist es ökologisch sinnvoll, Altlasten vom Grund zu baggern? Solche Verfahren sind teuer. „Mit Verbesserungen bei den Sedimenten könnte die Elbe aber noch einmal einen Sprung nach vorn machen“, sagt die Forscherin.

Doch immer noch passieren Fehler. In Tschechien gelangten durch die Sanierung einer Brücke zum Beispiel große Mengen an giftigen organischen Chlorverbindungen (PCB) in die Elbe, berichtet Heise. Sie steckten wahrscheinlich als Weichmacher in alten Farbe und Lacken. Doch bei der Brückensanierung fehlten Planen, die beim Abstrahlen ein Rieseln der Farbreste in die Elbe verhindert hätten. Die Umweltsünde fiel erst auf, als Messstationen flussabwärts ungewöhnlich hohe PCB-Konzentrationen registrierten.

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