Lebensmittel Wie Pestizide in unser Mineralwasser kommen

Pestizidfunde in Mineralwässern sorgen für Aufregung. Komisch, denn eigentlich sind Pflanzenschutzmittel in Trinkwassergebieten tabu.

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EHEC-Erreger in Gemüse, BSE bei Rindern, SARS bei Schweinen, H5N1 bei Vögeln - die Verbraucher hierzulande haben schon einiges mitgemacht. Sind Pestizide im Trinkwasser der neue Lebensmittelskandal? Laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, könnte das durchaus sein. Demnach sind 10 von 30 Mineralwässer verunreinigt.

Die Experten mit Sitz in Berlin konnten Abbauprodukte von Pestiziden, den Süßstoff Acesulfam-K und sogar Korrosionsschutzmittel nachweisen. Die Antwort der betrofffenen Unternehmen: Trinkwasser gehöre in Deutschland zu den am besten kontrollierten Lebensmitteln. Wegen der geringen Konzentration der Stoffe sei eine Gesundheitsgefährdung nicht gegeben.

Also taugt der Test doch nicht für einen Skandal? Zumindest ein fahler Beigeschmack bleibt.

Denn dass der Einsatz von Pestiziden die Gesundheit von Honigbienen und anderen Tieren gefährden könnte, wird mit einer ähnlichen lautenden Begründung bisher ebenfalls bestritten. Die Konzentration sei zu gering und die Stoffe ungefährlich bei richtiger Anwendung, beteuern die Pestizidhersteller.

Und dennoch: Mehr und mehr Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Pestizide und deren Abbauprodukte eine gesundheitsgefährdende Wirkung auf Bienen und andere Organismen haben.

Als Ursache vermuten Wissenschaftler sogenannte Giftcocktails. Damit ist gemeint, dass die Substanzen ihre schädliche Wirkung erst in Verbindung mit anderen Stoffen freisetzen. Bienen zum Beispiel, die unterschiedliche Pestizide über ihr Futter zu sich nehmen, verfügen über ein geschwächtes Immunsystem und sind weniger stark gegenüber Krankheitserregern geschützt, zeigte eine Studie kürzlich

Zwar sind die festgestellten Grenzwertüberschreitungen bei Mineralwasser im gesetzlichen Rahmen. Ob die Stoffe in Verbindungen mit anderen Umweltgiften nicht doch schädlich sind, weiß derzeit aber niemand.

Kampf um Pestizide tobt seit JahrenImmerhin 5 von 30 der von Stiftung Warentest untersuchten Mineralwässer zeigte Spuren von Abbauprodukten mehrerer Pestizide. Ähnliche Tests hatten in der Vergangenenheit schon Sorge ausgelöst. 2009 unternahm das Baden-Württembergische Verbraucherschutzministerium den Versuch, einigen Mineralwasserbrunnen die Genehmigung zu entziehen, als dort Spuren von Pestiziden auftauchten.

Aber das Vorhaben scheiterte vor dem Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung, es gebe keine unmittelbare Bedrohung für die Bevölkerung.

Ein interessanter Randaspekt dabei: 2007 hatten sich Teile der chemischen Industrie freiwillig dazu verpflichtet, den Einsatz von Chloridazon – einem Herbizid, das beim Rübenanbau eingesetzt wird – in Trinkwasserschutzgebieten zu unterlassen. Chloridazon ist eines der Mittel, dessen Abbauprodukte nun von der Stiftung Warentest in Mineralwasser gefunden wurde.

Dass das kein Einzelfall ist, zeigt die Grundwasserdatenbank Baden-Württemberg. Sie verzeichnet im Untersuchungszeitraum 2009 bis 2012 in 949 Wasserschutzgebieten Funde von Pflanzenschutzmitteln oder deren Abbauprodukten. In 117 Wasserschutzgebieten kam es dabei zu Grenzwertüberschreitungen.

Wenn Chloridazon aber in Schutzgebieten tabu ist, warum konnten die Warentest-Experten dennoch Spuren im Wasser nachweisen?

Die betroffenen Trinkwässer kommen aus verschiedenen Regionen in Deutschland. Die stärkste Belastung fanden die Tester bei Justus Brunnen aus Eichenzell bei Fulda in Hessen. Schon 2007 gab es mit dem Wirkstoff Chloridazon im Landkreis Fulda Probleme.

Pflanzenschutzmittel in WasserschutzgebietenDas Fazit also: Trotz der Selbstverpflichtung der Industrie, scheinen in vielen Trinkwasserschutzgebieten Pestizide zur Anwendung zu kommen. Das ist nicht nur bedenklich, wenn es um die Gesundheit von Menschen geht. Auch wirtschaftlich ist der Pestizideinsatz ein Minusgeschäft.

Pro Kubikmeter Wasser fallen in manchen Teilen Deutschlands sechs bis sieben Cent für die Reinigung von Pestiziden an, schätzte 2007 Frieder Haakh, Technischer Geschäftsführer des Zweckverbandes Landesversorgung, der 250 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg mit Trinkwasser versorgt. Die Kosten übersteigen laut Haakh den Nutzen durch den Ertragszuwachs, den die Landwirte durch Pestizide haben.

Dass die Politik diese Erkenntnisse ignoriert, zeigt die Stichprobe von Stiftung Warentest eindrücklich.

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