Erwärmung im Pazifik Klimabombe schlummert auf dem Meeresboden

Vor der US-Küste liegen große Mengen gefrorenes Methan. Die Erderwärmung setzt das Treibhausgas nun frei.

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Es erinnert an Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen: Die Menschheit kann sich abstrampeln wie sie will, sie bekommt das Problem der Treibhausgase und die daraus resultierende Erderwärmung und Klimaveränderung nicht in den Griff.

Zwar hat sich der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre in den vergangenen Jahren verlangsamt. Doch im Gegenzug wird immer mehr Methan frei, das die Erde bis zu 25-mal stärker erwärmt, als CO2. Und ausgerechnet die Erderwärmung führt dazu, dass weitere große Mengen Methan entweichen können.

Methan-Alarm vor US-WestküsteDenn parallel zum Temperaturanstieg der unteren Atmosphäre erwärmt sich auch das Meer und zwar bis in einige 100 Meter Tiefe. Dort liegen an vielen Küsten der Welt große Mengen Methanhydrat, das ist gewissermaßen gefrorenes Erdgas. So lange der Druck auf die Lagerstätten nicht sinkt und die Temperatur konstant ist, bleiben die schmutzig-weißen Klumpen stabil. Doch schon eine Erwärmung des Wassers um wenige Grad reicht aus, damit sie auftauen. Als Fontäne aus Gasblasen steigt das dann Erdgas empor und entweicht, so weit es sich nicht im Wasser löst, in die Atmosphäre.

Dass das keine schaurige Zukunftsvision ist, zeigen jetzt Untersuchungen von Una Miller, Ozeanographin an der University of Washington. Sie und ihr Team fanden heraus, dass vor der Küste des Bundesstaates Washington bereits Methanhydrat in einem einen Kilometer breiten Unterwasserstreifen aufgetaut und entwichen ist. Das ergab die Entnahme von Bodenproben.

Fischer hatten die Forscher darauf hingewiesen, dass vor der Küste irgendetwas nicht stimmt. Immer häufiger entdeckten sie auf ihren Sonaraufnahmen, mit denen sie Fischschwärme aufspüren, rätselhafte Fontänen aus Bläschen.

Von 1970 bis 2013 wurden vier Millionen Tonnen Methan frei – 500-mal so viel wie normalerweise für den Meeresgrund dort üblich, konstatieren die Wissenschaftler. Inzwischen treten pro Jahr 0,4 Millionen Tonnen Methan aus. Das entspricht der Klimawirkung von acht Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2-Äquivalent). Die Wissenschaftler fürchten, dass vor der Küste von Washington bis zum Jahr 2100 45 bis 80 Millionen Tonnen Methan frei werden.

Gewaltige Methanausbrüche vor der OstküsteDabei ist die Küstenlinie von Washington mit rund 250 Kilometern Länge kurz im Vergleich zur gesamten Länge der US-Pazifikküste von rund 11.000 Kilometern.

Dazu kommt noch der kanadische Teil. Einfach hochgerechnet – was wissenschaftlich natürlich anfechtbar ist – könnten an der Ostküste Nordamerikas rund 320 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr entweichen. Das entspricht mehr als einem Drittel der jährlichen CO2-Emissionen Deutschlands

Doch damit nicht genug. Meeresforscher beobachten auch an anderen Orten einen Anstieg der Methanemissionen oberhalb von Hydratlagerstätten.

Wissenschaftler der Mississippi State University hatten erst im vergangenen Sommer durch Auswertung von Sonardaten und Fotos, die das amerikanische Meeresforschungsschiff „Okeanos Explorer“ während mehrerer Expeditionen zwischen 2011 und 2013 gesammelt hat, gewaltige Methanausbrüche vor der Ostküste der USA nachgewiesen.

„Unsere Befunde sprechen dafür, dass die gegenwärtige Erwärmung und die Verschiebung der Stabilitätsgrenzen des Methanhydrats vor sehr viel mehr Küsten weltweit auftreten könnte als bisher bekannt“, warnen die Forscher. Dazu kommen noch Freisetzungen aus abtauenden Permafrostgebieten vor allem in Sibirien, unter denen große Mengen Methanhydrat liegen.

Derzeit gibt es keine Möglichkeit, Hydrate zu bergen, die aufzutauen drohen. Die Arbeiten an der Entwicklung von industrietauglichen Fördertechniken ist in einem frühen Stadium. Vor allem Forscher in Japan und Deutschland sind hier engagiert.

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