Kautschuk Dank Öko-Gummi werden Kondome und Matratzen endlich fair

Kautschuk wird synthetisch aus Erdöl gewonnen - natürliches Gummi vom Kautschukbaum ist oft deutlich ökologischer.

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Die Gründe, um ein Kondom zu benutzen, sind naheliegend: Sie bieten Schutz vor Krankheiten und ungewollter Schwangerschaft. Es gibt manchmal auch Gründe, die dagegen sprechen - einen davon wollten Waldemar Zeiler und Philip Siefer angehen. Sie wollen, dass Kondome nicht mehr zum Ölverbrauch beitragen.

Für die beiden Gründer von "einhorn condoms" ist Gummi nicht gleich Gummi: Das Ursprungsmaterial Kautschuk ist oft synthetisch. Vor allem wenn der Ölpreis purzelt, steigt die Nachfrage nach künstlichem Kautschuk. Doch es geht auch anders.

In Asien wird Kautschuk auf riesigen Plantagen gewonnen, angezapft wird dafür der "Hevea Brasiliensis", der Kautschukbaum. Das Latex-Wassergemisch lässt sich vor Ort zu Kautschuk weiterverarbeiten, ökologisch ist das aber noch lange nicht. Herbizide und Pestizide werden in großen Mengen eingesetzt und verseuchen das Grundwasser. Für die Plantagen werden zudem regionale Wälder abgeholzt. Die Monokultur zerstört die Biodiversität.

Meist aus Unwissenheit, erklärt Gerhard Langenberger von der Universität Hohenheim. Die Ausbreitung der großflächigen Monokultur-Plantagen hat dabei dramatische Folgen für die Regionen: "Die Kautschukbäume verändern die Hydrologie der Wassereinzugsgebiete. Das führt zu Wasserknappheit während der Trockenzeit. Außerdem vernichten Herbizide die Bodenvegetation, was wiederum Erosion begünstigt. Die Wasserqualität sinkt und die Wasserläufe verlieren wichtige ökologische Funktionen, zum Beispiel als Laichgründe für Fischarten", erklärt Langenberger.

Aufklärung gegen MonokulturenAm Institut für "Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen" betreut der Kautschuk-Experte ein 4,6 Millionen Euro umfassendes Forschungsprojekt, das diese Umweltzerstörung beenden will. Dazu wollen die Wissenschaftler Plantagenbesitzer nicht nur aufklären, sondern ihnen auch ökologisch sinnvolle Alternativen aufzeigen. Konkret heißt das etwa, dass aus Monokulturen Mischwälder entstehen sollen – Bäume, die zur Holzgewinnung dienen oder die heimische Eibe, die als Medizinpflanze gilt, sind eine wirtschaftliche Alternative.

Der Chemieeinsatz wird dadurch reduziert, die Biodiversität erhöht. "Wenn man es vernünftig macht, dann bringt es etwas", so Langenberge. Und weckte mit seinem Programm auch das Interesse der beiden Einhorn-Geschäftsführer. Denn auch sie wollten auf ökologisch Produzierte Rohstoffe setzen. In Malaysia fanden sie Plantagenbesitzer, der zu einer Zusammenarbeit bereit war. Dafür, dass die Berliner den Kautschuk abnehmen, zeigen Studenten der Universität Hohenheim dem Plantageneigner Alternativen auf: Etwa eine Mischung aus heimischen Bäumen zu pflanzen, die die Biodiversität verbessert und gleichzeitig zusätzliche Einnahmequellen ermöglicht.

Für Forscher wie Unternehmer eine gute Sache. „Wir wollen einen Mehrwert für Mensch und Umwelt schaffen – von fairen Löhnen über nachhaltige Anbaumethoden bis hin zur Erhöhung der Biodiversität", sagt Zeiler und verspricht, "50 Prozent unserer Gewinne in faire und nachhaltige Projekte zu reinvestieren.“ Eine Umsetzung, die Geduld braucht. "Das Projekt ist mittelfristig zu betrachten", bremst Langenberger. Die Aussaat von Bäumen und das Wachstum brauchen Zeit.

Forscher freuen sich über praktisches BeispielAuch wenn Kondome nur einen winzigen Bereich im Kautschuk-Absatz darstellen, ist der Projektmanager der Uni Hohenheim über die Kooperation froh. Auf diese Weise kann er an einem praktischen Beispiel Alternativen zum herkömmlichen Anbau aufzeigen. Das ist wichtig. Nur so können auch andere Plantagenbesitzer ins Boot geholt werden. Momentan ist die Zeit dafür günstig. Durch die ökonomische Abschwächung in China sowie dem niedrigen Ölpreis, der zu einem Aufschwung des Konkurrenzproduktes Synthesekautschuk führte, sind die Preise für den natürlichen Kautschuk dramatisch gefallen. „Bauern sind daher deutlich offener für Experimente als vor dem Preisverfall“, so der Wissenschaftler.

Der Bedarf an Kautschuk ist groß. Denn die elastischen Fähigkeiten von Naturgummi sind unerreicht. Das wissen auch die Reifenhersteller zu schätzen, die mit 70 Prozent an der Spitze der Abnehmer stehen. Für Lastwagen und Flugzeuge wird immer Naturkautschuk verwendet, da es auch bei extremen Temperaturen noch Halt bietet. Nur bei Autos wird gemischt. Das Verhältnis zwischen synthetischem und natürlichem Kautschuk ist bei den Unternehmen Betriebsgeheimnis.

Kautschuk steckt aber auch in anderen Produkten, etwa Matratzen. Ähnlich wie "einhorn condoms" hat der schwäbische Hersteller Prolana einen ökologischen Anspruch, setzt dabei auf "Fair Rubber" – einen Verein, der fairen Handel auch in die Gummibranche bringen will. Das klappt, wenn die Produktionskosten der Lieferantenpartner auch bei niedrigen Weltmarktpreisen noch gedeckt sind - besonders für Kleinbauern wichtig.

Zudem trägt "Fair Rubber" dazu bei, dass der Kautschuk möglichst umweltschonend erzeugt wird. Die Lieferanten müssen dafür vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein - dem bekanntesten internationalen Zertifizierungssystem für verantwortungsvolle Waldwirtschaft, bei dem auch die Einhaltung sozialer Mindeststandards überprüft wird. Bisher ist der Verein zu klein, um die Branche zu verändern. Lediglich rund 65 Tonnen wurden darüber gehandelt. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und trotzdem führen durch den beginnenden fairen Handel bereits mehrere hundert Familien auf den Plantagen ein besseres Leben.

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