Erderwärmung CO2 beschleunigte Eiszeit-Ende

Eine aktuelle Studie zeigt: CO2 beschleunigte das Ende der letzten Eiszeit stärker, als bisher angenommen. Heute heizt es die Ozeane auf.

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Für den ehemaligen Vize-Präsidenten Al Gore muss es eine ziemlich ärgerliche Szene gewesen sein. 2007 stand er vor dem US-Kongress und versuchte die Abgeordneten davon zu überzeugen, dass das Land dringend etwas gegen den Klimawandel tun und seinen CO2-Ausstoß rapide reduzieren müsse. Es war die Zeit als Gores Filmdoku „Eine unbequeme Wahrheit“ Millionen Zuschauer in die Kinos zog.

Gores Überzeugung, das schon damals wissenschaftlicher Konsens war: CO2 ist als Klimagas für die Erwärmung der Erde verantwortlich; machen wir weiter wie bisher, droht ein Klimawandel, der unser Leben auf diesem Planeten entscheidend zum Negativen verändern wird.

Einer der Abgeordneten, der Republikaner Joe Barton aus Texas, zog damals eine wissenschaftliche Studie aus der Tasche und ging Gore direkt an. Das Papier zeige, so der Politiker, dass in der letzten Eiszeit die Temperaturen gestiegen seien und dann erst mit rund 800 Jahren Verspätung die Konzentration des CO2 in der Atmosphäre.

Die Schlussfolgerung: CO2 hat keinen Einfluss auf die Erderwärmung. Man sieht die zeitliche Verschiebung annähernd in dieser Grafik:

Damals war diese Aussage nicht einmal falsch. Nun zeigt eine Studie des Glaziologen und Eisforschers Frédéric Parrenin von der französischen Universität Grenoble, dass es kaum einen Zeitunterschied zwischen der Erwärmung und dem Anstieg der CO2-Konzentration gab. Seine Studie, an der neun Co-Autoren mitwirkten, erschien am 1. März im renommierten Wissenschaftsmagazin Science (hier die Studie als PDF).

Eis und Luft in der ZeitschleifeForscher rekonstruieren das Verhältnis von Temperaturanstieg und CO2 in den vergangenen 800.000 Jahren indem sie Eisbohrkerne von den Polen analysieren. Sie führen wie ein historisches Thermometer zurück in die Vergangenheit. Die in den Proben enthaltene Luft und das Eis – die Aufschluss über CO2-Konzentration und Temperatur geben – stammen aber nicht aus derselben Zeit, weil sie sich unterschiedlich schnell ablagern. Jüngere Luft steckt in älterem Eis. Das führt zu erheblichen Unsicherheiten bei der Datierung.

Parrenin und die anderen Wissenschaftler wendeten jetzt eine neue chemische Datierungsmethode an, um das exakte Alter der Luft zu bestimmen – dadurch werden die Ergebnisse genauer. Parrenin geht nun davon aus, dass es keinen oder nur einen sehr geringen Abstand von höchstens 200 Jahren zwischen dem Anstieg der Temperatur und dem Anstieg des CO2 in der Atmosphäre gab.

Peter Köhler vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und einer der Co-Autoren der Studie, schreibt in einer Email zu den Ergebnissen:

„Das Ende der letzten Eiszeit startete vermutlich in den nördlichen hohen Breiten der Erde ursächlich durch einen Anstieg der sommerlichen Sonneneinstrahlung. Das führte zu einem Rückgang der Eisschilde auf der Nordhalbkugel. Über interhemisphärische Kopplung gab es in der Folge auch einen Temperaturanstieg im Süden (im Südpolarmeer und der Antarktis), der zeitgleich zu einem Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führte, was die globale Erwärmung wiederum verstärkte.“

Von der Eiszeit in die GegenwartDas bisherige Verständnis vom Ende der Eiszeit habe sich durch die Studie nicht grundlegend verändert, erklärt Köhler. Die Kopplung zwischen dem damaligen antarktischen Temperatur- und atmosphärischen CO2-Anstieg sei aber unter Umständen stärker als bisher angenommen.

Sprich: Die ursprüngliche Erwärmung wurde durch austretendes CO2 so verstärkt, dass die Welt so bewohnbar und warm wurde, wie wir sie heute kennen. Der bisherige Abstand von 800 Jahren beim Anstieg von CO2 ließ einen eher schwachen Zusammenhang zwischen Temperatur und CO2 annehmen. Diese Ansicht muss mit einem Abstand von höchstens 200 Jahren revidiert werden.

Wer mit den Temperaturkurven der vergangenen Jahre vertraut ist, wird sich allerdings fragen: Wenn das CO2 mitverantwortlich für die Erderwärmung ist und seine Konzentration in der Atmosphäre steigt, warum stagnieren dann die Temperaturen auf der Erde in den vergangenen 15 Jahren? Die Pause der Erwärmung auf der Erdoberfläche zeigt diese Grafik im Zeitraum zwischen 1998 und 2013.

Über das Problem, warum die Erderwärmung anscheinend pausiert, haben wir an anderer Stelle schon einmal berichtet. Unter Experten ist dieses Phänomen als „Missing Heat“ bekannt. Neuere Untersuchungen geben aber eine erste Erklärung, wo die Erwärmung geblieben sein könnte. Nämlich in den Tiefen der Ozeane:

Die Daten des US-National Oceanographic Data Center zeigen, wie sich die Wasserschichten in den Meeren in den vergangenen Jahren aufgeheizt haben. Das Problem ist hier allerdings: Noch gibt es zu wenige Messungen aus den Tiefen unter 700 Metern. Die Durchschnittstiefe der Ozean beträgt aber rund 4000 Meter. Deshalb sind die Ergebnisse noch vorläufig. Mehrere Wissenschaftler arbeiten aber derzeit am Missing-Heat-Problem. Wir werden über die weitere Entwicklung berichten.

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