Konzentration in der Lebensmittelbranche "Den Lieferanten bleibt keine Wahl"

Was die mögliche Fusion von Edeka und Kaiser's für die Branche bedeutet, erklärt Franziska Humbert von Oxfam.

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Die Supermarktkette Edeka steht kurz davor, Kaiser's Tengelmann aufzukaufen. Das sorgt für eine noch größere Konzentration in der Lebensmittelbranche - nur die Aussicht, 16.000 Arbeitsplätze zu sichern, dürfte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel dazu gebracht haben, der Fusion zuzustimmen.

Denn diese Konzentration hat ihre Schattenseiten: Die Discounter können niedrigste Preise gegenüber ihren Lieferanten durchsetzen, unter denen am Ende die Produzenten der Lebensmittel leiden.

Franziska Humbert beobachtet den Markt für die Nichtregierunsgorganisation Oxfam. Im Interview spricht sie über günstige Lebensmittel, intransparente Lieferketten und mögliche Nachteile der anstehenden Fusion.

Frau Humbert, welche Situation haben wir gerade im deutschen Lebensmitteleinzelhandel? 

Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel sind gerade einmal fünf Namen relevant, die wir aber alle kennen: Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören, Aldi und die Metro-Gruppe. Seit Jahren teilen sie 90 Prozent des Geschäfts unter sich auf. Branchenprimus ist dabei die Edeka-Gruppe. Die Konzentration führt dazu, dass diese wenigen mächtigen Ketten ihre Bedingungen den Lieferanten einfach aufdrücken können. Den Lieferanten bleibt oft keine andere Wahl als das zu akzeptieren, weil ihnen eben die Ausweichmöglichkeiten fehlen.

Wie hat sich der deutsche Lebensmittelhandel überhaupt so konzentrieren können? 

Die Konzentration finden wir durchaus auch in anderen europäischen Märkten, etwa in Frankreich, den Niederlanden oder in Großbritannien. Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel gilt aber als der härteste. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Macht der Discounter. Sie sparen an der Einrichtung und setzen mehr eigene Marken ein, die sie billiger verkaufen können. Auch läuft der Wettbewerb im deutschen Lebensmittelgeschäft ausschließlich über den Preis.

Können Sie das Prinzip Niedrigpreis konkret erklären?  

Lebensmittelhändler wie Edeka, Aldi und Co. versuchen, riesige Mengen bei ihren Lieferanten einzukaufen. Auf die Mengen kommen dann oft noch einmal Rabatte und ähnliche Nachlässe. So sinkt der Preis pro Stück. Gleichzeitig entsteht eine Eintrittshürde für die Lieferanten. Besonders im Fruchthandel kann überhaupt nur der Lieferant mitspielen, der diese riesigen Mengen auch liefern kann.

Sie untersuchen seit Jahren, wie die Nachfragemacht der starken Supermarktketten nicht nur deutsche Lieferanten und Produzenten, sondern auch jene aus Entwicklungsländern trifft. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? 

Unsere Studien am Beispiel des Bananenmarkts zeigen, dass deutsche Supermarktketten in der Lage sind, den Preis bei ihren Bananen-Lieferanten so stark zu drücken, dass diese den offiziellen Mindestpreis, wie er beispielsweise in Ecuador gilt, regelmäßig unterlaufen. Niedrigpreise führt zu Löhnen unter der Armutsgrenze bei südamerikanischen Bauern auf den Plantagen und dazu, dass viele kleine Betriebe dicht machen müssen. Betroffen sind natürlich auch die anderen Akteure in der Lieferkette, also die Zwischenhändler und die Exporteure.

Wie kommen Sie an Ihre Informationen? 

Wir sprechen mit zahlreichen Lieferanten und das geschieht in höchster Diskretion Es ist aber schwierig, denn in der Branche herrscht ein regelrechtes Klima der Angst. Jeder befürchtet, ausgelistet zu werden, wenn er sich beschwert.

Was wird von politischer Seite aus getan, um die Branche transparenter zu machen?  

Es passiert lange nicht genug, aber ein paar Fortschritte zeichnen sich schon ab. Es ist ein Erfolg, dass das Bundeskartellamt in seiner Untersuchung des deutschen Lebensmitteleinzelhandels das ungleiche Machtverhältnis zwischen Lebensmitteleinzelhandel und Herstellern aufgezeigt hat. Und die EU hat sich der Themen Aufklärung und Transparenz angenommen. So wurde die CSR-Berichterstattungsrichtlinie verabschiedet. Unternehmen, die im "öffentlichen Interesse" stehen, also beispielsweise börsennotierte Unternehmen, Banken oder große Versicherungen, müssen Informationen zu Umweltstandards, Arbeitsbedingungen oder Menschenrechten veröffentlichen.

Die Frage ist, wie diese Richtlinie nun von den Mitgliedsstaaten ausgestaltet wird. Es ist durchaus zu befürchten, dass sie nicht über die Richtlinie hinausgehen und dann nur sehr wenige Unternehmen erfasst werden. Aldi, Edeka und Co. sind keine DAX-Unternehmen und wären somit nicht betroffen.

Wie offen sind die Supermarktgruppen von sich aus für Verbesserungen? 

Das kommt auf die Kette an. Als wir die Supermarktketten mit unseren Ergebnissen zu unfairen Arbeits- und Handelsbedingungen in der Bananenlieferkette konfrontiert haben, haben wir schnell und von fast allen eine Antwort bekommen. Dabei zeigt sich Lidl interessiert und gesprächsbereit. Edeka wiederum antwortet knapp und ist eher nicht gesprächsbereit.

Meist bestreiten die Ketten den Zusammenhang zwischen Niedrigpreis und den prekären Arbeitssituationen der Beschäftigten auf den südamerikanischen Bananenplantagen, mit der Begründung, dass ja die Produzenten dafür verantwortlich seien. Was die Konzerne aber auch klarmachen wollen: Einer alleine kann es nicht richten. Wenn ein Supermarkt höhere Preise festlegt, hat er den Wettbewerb um die Kunden gleich verloren.

Muss der Verbraucher also sein Kaufverhalten ändern, damit sich die Situation verbessert?  

Die Möglichkeiten des Verbrauchers schätze ich als beschränkt ein. In Deutschland kommt man ja leider kaum um die großen Ketten herum. Alternativen sind Bio- und Wochenmärkte. Aber das kann sich vielleicht nicht jeder leisten. Ein Problem ist, dass der Verbraucher oft nicht ausreichend informiert ist. Im Supermarkt freut er sich über die günstigen Lebensmittel, weiß aber überhaupt nicht, welche schlimmen Auswirkungen diese auf Lieferanten, Produzenten und Beschäftigte haben. Hier braucht es mehr Aufklärung.

Wenn Edeka nun die Kaiser's Märkte aufkauft, scheinen die 16.000 Arbeitsplätze gesichert. Wiegt das die Nachteile aus der Fusion auf? 

Die große Frage ist doch, was von den Arbeitsplätzen bleibt, wenn die fünf Jahre abgelaufen sind. Edeka geht es darum, seine Marktmacht zu vergrößern. Dabei ist die kurzfristige Übernahme der Beschäftigten etwas, was der Konzern jetzt in Kauf nimmt. Edeka hat bis zu 80 Prozent seiner Filialen an private Einzelhändler ausgegliedert. Diese müssen sich dann nicht an verbindliche Tarifverträge halten. Die Jobsituation in der Branche ist ohnehin prekär. Kaum 50 Prozent der Beschäftigten haben Vollzeitstellen, in privatisierten Filialen droht Zahlung unter Tarif.

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